Als Zwölfjähriger war der gebürtige Tiroler Reinhard H. Gruber zum ersten Mal in Wien anlässlich des Papstbesuches 1983. „Ich stand mit meinen Eltern bei der Eröffnung des Katholikentages durch Kardinal König auf dem Stephansplatz und hörte die Domglocken läuten“, erinnert er sich im Gespräch mit dem „Sonntag“. Der Klang der Pummerin und der Blick auf den Dom machten auf den jungen Tiroler einen tiefen Eindruck. „Ich will den Schlüssel zu dieser Kirche!“, soll der Bub zu seinem Vater gesagt haben.
Reinhard H. Grubers Wunsch wurde erfüllt. Im Jahr 2000 wurde er Archivar im Domarchiv zu St. Stephan und weckte dieses aus seinem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. Regelmäßig führt Gruber Gruppen durch die Domkirche. „Wären die Künstler nicht so gläubig gewesen, wäre der Dom nicht so schön geworden“, ist der Archivar überzeugt.
2004 verfasste der Domkenner gemeinsam mit Robert Bouchal das Buch „Der Stephansdom. Monument des Glaubens, Stein gewordene Geschichte“ (Pichler Verlag). Dieses ist längst vergriffen, der Wunsch nach einem ähnlichen grundlegenden Werk wurde immer wieder an Gruber und Buchhändler rund um den Dom herangetragen.
Soeben ist der umfassende Band von Gruber „Der Wiener Stephansdom. Porträt eines Wahrzeichens“ im Tyrolia Verlag erschienen. Anliegen des Autors war es, verständlich und gut lesbar über die bewegte Geschichte des Doms, seine bedeutenden Kunstwerke und seine religiöse Botschaft zu schreiben. Ein Jahr lang arbeitete Gruber abends und an Wochenenden an diesem Überblickswerk, das auch für Einsteiger sehr gut geeignet ist. Anfragen an das Archiv und Fragen, die bei Dom-Führungen oft gestellt werden, flossen ein.
„Der Dom wird sich nie alle Geheimnisse abringen lassen“, weiß Gruber. Es dürfe offene Fragen geben. „Hinter manchen ungelösten Dingen steht eine Botschaft“, sagt der Autor. So ist bis heute ungeklärt, ob es sich beim berühmten „Fenstergucker“ an der Domkanzel um ein Selbstbildnis von Anton Pilgram handelt oder nicht. „Wir können diese Frage nicht beantworten, da es dazu keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt“. Für Reinhard Gruber ist der „Fenstergucker“ ein Denkmal für die unzähligen Namenlosen, die über viele Generationen am Dom mitgearbeitet habenund„im Gewissen Gottes gespeichert sind“.
Der reich bebilderte Band enthält ein Glossar, das Begriffe rund um den Dom erklärt, eine Zeittafel (bis 2011), einen Grundrissplan des Domes sowie eine ausführliche Bibliografie.
Mit seinem Buch lädt Reinhard Gruber ein, Herz und Augen für die (wunder)schönen Details des Stephansdomes zu öffnen, wie z. B. für das bezaubernde Lächeln der Dienstbotenmadonna, den „Herrgott, dem die Haare wachsen“ in der Kreuz-Kapelle oder den „zufrieden schlafenden Esel“ aus der Weihnachtsdarstellung auf dem Wiener Neustädter Altar. Grubers Buch erzählt von den vielen Schätzen des Domes wie dem Reliquienschatz und führt in alle Kapellen.
Jedes Kapitel ist in sich geschlossen. Der Band enthält Fotos und Abbildungen, die in noch keinem anderen Dom-Buch zu sehen waren, wie z. B. Archivfotos aus der Zeit des Wiederaufbaus.
Nutznießer der Einnahmen aus dem Buch ist im übrigen (außer dem Verlag) nicht der Autor, sondern der Dom, der, wie zu Beginn erklärt wird, eine eigene Rechtspersönlichkeit ist. „Mir war vor allem die religiöse Klammer wichtig“, sagt Reinhard Gruber. Sein Buch schließt mit dem Bibelzitat: „Ich habe dieses Haus erwählt und geheiligt, damit mein Name hier sei auf ewig“ (2 Chr 7,16).
Agathe Gansterer
Reinhard H. Gruber
Der Wiener StephansdomPorträt eines Wahrzeichens |
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Dieses Buch oneline bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen. |