Mit dem Ruf nach größerer Ernsthaftigkeit und zugleich Gelassenheit in einer „derzeit so aufgeregten Kirche“ hat sich der Erfurter Diözesanbischof Joachim Wanke zu Wort gemeldet. Eine „evangeliumsgemäße christliche Existenz heute“ bedeute stets persönliche Umkehr zu Gott sowie zu den Mitmenschen – aber immer auch einen Lebenswandel in Ernsthaftigkeit und in der „engagierten Gelassenheit“, dass Gott dieses Leben gelingen lässt. Dies unterstrich Wanke im Rahmen eines Vortrags zum Thema „Heute christlich leben“ im St. Pöltener Bildungshaus St. Hippolyt.
Ein Leben nach dem Evangelium bedeute ein Leben in der Nachfolge Jesu, das sich erst in der Tat, in einer christlichen Lebenshaltung erweise, so Wanke.
Zu einer „christlichen Existenz“ gehöre „ein bestimmter Stil des Lebens, eine bestimmte Art der zwischenmenschlichen Beziehungen, aber etwa auch die Fähigkeit und Bereitschaft, sich gegenseitig neue, heutige Erfahrungen und Hoffnungen aufnehmende ‚Reich-Gottes-Geschichten‘ zu erzählen“, so Wanke. Diesen praktischen Anspruch stelle der christliche Glaube an jeden Menschen in seinem jeweiligen, ganz speziellen Lebens- und Arbeitsumfeld.
Das „christliche Proprium“, das christliche Merkmal, in den oftmals „profanen Tätigkeiten“ bestehe darin, dem Handeln eine jeweils besondere, christliche „Einfärbung“ zu geben, „die nicht von der Substanz der eigentlichen Alltagstätigkeit zu trennen ist – so wie Salz oder Zucker sich normalerweise in einer Flüssigkeit für das Auge unerkennbar in diese auflöst“. Es gehe also um eine „neue, österliche Lebensperspektive aus dem Evangelium heraus“, so der Erfurter Bischof.
Auf der anderen Seite stelle die Forderung nach einem evangeliumsgemäßen Leben auch an die Kirche als ganze eine besondere Herausforderung: „Einziger Zweck der Kirche ist es, um einmal so verkürzt zu sprechen, den Menschen jeder Zeit und jeder Generation im Auftrag ihres Herrn den Gotteshorizont aufzuschließen.“
Die Kirche habe den Auftrag, der Botschaft des Evangeliums einen „Resonanzraum“ zu schaffen, in dem der „Ton, die Botschaft von Jesu Leben, Sterben und Auferstehung“ klingen kann. So sehr diese Botschaft ein „geschichtsmächtiges“ und „kulturell prägendes“ Faktum sei, so sehr müsse sie „immer neu gehört und angenommen werden“.
Eben darin bestehe heute die große Herausforderung für die Kirche: Da sich „Glaube nur an Glauben entzünden“ könne, müsse die je eigene Gottesbeziehung „sprechend“, d. h. zum Zeugnis werden. Wanke: „Ob das gelingt, ist meines Erachtens die wichtigste Frage im Blick auf die Zukunft von Kirche und Christentum in Deutschland.“
kap