Streit ist in der Kirche wie überall, wo Menschen am Werk sind, unvermeidlich – erst recht in den gegenwärtigen Übergangsprozessen.
Wenn aber der Streit nicht zu verhindern ist, dann sollte man – so der Appell des Grazer Dogmatikers Bernhard Körner – „wenigstens dafür Sorge tragen, dass er auf kultivierte Weise ausgetragen wird, auf eine Weise, die nicht im Widerspruch zum Evangelium steht“.
Zu einer guten „Streitkultur“ in der Kirche gehört Körners Überzeugung nach, dass die Kirche auch in inneren Konflikten als Anwältin des dreieinigen Gottes erfahrbar bleibt. Weiters sind wichtig: das möglichst unvoreingenommene Ringen um Wahrheit statt des Hantierens mit Schlagworten und Klischees, Vorsicht angesichts der Eigengesetzlichkeiten der Medien und – zuallererst – Geduld und Gottvertrauen.
Körner verband den Eindruck, heute werde in der Kirche „mehr gestritten als zu anderen Zeiten“, mit Beobachtungen über dementsprechende Rahmenbedingungen: Das moderne demokratische Bewusstsein dränge auf freie Meinungsäußerung, auf Mitbestimmung und Mitentscheidung – auch in der Kirche.
Eine Rolle spiele auch die durch den Missbrauchsskandal geschürte „Hermeneutik des Verdachts“ und der schon davor gewachsene „Vertrauensverlust“ in das kirchliche Lehramt (als Beispiel nannte Körner die Enzyklika „Humanae vitae“, 1968).
Divergenzen würden noch dadurch verstärkt, dass Religion und Glaube heute „fast automatisch als Privatsache gesehen“ würden. Kirchliche Stellungnahmen erschienen dann als Einmischung.
Und schließlich sei gerade vor dem Hintergrund des modernen Pluralismus das „Dilemma von Identität und Relevanz“ bedeutsam, wies Körner hin. Kurienkardinal Walter Kasper habe dieses Dilemma so beschrieben: Bemüht sich die Kirche um Identität, droht sie ihre Relevanz (Bedeutsamkeit) zu verlieren; bemüht sie sich dagegen um Relevanz, droht sie ihrer Identität verlustig zu gehen.
Dem entsprächen unterschiedliche Perspektiven hinsichtlich der Zukunft der Kirche: Die einen scheuten Veränderungen aus Angst vor Verwässerung und riskierten damit, dass die Kirche zur „kleinen Herde“ wird. Die anderen gingen von der Vision einer Volkskirche aus, in der auch für Suchende und Fragende Platz sein soll. Für den Grazer Dogmatiker ist offensichtlich, dass unterschiedliche Leitbilder auch eine Quelle der Auseinandersetzung sind.
Trotz dieser heute „konfliktbegünstigenden“ Gegebenheiten gilt: Auch heftig ausgetragene Meinungsunterschiede sind in der Kirche nichts Neues und schon für biblische Zeiten belegbar. Körner erinnerte etwa an den Apostelstreit um die Heidenmission oder die Integration der mittelalterlichen Armutsbewegungen.
Auch beim Zweiten Vatikanischen Konzil sei es zu Auseinandersetzungen zwischen der „reformfreudigen Mehrheit“ und einer Minderheit gekommen, „die mit der Dynamik des Konzils nicht einverstanden war“.
kap