Samstag 11. Januar 2025
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Der Baum: Energie für Leib & Seele

(6.11.2011) Interview mit Weihbischof Stephan Turnovszky über den „Lebensraum“ Wald.


 

Weihbischof Stephan Turnovszky, Diplomingenieur der „Technischen Chemie“, über den
„Lebensraum“ Wald. Und warum er einen Baum in seinem bischöflichen Wappen führt.


 

Die nächste Woche ist in Österreich dem „Wald als Energielieferant“ gewidmet. Warum?
 
Turnovszky: Der Wald ist Energielieferant in mehrfachem Sinn. Einerseits liefert er nach wie vor Brennholz, die Grundlage für unsere thermische Energieversorgung – als Scheiter und heute zunehmend als Hackschnitzl. Zweitens liefert er auch eine andere Art von Energie: Energie für die Seele; er ist Erholungsraum.

 

Ich mache die Erfahrung: Wenn ich aus dem Wald zurückkomme, komme ich verändert zurück. Ich erinnere mich an meine Zeit als Diakon in Perchtoldsdorf. Da war zwischen Pfarrhof und der Schule, in der ich unterrichtet habe, ein kleines Stück Weg durch einen Park. Ich hatte immer den Eindruck; Hier kann ich Kraft schöpfen und gehe erneuert hinaus.

 

Biologisch gesehen ist der Wald auch Sauerstoffspender, und Sauerstoff ist wiederum nötig, um Energie freizusetzen. Das erleben wir im Wald: Man kann freier durchatmen, man fühlt sich belebt.
 
Sie haben Technische Chemie studiert. Was ist die vorrangige Aufgabe des Waldes als Klimaregulator?
 
Turnovszky: Chemisch ist es so, dass Pflanzen Kohlendioxid (CO2) binden und Sauerstoff (O2) freisetzen. In der industrialisierten Gesellschaft ist das deshalb von besonderer Bedeutung, weil wir einen allzu hohen CO2-Ausstoß haben.

 

Es gibt dafür verschiedene Gründe. Der Wald wirkt als Klimaregulator auch deshalb, weil er CO2 bindet. Er ist die wichtigste Stelle in der Natur, an der die CO2-Menge reduziert wird. Im Gegenzug setzt der Wald Sauerstoff frei.

 

In einer zweiten Hinsicht ist der Wald Klimaregulator, weil er Wasser, Niederschläge bindet. Es gibt nichts Besseres gegen Erosion als den Wald. Waldfreie Flächen neigen dazu zu erodieren. Bei starken Niederschlägen wird das Wasser im Wald durch das Wurzelwerk gebunden und zurückgehalten. Ein Teil des Wassers versickert und tritt als Quellwasser aus, ein großer Teil des Wassers wird vom Baum aufgenommen und wieder über die Blätter in Form von Verdunstung abgegeben.
 
Was geschieht bei der in diesem Zusammenhang häufig zitierten  „Photosynthese“?
 
Turnovszky: Da passiert das Gegenteil vom tierisch-menschlichen Metabolismus („Stoffwechsel“). Mensch und Tiere nehmen Nahrung auf und können sie mit Hilfe von Sauerstoff zu Energie und Biomasse umsetzen. Dabei wird CO2 abgegeben.

 

Bei der Photosynthese passiert das „Gegenteil“: Eine Pflanze nimmt Kohlendioxid und Wasser auf und unter dem Einfluss von Sonnenlicht wird dies unter der Freigabe von Sauerstoff zu Biomasse (Pflanzenwachstum) umgesetzt.
 
Sind die Bäume nicht „Kohlendioxod-Bomben“, wenn sie das ganze CO2 sammeln?
 
Turnovszky: Die Bäume bilden aus Kohlendioxid und Wasser Holz und Blätter. Das Kohlendioxid wird nicht im Baum gespeichert in Form von Lagerung, etwa wie in einem Tank, und später freigesetzt, sondern das CO2 wird chemisch gebunden.

 

Im Baum ist nicht mehr Kohlendioxod als Verbindung da, sondern der Kohlenstoff und der Sauerstoff des Kohlendioxids werden in einer Reaktion chemisch umgesetzt und daraus werden Kohlenhydrate gebildet. Dazu gehören die Zellulose, die den Stamm baut, das Holz, und die Blätter. Kohlendioxid und Wasser mit Sonnenlicht erzeugen unser Holz. Das Kohlendioxid wird erst dann wieder frei, wenn man das Holz verbrennt.
 
Sie haben einen Baum in Ihrem Wappen. Warum?
 
Turnovszky: Der Baum ist ein Symbol, das mir in mehrfacher Hinsicht gefällt. Zunächst steht er für meine Liebe zur Natur. Ich bin gern in der Natur und kann mich dort gut erholen. Dann bin ich von meiner ersten Ausbildung her Chemiker, also Naturwissenschaftler. Insofern steht ein Stück Natur auch für Naturwissenschaft.

 

Als Symbol spricht der Baum mich aus zwei Gründen besonders an: Er ist erstens ein Zeichen für Festigkeit. Wenn alle Menschen nervös von rechts nach links laufen, wenn alle Tiere im Wald flüchten – der Baum steht. Ganz gleich, wie das Wetter, wie die Jahreszeit ist, der Baum hat etwas Stabiles.

 

Zweitens und damit verbunden: Der Baum ist in der Erde fest verwurzelt und streckt sich zum Himmel aus. Er ist bodenständig und hat das Haupt zum Himmel erhoben. So möchte ich mein Christsein leben: Mit den Füßen fest am Boden, menschennah, und zugleich gottverbunden, zum Himmel hin orientiert.

 

Und schließlich ist der Baum auch ein starkes theologisches Motiv: Ich denke an den Baum des Paradieses und an das Kreuz, das auch Baum des Kreuzes genannt wird.


Interview: Elvira Groiss,
Stefan Kronthaler

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