Ein (vor-) letztes Wort zum synodalen Prozess 2021-2024. Kardinal Schönborn im Gespräch mit Georg Schimmerl.
Die Synode „für eine synodale Kirche -Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ geht mit einer festlichen Liturgie im Petersdom zu Ende. Über Nacht sind schon zahlreiche Kommentare zum überraschenden Schlussergebnis erschienen. Ich treffe unseren Erzbischof nach einem ORF-Interview. Er ist sichtlich gelöst und froh über die Ergebnisse der vierwöchigen Beratungen.
Kardinal Schönborn: Die Synode ist zu Ende, der Weg geht weiter. Das Schlussdokument hat eine Besonderheit. Ich bin jetzt seit 40 Jahren mit Synodenerfahrung unterwegs. Das hat es noch nie gegeben. Papst Franziskus hat am Schluss zu aller Überraschung gesagt: Das, was ihr jetzt abgestimmt habt, dieses Dokument, das ist mein Dokument. Das mache ich mir zu eigen. Er hat also gesagt, er wird nicht ein eigenes Synodendokument herausgeben, sondern er hat gesagt: Das ist mein Weg. Es ist eine starke Erfahrung, wie der Papst hinhört auf das, was wir alle beraten haben, und gleichzeitig, wie im Hinhören auf das Anliegen vom Papst auch unser Weg wirklich ein gemeinsamer Weg zwischen ihm und uns geworden ist. Das ist für mich ein spannendes und neues Erlebnis von Synodalität.
Kardinal Schönborn: Ich wurde schon gefragt: Was ist eigentlich der rote Faden dieses Dokuments? Und ich habe gesagt: Schauen Sie in das Inhaltsverzeichnis. Das Inhaltsverzeichnis hat viermal bei den vier großen Abschnitten, Kapitel, das Stichwort „Conversióne“ auf Deutsch „Bekehrung“, „Umkehr“, „Umdenken“. Es ist das erste Wort Jesu im Evangelium: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Was ist das Wichtige an diesem Wort? Synodalität ist nicht einfach eine Technik, sondern eine Haltung. Und diese Haltung erfordert von jedem von uns eine Umkehr, ein Umdenken, eine Veränderung.
Kardinal Schönborn: Das erleben wir schon in der Familie. Sind wir bereit, aufeinander zuzugehen, voneinander zu lernen, aufeinander zu hören, miteinander Wege zu gehen und zu suchen? Das Erste, was das Synodendokument sagt, das Herz der Synodalität, ist eben diese Grundhaltung. Daraus folgt eine Bekehrung, eine Umkehr in den Beziehungen. Es ist etwas anderes, ob ich den anderen von vornherein als Gegner betrachte oder als einen Menschen, auf den ich mich einlassen kann und mit dem vielleicht auch etwas Gemeinsames gelingt. Ich denke an das, was der Bundespräsident uns am Nationalfeiertag gesagt hat: Das braucht unser Land, das braucht die Kirche, das brauchen wir alle – Umkehr, Bekehrung der Beziehungen, Umkehr der Art und Weise, wie wir unsere Dienste leben.
Kardinal Schönborn: Das zweite Kapitel hat einen ganz starken Akzent auf die gegenseitige Rechenschaftspflicht. Wir sind einander schuldig, Rechenschaft zu geben über das, was wir machen. Das gilt für die Oberen, für die Vorgesetzten, für die Politiker, für die Bischöfe. Wir müssen Rechenschaft geben über das, was wir entscheiden. Wir sind nicht absolute Herrscher. Das ist weder der Vater in der Familie noch der Politiker in der Politik noch der Bischof in der Kirche. Wir sind rechenschaftspflichtig. Warum treffen wir Entscheidungen? Aber auch die, die mit den Entscheidungen umzugehen haben. Wie wir zum Beispiel eine Gemeinde gestalten, wie wir einen Gemeinderat leben, der Pfarrer gegenüber der Pfarre, aber auch der Pfarrgemeinderat haben eine Rechenschaftspflicht. Dieses Thema im zweiten Kapitel ist ein ganz bedeutendes Thema, nicht nur für das öffentliche Leben, sondern natürlich auch für uns als Kirche. Und das erfordert eine Umkehr. Es ist nicht immer bequem. Es ist nicht immer angenehm, Rechenschaft geben zu müssen.
Kardinal Schönborn: Das dritte Kapitel spricht über die große, schöne und spannende Frage: Wie gehen wir mit unseren Strukturen um? Wie gehen wir damit um, dass wir eine Weltkirche sind und gleichzeitig Ortskirchen? Dass wir Gemeinden sind und gleichzeitig eine Diözese? Dass wir zum Beispiel in Österreich Kirche sind und nicht nur unser kleiner Kirchturm zählt? Wie verbinden wir also das Örtliche mit dem Gemeinsamen? Und sehr schön ist für mich das Schlusswort dieses Kapitels über den Papst.
Kardinal Schönborn: Was ist die Rolle des Papstes? Er will, dass es eine gewisse Dezentralisierung gibt. Vieles kann die Ortskirche selbst regeln, es muss nicht alles in Rom entschieden werden. Aber eines braucht die Kirche: Sie braucht das Prinzip der Einheit. Und dieses Prinzip repräsentiert und stellt in ganz besonderer Weise der Papst dar. Er muss nicht alles entscheiden, er muss nicht für alles zuständig sein. Aber er ist das Zeichen und gleichzeitig auch der Garant für die Einheit in der großen Vielfalt der Kirche. Und das haben wir sehr stark in diesen Tagen erlebt. Der Papst gibt so viel Freiheit, er lässt wirklich frei reden und gleichzeitig erinnert uns seine Gegenwart daran: Wir sind eins in aller Vielfalt.