Freitag 10. Januar 2025
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Pro-Existenz: Da für andere

(16.10.2011) Interview mit Jan-Heiner Tück über das Jesus-Buch des Papstes, Band 2.


 

Dr. Jan-Heiner Tück, Universitätsprofessor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien.

 


 

 

Wenn das Jesus-Buch des Papstes kein „Leben Jesu-Buch“ ist, was ist es dann? Joseph Ratzinger /Benedikt XVI. traut dem Jesus-Bild der Evangelien mehr als hypothetischen Rekonstruktionen...
 
Tück: Das Jesus-Buch ist in der Tat weder ein Beitrag zur Leben-Jesu-Forschung noch eine dogmatische Christologie. Am ehesten lässt sich Joseph Ratzingers Zugang zur „Gestalt und Botschaft Jesu“ mit einer Theologie der Mysterien des Lebens Jesu vergleichen, wie sie Thomas von Aquin erstmals verfasst hat (vgl. Summa theologiae III, q. 27–59).

 

Allerdings hat Thomas seiner Darstellung der Mysterien von der Geburt über die Verkündigung bis hin zu Tod und Auferstehung eine dogmatische Christologie vorangestellt, die das Zueinander von göttlicher und menschlicher Natur in der Person Christi bedenkt.

 

Die Mysterien des Lebens Jesu sind beim Aquinaten daher als Ausfaltung seiner dogmatischen Christologie zu lesen. Joseph Ratzinger verfährt umgekehrt: Er leitet zunächst aus der Botschaft und dem Verhalten Jesu Anhaltspunkte für seinen göttlichen Vollmachtsanspruch ab, um dann die Brücke zur kirchlichen Konzilienchristologie zu schlagen.

 

Seine Grundthese lautet, dass Jesus Gottes Wort in Person ist, dass seine Sendung nur aus der Gebets- und Willensgemeinschaft mit dem Vater verstanden werden kann. Durch diesen Ansatz versucht er den „Riss“ zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens zu heilen und seine Leser neu in die Freundschaft mit Christus einzuweisen.

Warum kommt dem Sterben Jesu – der Passion aus Liebe – rettende, erlösende Kraft zu?

Tück: Der Papst deutet das Sterben Jesu nicht isoliert. Schon die Fußwaschung ist ein Symbol einer Liebe, die für die Freunde bis ans Ende geht (Joh 13). Im Abendmahl verdichtet sie sich, denn in den Zeichen der Selbstverteilung scheint die Summe der Sendung Jesu auf – seine Existenz ist Proexistenz: Dasein für andere.

 

Dies hält er auch im Sterben durch, wenn er die brutale Gewalt der Kreuzigung von innen her in einen Akt der Hingabe verwandelt. Gewaltverzicht und Feindesliebe, Spitzenaussagen der Bergpredigt, werden in der Passion eingelöst, wenn der am Kreuz Sterbende für seine Peiniger betet. Der Papst macht darüber hinaus deutlich, dass Jesus nicht nur mit den Leidenden solidarisch geworden ist, sondern auch und vor allem die Schuld der Menschen getragen hat (vgl. Jes 53). Darin liegt für ihn die rettende und erlösende Kraft der Passion.

„Die heiligen Schriften nicht kennen, heißt Christus nicht kennen“, sagt der hl. Hieronymus. Warum werden sie dann so wenig gelesen?

Tück: Hieronymus erinnert daran, dass es ohne die Hl. Schrift keinen Zugang zu Jesus Christus gibt. Wir glauben nicht an eine spekulative Christusidee, die wir uns selbst zurechtgelegt haben, sondern an Jesus von Nazaret, das menschgewordene Wort Gottes, dessen Leben, Tod und Auferstehung in den vier Evangelien verbindlich bezeugt wird. Nur in der Betrachtung dieser Zeugnisse erschließt sich uns, wer Jesus Christus ist, was er für uns getan hat und wozu er uns heute einlädt. Daher sollte die Schriftlektüre im Leben der Gläubigen einen größeren Raum einnehmen.

Interview: Stefan Kronthaler


 


HRSG: Jan-Heiner Tück

 

Passion aus Liebe

Das Jesus-Buch des Papstes in der Diskussion

2011, Matthias-grünewald
Auflage: 1
Fester Einband
280 Seiten
ISBN: 978-3-7867-2896-2

Dieses Buch oneline bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen.

 

 


Thomas von Aquin

 

Thomas von Aquin

 

Summe der Theologie /

Der Mensch und das Heil

Summa theologica

Mit Sachverz. u. Glossar

1985, Alfred Kröner Verlag
Auflage: 3., Aufl.
Übersetzt von Joseph Bernhart
Fester Einband
CXVIII, 681 Seiten
ISBN: 978-3-520-10903-3

Dieses Buch oneline bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen.
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