Wenn die Kirche verlernt, zu schweigen und auf Gott zu hören, verliert sie etwas von höchster Bedeutung.
Wenn die Kirche verlernt, zu schweigen und auf Gott zu hören, verliert sie etwas von höchster Bedeutung.
Papst Franziskus hat zu Beginn der Synode die Kommentatoren aufgefordert, dem Volk Gottes den geschützen Rahmen des Schweigens und Aufeinanderhörens zu erklären. Wer könnte so etwas besser als ein Mönch?
Sant' Anselmo auf dem römischen Aventin, eine Insel der Ruhe über der hektischen römischen Innenstadt, ist gleichzeitig Zentrum der weltweiten Benediktiner-Konföderation und Sitz einer international anerkannten Universität, auch über die katholische Welt hinaus. Hier treffe ich P. Nikodemus Schnabel, den Abt der Dormitioabtei in Jerusalem.
Während weltweit unterschiedliche Hoffnungen und Befürchtungen mit der zurzeit im Vatikan tagenden Bischofssynode verknüpft werden, hat Papst Franziskus den Teilnehmern Schweigen und Stille in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit verordnet. Dies hat unter Kommentatoren und Journalisten vorsichtig formuliert für etwas Aufsehen gesorgt. Meine Frage an den Mönch ist schnell gestellt: Wie vermittelt man in einer Kultur des Livetickers den Wert des "Schweigens und Hörens", wie es sich der Papst von den Journalisten erwartet?
Abt Nikodemus versteht zunächst die Irritation über die päpstliche Entscheidung unter Medienleuten „absolut“, wie er betont, denn das ist „das Gegenteil der Medienlogik, die uns immer dazu drängt, zu kommunizieren, transparent zu sein und ständig zu sprechen“ und: "Dieses Kommunizieren und Reden haben wir auch unglaublich gelernt. Aber ich glaube, der Papst macht darauf aufmerksam, dass, wenn wir das auf die Spitze treiben, wir nur noch am Reden sind. Aber wer hört denn dann noch zu? Es braucht jetzt auch diesen geschützten Raum.“ Und genau darauf kommt es Franziskus vermutlich an: Es besteht die Notwendigkeit, innezuhalten und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Die Synode als Ort der Diskussion und Reflexion verlangt nach einem Moment der Stille, um die Führung des Heiligen Geistes zu erkennen. In einer Welt, die von schneller Kommunikation getrieben wird, ist diese Pause wertvoller denn je, so der Abt.
Schweigen bedeutet aber deutlich mehr als nicht zu reden. Es geht vielmehr darum „einen Schritt zurückzumachen, um zuzuhören“. Aber das erfordert selbstverständlich zunächst „Geduld und die Fähigkeit nicht sofort Antworten parat zu haben." Diese Geduld sieht der Benediktiner als entscheidende Bedingung für gelungene Kommunikation. Das Schweigen schafft Raum für reflektierte und bedeutungsvolle Dialoge. Schnabel interpretiert diesen Raum des Schweigens und Hinhörens auch als Möglichkeit, dass jene zu Wort kommen, die gewöhnlich nicht gehört werden: „Was meinen die Migranten? Was meinen die Asylsuchenden? Was meinen die vulnerabelsten Gruppen unserer Kirche?“
Die Entscheidung des Papstes auf das Schweigen zu setzen, sieht P. Nikodemus gut biblisch begründet. Er erinnert an den Propheten Elija, der Gottes Offenbarung im leisen Säuseln des Windes erlebte. Auch Jesus zog sich oft zurück, um zu beten und mit seinem himmlischen Vater zu kommunizieren. Schweigen und Zuhören sind wichtige Elemente in der Bibel und in der benediktinischen Tradition: “Die Regel des heiligen Benedikt besagt eindeutig, dass Schweigen einen so hohen Wert im monastischen Leben hat, dass manchmal sogar auf gute Gespräche verzichtet werden sollte, um dem Schweigen Vorrang zu geben. Das Schweigen besitzt also einen äußerst kostbaren Stellenwert. Wenn die Kirche verlernt, zu schweigen und auf Gott zu hören, verliert sie etwas von höchster Bedeutung.“
Schweigen bedeutet nicht Verweigerung von Kommunikation, sondern ist vielmehr eine spezielle Form davon. Abt Nikodemus: "Schweigen kann jedoch auch negativ sein, wenn es dazu verwendet wird, Mauern zwischen Menschen zu errichten. Schweigen in Verbindung mit dem Zuhören ist jedoch eine Vorbedingung für eine tiefere Kommunikation und eine intimere Beziehung." Schweigen und Zuhören ermöglichen die Verbindung zu Gott und untereinander auf eine intensive Weise. Das gilt im Übrigen auch für jede reife, menschliche Beziehung.
Schweigen und Sprechen sind demnach nicht Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Es geht darum, die Balance zwischen ihnen zu finden. Abt Schnabel: "In der Stille auf Gott zu hören, auf Gottes Ruf zu achten und dann auch aufeinander zu hören, diese Balance zwischen Schweigen und Kommunikation ist entscheidend." Schweigen und Kommunikation ergänzen sich und bilden eine harmonische Einheit.
Schließlich äußert der Jerusalemer Benediktiner, der bis zu seiner Wahl zum Abt Patriarchalvikar (also Bischofsvikar) für die Migranten und Asylsuchenden des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem war, die Hoffnung, dass die aktuelle Synode die oft überhörten Stimmen der Migranten und Asylsuchenden wahrnimmt, dieser „Schwestern und Brüder im Glauben, die dieselbe Taufe haben wie wir“ und auch in der westlichen Welt oft übersehenen werden. Zugleich erhofft er sich Impulse dafür, wie wir in einer multireligiösen Welt den Glauben so leben und kommunizieren können, dass er Brücken zu anderen Glaubensrichtungen und Traditionen schlägt, anstatt Gräben zu vertiefen. Ein inklusiver Dialog ist der Schlüssel zur Überwindung von Unterschieden und zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses, ist der Benediktinerabt aus Jerusalem überzeugt.
Pater Nikodemus Schnabel, geboren 1978 in Stuttgart, ist Benediktiner im Hl. Land. Nach seinem Studium der Philosophie und Theologie in verschiedenen Städten promovierte er an der Universität Wien. 2003 trat er in die Dormitioabtei in Jerusalem ein und wurde 2013 zum Priester geweiht. Von 2016 bis 2018 war er Prior-Administrator der Abtei. Im Juli 2021 ernannte ihn Erzbischof Pierbattista Pizzaballa zum Leiter der katholischen Seelsorge für Migranten und Asylsuchende auf dem Gebiet des lateinischen Patrarachts von Jerusalem. Seit Februar 2023 ist er Abt seines Klosters