Alan ist eines von rund 1.000 Kindern und Jugendlichen, die im Schuljahr 2014/2015 in den österreichweit 36 Lerncafes unterstützt wurden. Caritaspräsident Michael Landau besuchte ihn in Wels.
Alan ist eines von rund 1.000 Kindern und Jugendlichen, die im Schuljahr 2014/2015 in den österreichweit 36 Lerncafes unterstützt wurden. Caritaspräsident Michael Landau besuchte ihn in Wels.
Doppelte Herausforderung durch Flüchtlingssituation und 1,2 Millionen Armutsgefährdete in Österreich.
Die aktuelle Flüchtlingssituation und Armutsgefährdungsquote im Land stellt für die Caritas eine Herausforderung wie schon lange nicht und in gleich doppelter Weise dar: "Wir sind dies- und jenseits der Grenzen gefordert, im In- und Ausland, in Österreich wie im Libanon", erklärte Caritas-Präsident Michael Landau Ende Oktober, zum Auftakt der Caritas-Inlandskampagne bei einer Pressereise.
Der Blick auf die Grenzen, Traiskirchen und die vielen Flüchtlinge dieser Tage sei nötig, dürfe aber nicht die Sorgen der Menschen hier in Österreich vergessen lassen. Landau: "Wir dürfen die eine Not nicht gegen die andere ausspielen. Ein 'sowohl-als auch' muss das 'entweder-oder' ablösen."
Knapp 1,2 Millionen Menschen in Österreich gelten als armutsgefährdet, 450.000 Personen sind manifest arm, knapp 400.000 ohne Job. "Arbeitslosigkeit, steigende Mieten, die Frage nach der Zukunft der Bildung oder der Zugang zu leistbarer Pflege, all das bewegt viele Mensch in unserem Land. Sie dürfen nicht das Gefühl haben, dass auf sie vergessen wird", betonte der Caritas-Präsident. Schwerpunkte der Inlandskampagne, die unter dem Motto "Helfen können macht uns zu Menschen" läuft, liegen deshalb bei der Unterstützung von Arbeitslosen, Mehrkindfamilien und Alleinerziehern.
Den Anstieg der Arbeitslosenzahl bezeichnete Landau als eine "zentrale Herausforderung": Im September waren in Österreich über 391.000 Menschen ohne Job, mehr als 41.000 galten als langzeitarbeitslose Personen. Der Spar-Caritas-Markt "Perspektive Handel" erleichtert ihnen in Wels den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Die Mitarbeiter erhalten im Rahmen eines befristeten Dienstverhältnisses eine maßgeschneiderte Qualifizierung in verschiedenen Bereichen des Handels.
Vergleichsweise stark von Armut betroffen sind Kinder: 19 Prozent der Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren lebten in einem armutsgefährdeten Haushalt. Und auch Familien seien überproportional von Armutsgefährdung betroffen, darunter vor allem Ein-Eltern-Haushalte (34 Prozent) und Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern (27 Prozent). Bei beiden Gruppen liege die Armutsgefährdungsquote fast doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung (14,1 Prozent). Gäbe es keine Familien- und Bildungsleistungen, würde die Gefährdungsquote für Familien mit mindestens drei Kindern bei 54 Prozent liegen.
Mit den Flüchtlingen komme aktuell natürlich "ein Stück Belastung" auf Österreich zu, räumte der Caritas-Präsident ein, sie bedeuteten aber auch "eine Menge Chancen". Deutlich wird das am 12-jährigen Alan. Er ist 2009 mit seiner Schwester und seinen Eltern aus dem Irak nach Österreich geflohen. Heute besucht er die 1. Integrationsklasse einer Neuen Mittelschule in Wels. Zwei Mal die Woche besucht der junge Bub das Caritas-Lerncafe in der Vogelweide. Barbara, eine frühere Verwaltungsangestellte, hilft ihm dort bei den Hausaufgaben und bereitet ihn auf Tests vor. Nach sechs Jahren spricht Alan perfekt Deutsch, später will er Polizist werden.
Alan ist eines von rund 1.000 Kindern und Jugendlichen, die im Schuljahr 2014/2015 in den österreichweit 36 Lerncafes unterstützt wurden. 92 Prozent von ihnen haben das Schuljahr auch positiv abgeschlossen. Betreut werden die Kinder von über 470 Freiwilligen - die meisten von ihnen frühere Lehrer oder Studenten. Das Angebot kann die enorme Nachfrage aber bei weitem nicht decken. "Rund 450 Kinder stehen auf der Warteliste. Wir könnten zwei Mal so viele Lerncafes aufmachen wie wir aktuell haben", so Landau.
Klar sei eines, so Landau: "Nicht alle, die jetzt um Asyl ansuchen, werden in Österreich oder in anderen europäischen Ländern auch Asyl erhalten. Aber alle diese Menschen haben das Recht auf ein faires Asylverfahren."
Kurz vor dem Asylverfahren steht der 13-Jährige Mohammed aus dem Irak. Die Flucht aus dem Irak über Griechenland, Serbien und Ungarn nach Österreich hat zehn Tage lang gedauert. Momentan lebt der Junge mit seinen Eltern im Caritas-Notquartier in der Bachofengasse 8 in Döbling. Dort teilen sich Mohammed und seiner Eltern ein Zimmer mit einer zweiten Familie aus dem Irak. In Jordanien hat er ein Jahr Englisch gelernt. Er spricht es so gut, dass er nun beim Dolmetschen in der Flüchtlingsunterkunft mithilft. Später will Mohammed mal Zahnarzt werden, für den Moment aber Deutsch lernen und endlich in die Schule gehen.
Das Caritas-Notquartier in der Wiener Bachofengasse besteht seit September. 250 Männer, Frauen und Kinder sind aktuell untergebracht, wobei die meisten von ihnen bereits ein Asylverfahren laufen haben. Die Unterkunft soll bald in ein Grundversorgungsquartier umgewandelt werden, zuvor müssten aber noch einige Umbauarbeiten durchgeführt werden, erklärte Landau. Wie etwa die Duschgelegenheiten, die sich bis jetzt noch in einem kleinen Gebäude am Hof des Grundstücks befinden. Der tägliche Betrieb wird vor allem mit der Hilfe von Freiwilligen aufrecht erhalten. Finanziell wird die Caritas von Bund, Ländern, Privatspendern und Wirtschaftsbetrieben unterstützt.
Caritaspräsident Landau fordert anlässlich der "Doppeltbelastung" eine "doppelte Integration": "Eine Integration jener Menschen, die über die Grenze zu uns kommen, aber auch jener, die auch hier bei uns in konkreter Not sind. Wollen wir als Gesellschaft insgesamt weiterkommen, müssen wir beiden im Blick behalten." Der Caritas-Präsident zeigte sich überzeugt davon, das beides gelingen könne - "durch einen engen Schulterschluss von Bund, Land, Gemeinden, Zivilbevölkerung und Wirtschaft."
Caritas Inlandskampagne 2015 "Hilfe für Menschen in Not in Österreich":
www.caritas.at/aktuell/kampagne/inlandskampagne/
Caritas Inlandskampagne 2015
"Hilfe für Menschen in Not in Österreich"
Spendenkonto Caritas Österreich
Erste Bank
IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560
BIC: GIBAATWWXXX.