Im Ernährungszentrums von Sr. Godelive in Burundi. Einmal in der Woche kommen 60 bis 100 Frauen mit ihren Kindern hierher. Die meisten sind für ihr Alter zu klein. Kindern, die nur Reis zu essen bekommen, fehlen wichtige Nährstoffe.
Im Ernährungszentrums von Sr. Godelive in Burundi. Einmal in der Woche kommen 60 bis 100 Frauen mit ihren Kindern hierher. Die meisten sind für ihr Alter zu klein. Kindern, die nur Reis zu essen bekommen, fehlen wichtige Nährstoffe.
Afrika hat viele Seiten. Diese ist üppig-grün und fruchtbar, fröhlich, aber arm.
Eine Reportage aus Burundi von Stefanie Jeller zum Start der Caritas Hungerkampagne.
Afrika hat viele Seiten. Diese ist üppig-grün und fruchtbar, fröhlich, aber arm. Frauen und Männer singen, klatschen und tanzen: "Unser Verein ist stark", wiederholen sie im Rhythmus des Liedes. Sie sind Mitglieder des Agrarprojekts "Pradur" in der Provinz Muramvya, 35 Kilometer östlich der burundischen Hauptstadt Bujumbura, auf knapp 2.000 Meter Höhe. Ringsum wachsen Bananenbäume. Es ist das Ende der Regenperiode, Erntezeit, und es gibt viel zu ernten. Unvorstellbar, dass hier Menschen hungern müssen.
90 Prozent der Burundier sind Kleinbauern. Die Menschen vom Projekt "Pradur" sind dabei aber eine Ausnahme. Burundi ist dicht besiedelt. Auf einer Fläche, die nur ein Drittel Österreichs ausmacht, gibt es nicht genug Anbaumöglichkeiten für die rund 11 Millionen Einwohner. Oft reicht die Ernte nur für ein paar Wochen. Von einem Viertel Hektar kann man keine Familie ernähren. Vorratsspeicher gibt es kaum. Viele Menschen haben gar keinen Acker. Sie sind Tagelöhner, wie Diane, die Mutter von zwei kleinen Kindern: "Jeden Tag versuchen mein Mann und ich Arbeit zu finden, irgendeine Arbeit am Feld. Aber ich weiß nie, ob ich etwas bekomme. Die Unsicherheit macht mich verrückt." Sie spricht leise und schaut zu Boden. In der Früh bringt sie die Kinder in die Schule, von einem Frühstück erzählt sie nichts, nur so viel: "Wenn wir etwas zu essen haben, dann essen wir, wenn nicht, dann eben nicht."
Die Familie wohnt in einem gemauerten Häuschen, keine 15 Quadratmeter groß, mit zwei Räumen und einem Bett. In einer Ecke am nackten Boden steht ein Blechkochtopf. "Natürlich wünsche ich mir für meine Kinder eine bessere Zukunft, und dass sie etwas lernen können. Aber das ist ein theoretischer Wunsch. Ich bin arm. Womit soll ich das bezahlen?"
Burundi ist das fünftärmste Land der Welt. Hunger ist hier ein chronisches Problem. Jahrzehnte des Bürgerkriegs haben das Land verunsichert und Familien auseinander gerissen. Bei Unruhen kommt es zu gezielten Tötungen. Über 400.000 Menschen sind in den letzten Jahren geflüchtet. Oppositionelle sind praktisch keine mehr im Land. Der Präsident regiert mit strenger Hand. Vor einem Monat hat ein Referendum ihm eine weitere, verfassungswidrige Amtszeit beschieden.
Und doch haben Diane und ihre Familie noch Glück. Sie wohnen in der Nähe des Ernährungszentrums der Ordensfrau Schwester Godelive Miburo in der Diözese Gitega, das Erzbischof Simon Ntamwana vor 20 Jahren gegründet hat. Auch eine Schule und einen Kindergarten gibt es hier. Einmal in der Woche kommen 60 bis 100 Frauen mit ihren Kindern hierher. Die meisten sind für ihr Alter zu klein. Kindern, die nur Reis zu essen bekommen, fehlen wichtige Nährstoffe. Der Fachausdruck lautet "Stunting", das ist chronische Unterernährung oder Fehlernährung. Jedes zweite Kind in Burundi ist von Stunting betroffen. 62.500 leiden an schwerer Mangelernährung. Ein harmloser Durchfall bedeutet für sie den Tod.
