Die Statistik erinnere daran, dass es viele Millionen Menschen weltweit gebe, die wegen ihres Glaubens unvorstellbares Leid erdulden müssten. "Kirche in Not" werde sich weiter bemühen, den Betroffenen eine Stimme zu geben.
Die Statistik erinnere daran, dass es viele Millionen Menschen weltweit gebe, die wegen ihres Glaubens unvorstellbares Leid erdulden müssten. "Kirche in Not" werde sich weiter bemühen, den Betroffenen eine Stimme zu geben.
Neuer Report von "Kirche in Not" ortet schwerwiegende Verstöße in 62 Ländern, darunter China, Indien, Pakistan und Nigeria. Warnung vor Ausbreitung transnationaler dschihadistischer Netzwerke.
Das internationale päpstliche Hilfswerk "Kirche in Not" hat am Dienstag in Rom einen neuen Bericht zu "Religionsfreiheit weltweit" veröffentlicht. Demnach gibt es in 62 von 196 untersuchten Ländern schwerwiegende Verstöße gegen dieses Menschenrecht. In den meisten von ihnen habe sich die Lage im Beobachtungszeitraum von August 2018 bis November 2020 verschlechtert. In 30 Ländern wurden demnach Menschen aus Glaubensgründen ermordet. In jedem fünften Land mussten Menschen, die ihre Religionsgemeinschaft verlassen, mit massiven rechtlichen oder sozialen Konsequenzen rechnen. Zu den schwersten Rechtsverletzern zählten einige der bevölkerungsreichsten Staaten der Erde, darunter China, Indien, Pakistan, Bangladesch und Nigeria.
Die internationale Gemeinschaft reagiert nach Einschätzung des Geschäftsführenden "Kirche in Not"-Präsidenten Thomas Heine-Geldern bislang "zu wenig und zu spät" auf Gewalt aus Gründen der Religion. Dabei handle es sich um ein wachsendes globales Phänomen; die aktuellen Zahlen gäben Anlass zu "größter Besorgnis". Die Statistik erinnere daran, dass es viele Millionen Menschen weltweit gebe, die wegen ihres Glaubens unvorstellbares Leid erdulden müssten. "Kirche in Not" werde sich weiter bemühen, den Betroffenen eine Stimme zu geben.
Dem Bericht zufolge dehnen sich transnationale dschihadistische Netzwerke inzwischen von Nordafrika bis über den Äquator in den Süden und nach Osten über den Indischen Ozean bis zu den Philippinen aus. So werde eine Radikalisierung einheimischer Milizen vorangetrieben. Ein global expandierendes "Cyber-Kalifat" sei nunmehr gängiges Instrument der Online-Rekrutierung von Attentätern im Westen. Religiöse Minderheiten würden für die Corona-Pandemie verantwortlich gemacht und verstärkten bereits bestehende gesellschaftliche Vorurteile, etwa in der Türkei und in Niger.
In einigen asiatischen Ländern mit überwiegend hinduistischer oder buddhistischer Bevölkerung habe sich ein religiöser Nationalismus etabliert, der Minderheitenangehörige zu Bürgern zweiter Klasse degradiere. Für immer mehr Länder verzeichnet der Report einen Einsatz sexueller Gewalt gegen Frauen religiöser Minderheiten als Waffe. Repressive Überwachungstechnologien nähmen zunehmend Glaubensgemeinschaften ins Visier, etwa in China.
Die Pandemie hat die Entwicklung der Religionsfreiheit nach Erkenntnissen des Hilfswerks auf vielfältige Weise beeinflusst. So bezeichneten islamistische Terrorgruppen wie al-Qaida, der "Islamische Staat" und Boko Haram auf Propaganda-Videos Covid-19 als Strafe Gottes für den "dekadenten Westen".
Dschihadisten wird Immunität und ein sicherer Platz im Paradies versprochen. Im Internet verbreiteten sich Verschwörungstheorien, denen zufolge Juden den Ausbruch verursacht hätten. Es traf - je nach Land - aber auch andere Minderheiten: in Indien Muslime, in China, Niger, der Türkei und Ägypten wurden Christen verantwortlich gemacht. In Pakistan verweigerten laut dem Bericht islamische Wohltätigkeitsorganisationen Christen Nahrungsmittelhilfe und Notfall-Kits.
Mancherorts ließ die Seuche dagegen die Religionsgemeinschaften zusammenrücken. In Bangladesch begrub eine islamische Wohltätigkeitsorganisation auch hinduistische und christliche Covid-19-Tote. In Zypern, wo Grenzschließungen Christen und Muslime daran hinderten, ihre jeweiligen religiösen Stätten zu besuchen, beteten türkisch-zypriotische Muslime am Grab des Apostels Barnabas, dem Schutzpatron des geteilten Inselstaates. Auf Kuba genehmigte die kommunistische Regierung erstmals eine Übertragung des Kreuzwegs von Papst Franziskus und der Ostergottesdienste im Staatsfernsehen.
Von einem "Hoffnungsschimmer in einer dunklen Landschaft" spricht der Report auch mit Blick auf die Islamische Republik Pakistan. Obwohl dort Gerichtsverfahren wegen Blasphemie (Gotteslästerung) zahlenmäßig zugenommen hätten, seien im Berichtszeitraum einige juristische Erfolge zu verbuchen. Höhere Instanzen hätten mehrere Urteile aufgehoben. So kam auf Weisung des höchsten Gerichts die Katholikin Asia Bibi im Januar 2019 frei und konnte unter Geheimhaltung nach Kanada ausreisen - nach neun Jahren in der Todeszelle. Diese Dynamik sei "ermutigend", resümiert "Kirche in Not" mit der Einschränkung: "sofern es gelingt, sie aufrechtzuerhalten".
Inzwischen rückt auch der Westen in den Fokus des Hilfswerks. In einigen OSZE-Ländern werde etwa das Recht von Angehörigen der Gesundheitsberufe, die Mitwirkung an Abtreibungen oder Sterbehilfe aus religiösen Gründen zu verweigern, nicht mehr ausreichend gesetzlich geschützt.
Insgesamt umfasst der neue Bericht 800 Seiten. Er kann im Internet unter www.religionsfreiheit-weltweit.de eingesehen werden. Erstellt hat ihn laut "Kirche in Not" ein internationales Team von 30 Autoren. Die Publikation ist in sechs Sprachen zugänglich. