Der amerikanische Jesuit James Martin erreicht mit Glauben und Offenheit Menschen in den sozialen Medien. Synodenblog von Georg Schimmerl.
Es gibt Menschen, die einem sofort sympathisch sind. Sie haben diese Gabe, mit einem Blick und einem Lächeln zu zeigen: Du bist okay, so wie du bist. Father James Martin, SJ, ist für mich so jemand. In einer Welt voller Zwiespalt, besonders wenn es um Religion geht, vermittelt er Offenheit und Gelassenheit. Er ist einer der bekanntesten katholischen Priester der USA. Als Jesuit und Schriftsteller („Eine Brücke bauen“, Verlagsgruppe Patmos) hat er sich durch seine Arbeit in der LGTBQIA+ -Seelsorge einen Namen gemacht. Seine Botschaft richtet sich an alle, besonders aber an jene, die sich oft ausgegrenzt fühlen. Seit 2016 ist er in den sozialen Medien aktiv und eine Stimme für Menschen, die sonst vielleicht keine haben. Ich treffe ihn am Rande der Bischofssynode, an der er auf Wunsch von Papst Franziskus teilnimmt.
Father James’ Reise in die sozialen Medien beginnt nicht aus Spaß und Laune, sondern mit der Zustimmung und dem Rückhalt seiner Oberen. Als 2016 bei einem Attentat in Orlando fast 50 Menschen in einem Nachtclub auf grausame Weise ums Leben kommen – ein Anschlag, der die LGBTQIA+ - Gemeinschaft schwer trifft - reagiert Father James spontan und teilt auf Facebook eine Botschaft, in der er sich im Namen Jesu auf die Seite der Opfer und der Trauernden stellt. Damit beginnt sein Engagement als katholischer Priester in der LGBTQIA+ - Community und seine Präsenz in den sozialen Medien wächst „step by step“.
Mit wachsender Sichtbarkeit sieht er sich auch viel Feindseligkeit gegenüber. Er erhält täglich hasserfüllte Kommentare und Drohungen. Als ich ihn frage, wie er das aushält, antwortet er ruhig: „Muss ich von allen geliebt werden?“ Father James sucht keine Anerkennung. Sein Engagement in den sozialen Medien entsteht aus einem Ruf, den er im Gebet hört. Besonders prägt ihn die Stelle im Evangelium, in der Jesus von seinen eigenen Leuten in Nazareth abgelehnt wird. Diese Meditation lässt ihn Ablehnung als Teil seines Auftrags annehmen.
Er sieht seine Kritiker nicht als Feinde, sondern als Menschen, die innerlich verwundet sind. Wer hasst, leidet oft selbst. Diese Einsicht ermöglicht es ihm, seinen Gegnern mit Mitgefühl zu begegnen, ohne sich von ihrer Feindseligkeit beirren zu lassen.
James Martin lebt eine Haltung der Empathie, die mich tief berührt. Er zeigt, dass man in den sozialen Medien authentisch sein kann, gerade wenn man gegen den (auch angeblich „kirchlichen“) Strom schwimmt. Seine Botschaft erinnert mich daran, dass auch unsere Stimme zählt, besonders in Zeiten, in denen die Spaltung und Feindseligkeit in allen Bereichen des Lebens zunehmen.
Vielleicht ist das seine stärkste Botschaft: Wir können alle in dieser Welt zur Versöhnung und Empathie beitragen, gerade auch im „wilden“ digitalen Raum. In einer oft distanzierten Online-Welt ist es diese gläubige Menschenfreundlichkeit von James Martin, die mich inspiriert. Kaum einer von uns hat Obere, auf die er sich verlassen kann. Aber gerade wenn wir in den sozialen Medien als Christen dem Anspruch des Evangeliums gerecht werden wollen, brauchen wir möglicherweise so etwas wie geistliche Führung. Vor allem aber auch Gebet und die Freiheit, sich selbst zurückzunehmen, weil es eben um mehr geht als unser kleines Ich.