P. Vimal Tirimanna CSsR, ein engagierter Theologe aus Sri Lanka, ist überzeugt, dass die Synode eine – seiner Meinung nach - versnobte Kirche herausfordern möchte. Seine leidenschaftliche Botschaft lautet: Die Kirche muss aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen! Aus Rom von Georg Schimmerl.
Ein Bündel von Energie ist P. Vimal Tirimanna, ein Redemptorist aus Sri Lanka, Moraltheologe in Rom und in seinem Heimatland. Seit 2021 ist er als Delegierter Asiens an der Vorbereitung der Synode zur Synodalität beteiligt.
Seine Kurzformel lautet: „Es geht bei der Synodalität um nichts anderes, als eine versnobte, schlafende Kirche endlich aufzuwecken!“ Er ortet eine extreme Ignoranz und Unkenntnis der Texte des II. Vatikanischen Konzils - und das nicht nur unter den Gläubigen. Auf der Synode geht es besonders darum, diesen Schatz, den uns die Konzilsväter vor mehr als 60 Jahren hinterlassen haben, endlich zu entdecken. „In unseren Seminaren, Ordensgemeinschaften, ja sogar unter vielen Bischöfen“ ortet er eine fatale Unkenntnis und ein Desinteresse an den grundlegenden Dokumenten des Konzils: „Kaum einer kennt "Lumen Gentium", die dogmatische Konstitution über die Kirche, oder "Gaudium et Spes", die Konstitution über die Kirche in der Welt von heute. Im Gegenteil: Man hat diesen Schatz entweder in irgendwelchen Bibliotheken verstauben lassen, ja noch schlimmer: „Man hat diese Dokumente ganz bewusst vergessen“, so Tirimanna, der je länger er spricht, umso leidenschaftlicher wird.
„Die absurden Deutungen, dass sich hinter dem Begriff „Synodalität“ eine geheime Agenda von Papst Franziskus verberge, geht völlig ins Leere. Dem Papst geht es darum, endlich das II. Vatikanische Konzil ernst zu nehmen“, so Tirimanna. Für die Tatsache, dass sich nur 20% der Katholiken weltweit aktiv in die Vorbereitungsphase eingebracht haben, macht er unmissverständlich Bischöfe und Seelsorger verantwortlich. „Viele wollen ganz offensichtlich das Thema „Synodalität“ aussitzen und hoffen auf einen neuen Papst, der diesen Prozess stoppt und dem Vergessen anheimgibt“. Er selbst ist dagegen überzeugt, dass dieser Prozess unumkehrbar ist. Die immerhin 20 % Rückmeldung, an deren Evaluation er selbst beteiligt war, sind eine mächtige Stimme der Kirche, die auch ein künftiger Papst nicht einfach übergehen kann.
Es geht tatsächlich darum, mit der Lehre vom allgemeinen Priestertum aller Getauften ernst zu machen. Im Klartext heißt das: gleiche Würde von Mann und Frau auf allen Ebenen der Kirche, neue Formen gemeinsamer Entscheidungsprozesse unter Einbeziehung des ganzen Gottesvolkes, ein Abschied vom Dualismus Kleriker/Laien. Eine Fokussierung auf die existenziellen Nöte der Menschen, die Inklusion aller ohne Vorbehalt. Es muss vor allem endlich Schluss sein mit jeder Form des Paternalismus, egal wo. Weder in der Theologie noch in der Diakonie ist diese alte, gönnerhafte Haltung angebracht. Tirimanna selbst ist Realist genug, um einzusehen, dass der synodale Prozess ein langfristiger Lernprozess ist. „Wir beide wird das vermutlich nur mehr bruchstückhaft erleben, aber die Kirche von morgen wird eine einladende, synodale und solidarische sein, die den alten Triumphalismus überwunden hat und sich darauf besinnt, was ihr Auftrag ist: Die Verkündigung des Reiches Gottes, das schon mitten unter uns angebrochen ist.“
Seine Kritiker in und außerhalb der Synodenaula werfen ihm vor, „postmoderne Ideen“ in die Synode hineinzutragen. Für sie hat er eine klare Antwort: „Ja, das ist korrekt. Tatsächlich müssen wir uns endlich mit den positiven Impulsen der Postmoderne auseinandersetzen. Der kritische Dialog mit der Philosophie zieht sich durch die Geschichte seit der Zeit der Kirchenväter. Egal, ob Clemens von Alexandrien in der Antike oder Thomas von Aquin im Mittelalter und die vielen anderen großen Theologen, die die Kirche geprägt haben, sie alle waren im Dialog mit dem Denken ihrer Zeit.“ Der Snobismus, den er auf allen Ebenen der Kirche ortet, besteht in einer ängstlichen Abwehrhaltung, die letztlich nichts anderes als ein Mangel an Glauben ist.
Eines ist ihm aber noch wichtig: Er nimmt besonders in Westeuropa eine missverständliche Interpretation des Begriffs Synodalität wahr: „Das ist keine Synode über Themen wie Frauenordination, Diakonat der Frau, verheiratete Priester oder eine Neubewertung von LGTBQ+.“ Gerade weil er aus einem ganz anderen sozialen und kulturellen Kontext kommt, hält er diese Engführung für eine andere Art Neokonservativismus. Auch die Kirche Europas, die sich in einem solch tiefgreifenden Wandel befindet, muss ihre Schwerpunkte neu definieren: Es geht um eine neue Art, Themen anzugehen und miteinander Lösungen zu finden. Es geht um neue Wege, Kirche zu leben und zwar so, dass alle sich eingeladen fühlen mitzugehen.
Tirimanna zitiert Jesaja 54: “Macht eure Zelte weit.“ Konkret bedeutet das: Zunächst zuhören - und zwar allen, ohne Ausnahme, ein neues Verständnis von Mission: Gott dort entdecken, wo er bereits angekommen ist, vor allem am Rand der eigenen kleinen Welt, Teilnahme aller an den Entscheidungen und an der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen heute und eine neue Art von Gemeinschaft untereinander, die von der Eucharistie her lebt und ihren Höhepunkt in der Eucharistie findet. Die Zeit war zu kurz. Der lebhafte Theologe muss zurück in die Aula und hinterlässt mir sein Buch mit einem Titel, der alles zusammenfasst: "The People of God has spoken."
Prof. Vimal Tirimanna, CSsR, ist ein angesehener katholischer Theologe mit umfangreicher akademischer Erfahrung und einer breiten Palette von Aufgaben in der katholischen Kirche. Er hat in Rom Theologie studiert und unterrichtet seit 1995 Moraltheologie in Sri Lanka und Rom. Zudem hatte er wichtige Positionen in der regionalen Kirchenleitung und auf internationaler Ebene. Er hat über 100 Artikel veröffentlicht, Bücher geschrieben und Vorträge weltweit gehalten. Prof. Tirimanna ist auch in der ökumenischen Arbeit aktiv und Mitglied der Internationalen Katholisch-Anglikanischen Kommission.