Wenn Papst Benedikt XVI. am 22. September am Flughafen Berlin-Tegel deutschen Boden betritt, wird er dort nicht nur auf eine große Zahl von begeisterten Gläubigen treffen – über 175.000 Menschen haben sich bisher zu den fünf Großgottesdiensten angemeldet. Er wird auch eine Kirche im Umbruch vorfinden – eine Kirche, verunsichert durch interne Konflikte und äußere Irritationen. Seien es die Auswirkungen der Missbrauchsskandale, die Forderung von CDU-Politikern nach einem Überdenken des Zölibats, die mittlerweile beruhigte „Causa Mixa“ oder das Theologen-Memorandum. Nicht verdenken kann man der katholischen Kirche in Deutschland daher, dass sie sich vom Papstbesuch viel erhofft.
Stationen der Papst-Reise sind Berlin, Freiburg, Erfurt sowie der Wallfahrtsort Etzelsbach in Thüringen. Höhepunkte des dritten Deutschlandbesuchs Benedikt XVI. bilden eine Rede vor dem Deutschen Bundestag, eine Messe im Berliner Olympiastadion, eine Zusammenkunft mit Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland im Augustinerkloster in Erfurt und eine Jugendvigil in Freiburg. Vorgesehen sind ferner Begegnungen mit Repräsentanten der jüdischen und muslimischen Gemeinde in Deutschland sowie der orthodoxen Kirchen.
Während der Reise sind außerdem mehrere Begegnungen mit Spitzenpolitikern geplant – darunter mit Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Außerhalb des offiziellen Programms könnte es auch in Deutschland ein persönliches Treffen Benedikts XVI. mit Missbrauchsopfern geben.
Die Spitzenvertreter der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland erhoffen vom bevorstehenden Besuch des Papstes in Deutschland einen Schub für die Ökumene. Der Besuch des Papstes am 23. September im evangelischen Augustinerkloster, der Ökumene-Gipfel und der anschließende Gottesdienst sei ein „ökumenisches Zeichen von hoher Symbolkraft“, sagte der Vizepräsident des Kirchenamts der EKD, Thies Gundlach. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, warnte zwar vor allzu hohen Erwartungen, er könne sich aber durchaus vorstellen, dass der Papst „durch die Art der Begegnung ein weiteres deutliches Zeichen seiner Wertschätzung setzt, dass er uns ermutigt, geistlich und theologisch den Weg der Ökumene weiter voranzugehen“.
Bei der Begegnung mit Vertretern des Judentums in Berlin dürfte der Papst hervorheben, dass es „aufgrund der gemeinsamen Wurzeln eine unabdingbare Bezogenheit von Christentum und Judentum gibt“. Und dass man aus diesen gemeinsamen Wurzeln heraus leben müsse, hob der für Ökumenefragen zuständige Kurienkardinal Kurt Koch Kardinal Koch im Vorfeld des Papstbesuches hervor. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, zeigte sich unterdessen „vom absoluten Versöhnungswillen des Papstes“ fest überzeugt. Ausdrücklich würdigte er Benedikts „klare Absage an jede Judenmission und seine Zurückweisung des alten Vorwurfs des ,Gottesmordes‘ durch die Juden“. Dies fördere Vertrauen und Zuversicht.
Die geplanten Proteste gegen den Papst-Besuch sieht man in Deutschland eher gelassen. Der neue Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki etwa zeigt sich aufgeschlossen für das Gespräch mit Papstkritikern. Er wünsche sich jedoch, dass die Gegner der Visite auch die Argumente der anderen Seite zur Kenntnis nähmen. Der Papst sei ein herausragender Gelehrter. „Ich meine, jeder kann ihm – schon aus Gründen der Höflichkeit gegenüber einem Gast – zunächst zuhören und dann immer noch kritisieren“, so der Berliner Erzbischof.
Pünktlich zur Deutschlandreise von Papst Benedikt XVI. hat übrigens die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) ein „theologisches Lesebuch“ mit Texten Joseph Ratzingers herausgegeben. Die vom Regensburger „Institut Papst Benedikt XVI.“ zusammengestellte Sammlung umfasst 152 Seiten und enthält Beiträge, die in das Denken des Papstes einführen. Näheres unter www.dbk.de .
kap/ aha