Heute ist auch eine Mutter mit ihrem zwölfjährigen Sohn ins Zentrum gekommen, er wiegt nur 8 Kilogramm. Er ist zu schwach, um den Löffel zum Mund zu führen. Bei der Ausspeisung muss die Mutter ihn füttern. Am Ende erhalten die Mütter Säckchen mit einer Mischung aus Soja, Mais, Sorghumhirse, angereichert mit Nährstoffen. Das sollte für eine Woche reichen.
"Schauen Sie, ich lebe noch", sagt eine junge Frau, sie ist zum dritten Kind schwanger. "Was soll ich machen? Gott hat mir diese Kinder geschenkt." Viele Menschen resignieren, sind antriebslos. Hunger führt zu Apathie. Doch das muss nicht so sein, Resignation ist nicht etwa eine "burundische Charaktereigenschaft".
"Wie kann ein reiches Land so arm sein?", diesen Satz wiederholt Abbé Alphonse Ndabiseruye immer wieder. Seine kraftvolle Stimme vermittelt die Botschaft, dass es nur wenig braucht, um aus der Armut herauszukommen. Abbé Alphonse ist Caritasdirektor der Diözese Bujumbura. Während der Kämpfe zwischen Hutu und Tutsi in den Neunzigerjahren ist er schwer verwundet worden. Von der Politik in Burundi hält er nicht viel. "Das Geld wandert in die Taschen weniger", sagt er.
Wir treffen ihn bei den singenden und klatschenden Leuten von "Pradur", dem Agrarprogramm, das vor sechs Jahren in seiner Diözese begonnen hat. 3.600 Familien sind mittlerweile am Projekt beteiligt. "Jetzt werden Sie sehen, was sich verändert hat", kündigt Abbé Alphonse an. Die Menschen bilden Spargruppen, die unter einander kleine Kredite vergeben. Saatgut, eine Ziege oder ein Schwein und Schulungen haben sie als Starthilfe bekommen. Abbé Alphonse klopft einem jungen Mann auf die Schulter: "Ich bin Felix, ich konnte schon nach einem Jahr für mein Haus ein Blechdach kaufen. Jetzt regnet es nicht mehr hinein."
Alle hier haben zuhause einen holzsparenden Ofen zum Kochen, und wissen, wie man ihn baut. Felix führt es uns vor. Mit bloßen Füßen stampft er eine lehmartige Mischung u.a. aus Asche, verschiedenen Sorten Erde, Späne und Wasser. Er baut einen etwa 30 cm hohen rechteckigen Ofen daraus. Nach fünf Tagen sei das Material hart, erklärt Felix. Der Ofen braucht viel weniger Brennholz als die traditionelle offene Feuerstelle auf drei Steinen. "Außerdem ist er umweltfreundlicher", so Abbé Alphonse.
Dann stellt er uns Jeanne vor. Sie hat durch das Projekt ein Schwein erhalten. "Den Mist habe ich als Dünger verwenden. Dann hat es Junge bekommen, ich habe sie verkauft. Später konnte ich mir eine Kuh kaufen. Bald werde ich auch Milch haben", sagt Jeanne. Ihr Mann ist verstorben, für die drei Kinder sorgt sie alleine. Aber sie resigniert nicht. "Meine Nachbarinnen sehen mich als Vorbild", sagt sie stolz.
Die Frauen und Männer klatschen. Felix stimmt noch einmal das Lied an: "Unser Verein ist stark", die anderen fangen zu tanzen an.
Projekte wie das Landwirtschaftsprogramm "Pradur" und das Ernährungszentrum von Schwester Godelive werden durch Spendengelder der Caritas ermöglicht. Staatliche burundische Hilfe gibt es nicht. Burundi ist arm. Aber es ist grün, es singt und tanzt, und könnte so reich sein!
Infos zur Hungerkampagne:
www.caritas.at/aktuell/kampagne/spenden-gegen-den-hunger/