Gibt es ein Schisma in der Katholischen Kirche?
„Man geht nicht, man bleibt“: Auf diesen klaren Nenner brachte die frühere Dresdener Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovits die Diskussion zum Thema „Gibt es ein Schisma in der Katholischen Kirche?“ am 4. Oktober in Wien.
Die Reihe „Kirche brennt 3“ wurde vom „Forum Zeit und Glaube“ des Wiener Katholischen Akademikerverbandes gemeinsam mit der Fakultätsvertretung Theologie veranstaltet.
Die „subjekte Redlichkeit“ der Unterzeichner/innen des Theologen-„Memorandums“ sei außer Streit, betonte Hanna-Barbara Gerl-Falkovits. Allerdings stelle sich die Frage, „ob das dem dient, was wir unter Kirche verstehen“. Kritik an der Kirche sei „legitim, wenn sie auf Basis einer grundsätzlichen Loyalität erfolgt“.
Die Fragen der Menschen, etwa im früheren Ostdeutschland, seien nicht die Fragen der Kirchenreformer. Die existentielle Frage dieser Menschen laute: „Hat es Sinn, dass wir da sind?“ Papst Benedikt XVI sei nicht gegen die Moderne, sondern „ein Vertreter der Vernunft“, er verteidige das jüdisch-christliche Erbe in Verbindung mit einem gereinigten griechischen philosophischen Denken.
In der Liturgie sieht die Religionsphilosophin problematische Entwicklungen. Die „Sakralität“ des Gottesdienstes werde ungenügend geachtet, es gebe ein „Schisma des Banalen“. Der Papst mühe sich um „eine Rückholung des Heiligen“ in die Liturgie. Im Hinblick auf die Piusbruderschaft sah Gerl-Falkovitz allerdings ein Schisma. Positiv sei die Annäherung an die Orthodoxie und an die Anglikaner.
Viel größere Sorgen machten ihr allerdings Tendenzen innerhalb der Katholischen Kirche, wenn etwa auf einer Theologischen Fakultät in Deutschland die Gottessohnschaft Jesu geleugnet werde und die deutschen Bischöfe nicht klar und deutlich dagegen auftreten würden.
Der an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät lehrende Philosoph Johann Schelkshorn sieht einen „tiefen Riss“ innerhalb der Katholischen Kirche, eine „sehr ernste Situation“. Der Riss sei das Ergebnis einer schon über Jahrzehnte andauernden Entwicklung. Er durchquere (Pfarr-)Gemeinden, Hierarchien, theologische Fakultäten, Laien und Kleriker.
Schelkshorn fühlt sich bisweilen von konservativ-traditionalistischen Kreisen, „die bestimmen, was das Katholische ist“, nicht mehr „als Katholik akzeptiert“. Er warf dem Papst ein „augustinisch-platonisches Christentum auf hohem Niveau“ vor. Problematisch sei die von Papst Benedikt XVI. vollzogene Allianz der Kirche mit traditionalistischen Kreisen und die päpstliche Kritik an der Moderne. Schelkshorn sieht die Gefahr, dass die „jeweilige Theologie des Papstes zur Doktrin wird“.
Entscheidend sei letztlich: „Wie viel Offenheit im Disput dürfen wir zulassen?“ Der Philosoph plädierte für einen „Lebensstil nach dem Evangelium, der rote Faden sei dabei die ,Agape‘ – die Liebe“. Die Strukturprobleme“ seien die aktuelle „Hausaufgabe“ der Kirche.
Weiters vermisste Schelkshorn eine entsprechende Reaktion der Kirchenleitung auf die Anliegen der Pfarrer-Initiative und des sogenannten „Kirchenvolksbegehrens“.
Die Geschichte nach einem Konzil sei immer „ein Deutungsstreit“ gewesen, schon in der Alten Kirche nach den ersten Konzilien, betonte der Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück. Auch heute gehe es um die Frage, wie die beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) begonnene Öffnung der Kirche zur Welt konkret zu fassen sei.
Es mache wenig Sinn, die gegenwärtige Gottes- bzw. Glaubenskrise gegen die Strukturkrise auszuspielen. Selbst wenn alle Reformforderungen, etwa der Pfarrer-Initiative, erfüllt würden, „hat man damit beim grundlegenden Problem nichts erreicht.“ Beide Krisen hingen zusammen: Neue Wege zur Überwindung der Glaubenskrise gäben beispielsweise Anstöße für Gemeindereformen. Zu den Pius-Brüdern: Diese hätten „massive Probleme mit den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils“, sagte Tück.
Kron