Internationaler Tag des Gedenkens an Opfer von Gewalthandlungen aufgrund der Religion oder Weltanschauung. Besonders gefährdet sind christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund. Tagung in Wien beleuchtet Lage in Lateinamerika.
Nicht nur in Ländern Afrikas und Asiens, auch in Europa gibt es Fälle von "antichristlicher Gewalt". Auf aktuelle Beispiele dafür hat die Wiener Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Christen in Europa (OIDAC Europe) in einer Aussendung am Donnerstag hingewiesen. Seit Jahresbeginn seien 25 Fälle von körperlicher Gewalt, Drohungen und Mordversuchen gegen Christen in Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Polen, Serbien und auch Österreich dokumentiert, informierte OIDAC-Geschäftsführerin Anja Hoffmann. Besonders gefährdet, Gewalt zu erleben, seien christliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund.
Anlass für die Presseaussendung war der 2019 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer von Gewalthandlungen aufgrund von Religion oder Weltanschauung am 22. August. "Im Westen tendieren wir dazu, Gewalt gegen Gläubige in erster Linie als ein Problem der Länder in Afrika und Asien zu betrachten", kritisierte Hoffmann blinde Flecken in der öffentlichen Wahrnehmung. Es sei natürlich wichtig, dortige dramatische Beispiele von Verfolgung anzuprangern, aber "Wir müssen auch aufmerksam darauf achten, was in Europa passiert", betonte die Menschenrechtsaktivistin.
Die in Wien ansässige OIDAC überwacht die Religionsfreiheit in Europa, zuletzt sei "ein alarmierender Anstieg antichristlicher Hassverbrechen um 44 Prozent" festzustellen, so Hoffmann mit Blick auf den jüngsten Jahresbericht der Beobachtungsstelle. "Die meisten antichristlichen Angriffe in Europa richten sich gegen Kirchen und Friedhöfe, aber leider erleben wir auch weiterhin gewalttätige Angriffe gegen einzelne Christinnen und Christen", erklärte Hoffmann.
Das französische Innenministerium beispielsweise verzeichnete 2023 fast 1.000 Übergriffe. 90 Prozent der Vorfälle richteten sich gegen Kirchen und Friedhöfe, es gab aber auch 84 persönliche, Glaubens-motivierte Angriffe gegen Christen. In einigen Fällen wurden laut OIDAC ganze Gemeinden ins Visier genommen: So wurde im Juni eine Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Dijon im ostfranzösischen Burgund während eines Gottesdienstes mit Tränengas angegriffen, was zu Panik geführt und neun Menschen verletzt habe.
Im Mai verurteilte ein britisches Gericht einen Mann zu einer Gefängnisstrafe wegen versuchten Mordes an Javed Nouri, einem christlichen Konvertiten mit muslimischem Hintergrund, wegen dessen "Glaubensabfalls", führte OIDAC Europe weiter an. Im April entschied ein italienisches Gericht über einen ähnlichen Fall, in dem es um einen tunesischen Konvertiten ging, der von Landsleuten zusammengeschlagen wurde, weil er eine christliche Kirche besuchte. Beides Fälle, die nur wenig Resonanz in den Medien fanden, beklagte Hoffmann.
Dabei sei das Recht auf Konvertierung "ein wesentlicher Bestandteil der Religionsfreiheit". Europäische Regierungen müssten daher alles daransetzen, insbesondere Konvertiten vom Islam zum Christentum zu schützen, die einem besonders hohen Gewaltrisiko ausgesetzt seien, schloss Hoffmann.
Christenverfolgung in Lateinamerika stand im Mittelpunkt einer Internationalen Tagung, über das am Donnerstag das Hilfswerk "Christen in Not" berichtete. Veranstaltet wurde es vom "Instituto de Estudios Social Cristianos" (Institut für Christliche Sozialstudien in Lima/Peru, IESC) anlässlich seines 50-Jahr-Jubiläums in Zusammenarbeit mit der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung. Für die mehr als 200 Teilnehmenden gab es Liveschaltungen mit Menschenrechtsaktivisten aus Venezuela und Nicaragua, die über die massiven Schikanen gegen katholische Kirche und Opposition in diesen Ländern berichteten. Aus Venezuela kam der dringende Aufruf zu einer Allianz von internationaler Politik und Medien gegen die jüngste Wahlfälschung des Maduro-Regimes.
"Christen in Not"-Generalsekretär Elmar Kuhn rief in einem Vortrag zur Bildung von "Narrativen des Lebens" gegen die "Narrative des Todes" auf. Die Religionsgemeinschaften zögen sich vielfach zu sehr in ihre eigenen Ghettos zurück und verweigerten die Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs, die aber für die ganze Gesellschaft lebenswichtig wäre. Mit dem IESC-Präsidenten Armando Borda und dem Lateinamerika-Experten der Adenauer-Stiftung, Frank Priess, tauschte sich Kuhn in einer vom Lima-Fernsehkanals RPP live ausgestrahlten Diskussion über Christenverfolgung aus.