Betrachtern und Kommentatoren wird es dieses Mal zwar nicht leichtgemacht, wenn man sich aber auf die Suche macht, lichtet sich das Dunkel, selbst in Katakomben...
Betrachtern und Kommentatoren wird es dieses Mal zwar nicht leichtgemacht, wenn man sich aber auf die Suche macht, lichtet sich das Dunkel, selbst in Katakomben...
Die Synodalität in der Kirche erweist sich als Weg zu einem aufgeschlosseneren, vielfältigeren und partizipativeren Glaubensleben – ein Paradigmenwechsel, der die Kirche in die Zukunft führt. Von Georg Schimmerl aus Rom.
Eine gewöhnliche Arbeitswoche vergeht in der Regel bereits zu schnell. Eine Synodenwoche „verfliegt“, selbst wenn man "nur" Beobachter ist. Betrachtern und Kommentatoren wird es dieses Mal zwar nicht leichtgemacht, wenn man sich aber auf die Suche macht, lichtet sich das Dunkel, selbst in Katakomben...
Der Höhepunkt dieser Woche ist (vermutlich nicht nur für mich) die Wallfahrt der Synodalen zu den Katakomben. Der Bezug zum berühmten Katakombenpakt am 6. November 1965 als gegen Ende des II. Vatikanischen Konzils einige Bischöfe sich nahe der Domitillakatakomben zu einem einfachen Lebensstil und zur besonderen Aufmerksamkeit für die Armen verpflichtet haben, liegt natürlich auf der Hand. Noch deutlicher ist der Bezug zu den Anfängen der Kirche. In San Sebastiano, am Stadtrand von Rom, befanden sich einer gut begründeten Tradition zufolge, ursprünglich die Reliquien der Heiligen Petrus und Paulus. Das Datum ihrer Bestattung dort war der 29. Juni. Bis heute ist dieses Datum das Hauptfest der beiden Apostel, auf deren Zeugnis die Kirche von Rom und damit die Katholische Kirche ruht. Das physische Hinabsteigen in diese Ursprünge gemeinsam mit den Bischöfen und den übrigen Synodalen ist ein besonders bewegender Moment, der ohne große Ansprachen auskommt, aber ein klares Statement ist. Wenn man Synodalität und Partizipation in der Kirche heute neu denken will, geht das nicht ohne die Besinnung auf den Anfang. Ein Thema, das Papst Franziskus seit Beginn seines Pontifikats immer wieder erwähnt: Memoria - Gedächtnis. Das hat wenig mit einem engen Verständnis von Tradition, viel aber mit Identität zu tun.
Insgesamt wird deutlich, dass die Synode dort ansetzt, womit das II. Vatikanum vor 60 Jahren begonnen hat: Die Kollegialität der Bischöfe, die mit der Einrichtung der Bischofssynode durch Papst Paul VI. eine konkrete Form annahm, entsprang einerseits dem Wunsch des Papstes, den Schwung des Konzils zu sichern. Andererseits blieb die Institution Synode noch eindeutig der vertikalen Kirchenstruktur verpflichtet. Sie war bis vor kurzem ein Instrument, den Papst in der Ausübung seiner Vollmacht zu unterstützen.
Anders war das Mitte der 60er Jahre auch nicht denkbar. In der Zwischenzeit haben sich nicht nur Gesellschaft und Kirche weiterentwickelt, auch die Herausforderungen und Konflikte haben sich teils dramatisch verschoben. In den letzten Jahrzehnten ist immer deutlicher geworden, dass sich das Verhältnis Gesamtkirche und Ortskirche, das im zweiten Vatikanum neu bestimmt worden ist, noch klarer in Richtung Selbstverantwortung der Ortskirche verlagert. So unersetzlich der Bischof von Rom als Bezugspunkt und Autorität bleibt – auch die aktuelle Synode ist zuallererst auf Initiative des Papstes zustande gekommen – so deutlich tritt auf dieser Synode hervor, dass die Ortskirche die Gesamtkirche nicht nur repräsentiert, sondern, dass in ihr Kirche voll verwirklicht ist und das - je nach kulturellen und lokalen Traditionen und Gegebenheiten - durchaus in origineller Form. Darauf weist etwa der Turiner Erzbischof Roberto Repole am Freitagabend in einer abendlichen Veranstaltung im Petersdom hin. Diese Verschiebung bedeutet in der Folge natürlich eine neue Ausübung des Bischofsamtes: Der Bischof kann in Zukunft nicht mehr als "Alleinverantwortlicher" agieren, er wird sich vielmehr als Teil des gesamten Presbyteriums, aber auch als Diakon unter seinen Diakonen und letztlich als Christ unter Christen verstehen.
Synodalität auf Ebene der Ortskirchen bedeutet dann eine Haltung wie sie auf der Synode schon praktiziert wird: ein Hören auf die Zeichen der Zeit und Achtsamkeit auf das, was der Heilige Geist den Kirchen heute sagt, nicht zuletzt auch durch Menschen, die nicht unmittelbar zur Gemeinschaft der Kirche gehören. Papst Franziskus zitiert in seinen Dokumenten nicht umsonst häufig auch Philosophen und Dichter, die sich nicht ausdrücklich als Christen verstanden haben. Das entspricht übrigens einer Weisheit des Pseudo-Ambrosius (Ambrosiaster), einem Theologen aus dem 4. Jahrhundert. Von ihm stammt ein Zitat, das später kein Geringerer als Thomas von Aquin übernommen hat: "Omne verum, a quocumque dicatur, a Spiritu Sancto est" (Alles Wahre, von wem immer es gesagt wird, stammt vom Heiligen Geist).
Tatsächlich tut es gut, nicht nur nach vorne zu schauen, sondern auch in die Memoria der Kirche hinabzusteigen. Dort finden sich häufig Einsichten, die bis heute geradezu revolutionär klingen.
Eine der Einsichten dieses seit 2021 laufenden Prozesses ist – und das hängt auch mit der Memoria zusammen – dass Synodalität ihrem Wesen nach ökumenisch ist. Am vergangenen Dienstagabend haben die Stiftung Pro Oriente und das Institut für Ökumenische Studien der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum) ein Nebenevent veranstaltet und dabei ihre mehrjährige ökumenische Arbeit zum Thema Synodalität in den Ostkirchen vorgestellt. Das Ergebnis mehrerer Konferenzen und Veranstaltungen in den vergangenen Jahren wurde in einem Buch und dem beeindruckenden Film "Listening to the East" vorgestellt. Eindrucksvoll deshalb, weil sichtbar wird, dass es all die "heißen Eisen" auch in der Ökumene gibt: Partizipation am kirchlichen Leben, die Rolle der Frau in der Kirche, das Gewicht der Stimme von jungen Menschen, eine kirchliche Sprache, die den Menschen von heute erreicht, all das treibt auch orthodoxe und alt-orientalische Christen um.
Zugleich zeigt der Film aber auch die Vielfalt von Traditionen und Mentalitäten, die allesamt bereichernd und kostbar sind. Die Zeit gegenseitiger Ab - und Ausgrenzung scheint nun auch de facto rapide zu verschwinden. Pluralität ist längst kein Hindernis mehr, sie wird als fundamentaler Wert entdeckt. Was vor 60 Jahren erst andeutungsweise spürbar war hat sich, auch dank Initiativen wie Pro Oriente u.a., in den letzten Jahren deutlich herauskristallisiert und scheint heute Commonsense geworden zu sein. Ökumene ist längst keine Sache des „guten Willens“ mehr, sondern gehört zum Wesen der Kirche und muss neu gedacht werden. Ein Prozess der Entfremdung, der zum Teil fast 1600 Jahre angehalten hat, löst sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend in Wohlgefallen auf. So schnell kann das gehen.