Sieben Trappistenmönche aus dem Kloster Tibhirine am Fuße des Atlas wurden im April 1996 entführt, in die Bergregion von Medea verschleppt und dann getötet. Das Bild zeigt sie mit einer Pilgergruppe.
Sieben Trappistenmönche aus dem Kloster Tibhirine am Fuße des Atlas wurden im April 1996 entführt, in die Bergregion von Medea verschleppt und dann getötet. Das Bild zeigt sie mit einer Pilgergruppe.
Vor 20 Jahren wurden sieben Trappisten-Mönche in Algerien ermordet. Christoph Benke, geistlicher Leiter des „Zentrums für Theologiestudierende“, über das Blutzeugnis dieser Märtyrer, die sterben mussten, weil sie Christen waren. Das große Interview in der Zeitung der Erzdiözese Wien, "Der SONNTAG".
Einige Sekunden des Schweigens am Beginn des Gesprächs im Dachgeschoß des Edith-Stein-Hauses in der Wiener Ebendorferstraße. Christoph Benke, er ist auch Chefredakteur von GEIST & LEBEN (Zeitschrift für christliche Spiritualität), hat mit dieser Frage nicht gerechnet: "Wären Sie selbst bereit, als Märtyrer für Ihren Glauben zu sterben?“
Diese Frage trifft täglich die Christen im Irak und vor allem in Syrien, wo Gewalttäter im Namen des Islam Andersgläubige oft grausam ermorden. "Ich glaube, dass kein Mensch das mit Ja oder Nein beantworten kann", sagt er nachdenklich. Jeder Christ sei "im Rahmen seiner Möglichkeiten und in seinem Umfeld aufgerufen, für Christus Zeugnis abzulegen, für die Optionen, die das Evangelium beinhaltet". "Dazu bin ich bereit, das auch mit meinem Leben im Alltag durchzubuchstabieren", sagt Benke. Er spricht am 16. November bei den "Theologischen Kursen" über das "Geistliche Testament" von P. Christian de Chergé, einer jener sieben Trappisten, die vor 20 Jahren in Algerien ermordet wurden. Die Täter wurden bis heute nicht gefasst.
Was ist – kurz gesagt – die Botschaft der sieben Märtyrer von Tibhirine?
Christoph Benke: Feindesliebe; Gewaltlosigkeit; Bleiben angesichts widrigster Umstände; Bleiben angesichts der Möglichkeit, auch gehen zu können. Liebe ist stärker als der Hass. Liebe vom Evangelium her ist die einzige Antwort auf Gewalt und auf Hass.
Was fasziniert Sie am "Geistlichen Testament" von Prior Christian?
Christoph Benke: Da gibt es sehr vieles, was mich fasziniert. Zum Beispiel der biographische Hinweis, dass er sich bewusst ist, als Angehöriger der ehemaligen französischen Kolonialmacht eine Mitschuld zu tragen an dem, was da passiert. Dass er im Testament gewissermaßen auf Augenhöhe spricht mit dem, der ihn umbringt, er spricht ihn ja mehrmals an.
Dass er angesichts der Gewalt-Geschichte, die Algerien über die Jahre durchgemacht hat und die P. Christian auch erlebt hat, trotzdem dieses Land und die Menschen liebt. Faszinierend finde ich auch seine Pneumatologie, seine Lehre vom Heiligen Geist, die im Testament vorkommt und auch die Religionstheologie. Er möchte sich hineinversetzen in die Art und Weise, wie Gott auf seine Kinder im Islam schaut. Welche Rolle "spielt" der Islam in der Heilsgeschichte?
Die Welt ist seit einigen Jahren voll von sogenannten "Märtyrern". Was macht das christliche Martyrium aus?
Christoph Benke: Das christliche Martyrium macht nicht das Spektakuläre aus. Es ist auch nicht etwas, das man sich selber sucht oder aussucht, sondern es ist Liebe. Das ist das frühchristliche Zeugnis, wo man bald angesichts der verschiedenen Wellen der Verfolgung sagte: Es kommt nicht auf das Leiden an sich an, sondern auf die Liebe, die in diesem Zeugnis steckt.
Ist daher Gewaltlosigkeit ein Kennzeichen eines richtig verstandenen Christentums?
Christoph Benke: Ja, weil es die Art und Weise ist, wie Jesus reagiert hat – auf die Gewalt, die ihm angetan wurde. Er hätte anders reagieren können, aber er hat Gewalt an sich austoben lassen, er hat Gewalt an sich genommen und dadurch, dass er sie nicht mit Gegengewalt beantwortet hat, an einem Punkt der Weltgeschichte diesen ewigen Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt, beginnend mit Genesis 4 (Kain und Abel), durchbrochen.
Haben diese Trappisten also allein durch ihre schweigende Präsenz gewirkt?
Christoph Benke: Sie haben im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten viel Gutes getan für die Bevölkerung. Es ist überliefert, dass jeder zu dem Arzt, der zum Konvent gehörte, kommen konnte. Sie haben für die vielen Analphabeten behördliche Dinge erledigt. Der Konvent war ein offenes Haus für die Nöte der Umgebung. Das liegt auch auf der Linie von Charles de Foucauld, Stichwort „Nazaret“: Das Evangelium präsent machen „nur“ durch das Dasein, durch das Leben mit und unter den Menschen. Also das Evangelium nicht von den Dächern verkünden, sondern einfach durch stille Präsenz.
"Das Blut der Märtyrer ist der Same des Christentums", sagten die Kirchenväter. Wie ist diese Aussage zu deuten?
Christoph Benke: Damit ist im Letzten eine Realisierung dessen gemeint, was Jesus ausmacht und wie es das Johannes-Evangelium mit dem Weizenkorn-Gleichnis (Kapitel 12) ausdrückt: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht..."
Zurück in die österreichische Realität: Wie können wir Zeugnis geben in einer mehr und mehr glaubensfernen Gesellschaft?
Christoph Benke: Da halte ich es mit dem schlichten Satz von Roger Schütz aus der Tradition von Taizé: Lebe das vom Evangelium, was du von ihm begriffen hast. Und sei es auch nur ein Wort.
Das „Geistliche Testament“ von P. Christian zum Herunterladen
"Umbrüche & Aufbrüche": das Semesterthema der "Theologischen Kurse"
Ort: Stephansplatz 3, Wien 1.
Anmeldung, Information: 01/ 51552-3708 oder www.theologischekurse.at
16. November, 18.30-21 Uhr: "Gott im Anlitz des Anderen. Das Geistliche Testament von P. Christian de Chergé", mit Dr. Christoph Benke, Philosophisch-Theologische Hochschule St. Pölten
23. November, 18.30-21 Uhr: "Die gestohlene Revolution. Die Welt nach dem Arabischen Frühling", mit Dr. Gudrun Harrer, „Der Standard“
30. November, 15-17.30 Uhr: "Zeugenschaft. Ein Leben unter Muslimen. Zum 100. Todestag von Charles de Foucauld" mit Dr. Herbert Hartl, Kleine Brüder Jesu
30. November, 18.30-21 Uhr: "Nazaret als gelebte Wirklichkeit. Zum 100. Todestag von Charles de Foucauld", mit em. Univ.-Prof. Dr. Gisbert Greshake, Wien/Freiburg
Zur Person
Dr. Christoph Benke ist Seelsorger und Geistlicher Leiter des "Zentrums für Theologiestudierende" in Wien. Er lehrt auch seit 2008 "Spirituelle Theologie" an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese St. Pölten.
Schwerpunkt Christenverfolgung
T +43 (1) 512 60 63
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien