Auf den deutlichen Einfluss der unterschiedlichen Religionen und ihrer Grundüberzeugungen auf die Haltung zu bioethischen Fragen hat der Wiener Mediziner und Moraltheologe Univ.-Prof. Matthias Beck hingewiesen.
Individualität und Menschenwürde seien Auffassungen, die sich vor allem aus dem Judentum und Christentum herleiten, aus ihrer Auffassung von einer „personalen“ Beziehung zwischen Gott und Mensch und der Auffassung vom Menschen als Gottes „Ebenbild“, sagte Beck beim „Jour fixe“ des Verbandes Katholischer Publizisten am 5. Oktober in Wien. Diese Hochschätzung des Individuums zeige sich im Bewusstsein von der Würde des Menschen auch in seinem embryonalen Stadium bzw. am Ende seines Lebens, betonte der Mediziner, der am 5. Oktober in die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt (siehe weiter unten) bestellt wurde.
Für Hinduisten und Buddhisten etwa hätten durch den Glauben an eine Wiedergeburt bereits Begriffe wie „Lebensanfang“ und „Lebensende“ eine andere Bedeutung als für Gläubige der Offenbarungsreligionen Judentum, Christentum und Islam. Viele Ostasiaten hätten daher weniger Vorbehalte gegen heutige medizinischen Techniken wie Stammzellenforschung an menschlichen Embryonen, Klonen von Menschen oder der Herstellung von Mensch-Tier-Mischwesen.
Beck erinnerte zudem daran, dass es auch innerhalb der christlichen Kirchen – trotz gemeinsamer Überzeugung von der individuellen Würde jedes Menschen – unterschiedliche Auffassungen in bioethischen Detailfragen gebe. So vertrete beim Embryonenschutz die katholische Kirche die strengste Linie. Sie betrachte den Embryo vom Augenblick der Vereinigung von Ei- und Samenzelle an als menschliches Individuum, dem die volle Würde zukommt, das absolut schützenswert ist und auch nicht verwertet werden darf.
Dabei habe die katholische Kirche noch bis ins 19. Jahrhundert herauf die von Aristoteles formulierte und von Thomas von Aquin übernommene Vorstellung einer stufenweisen „Beseelung“ des heranwachsenden Embryo vertreten.
Nach der Entdeckung der menschlichen Eizelle 1827 habe die katholische Kirche aber diese Auffassung überdacht und betrachte den Embryo von Beginn an als Menschen, berichtete Beck. Im Judentum und im Islam hätte sich die Vorstellung einer stufenweisen „Beseelung“ jedoch gehalten, der Umgang mit Embryonen sei daher im Vergleich „sorgloser“.
Bemerkenswerte Unterschiede ortet Beck auch im Blick auf das Ende des Lebens, etwa bei der Organspende. Medizinisch habe sich die Definition des Todeszeitpunktes eines Menschen in der vergangenen Jahrzehnten vom Herztod zum Hirntod verlagert. Für Christen stelle eine Organentnahme nach dem Hirntod – bei noch schlagendem Herzen – kein ethisches Problem dar. Anders für das Judentum, für das der Sitz der Seele das Herz ist.
Am 5. Oktober wurden für die 6. Amtsperiode (2011 bis 2013) folgende Expert/innen für die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt bestellt:
kap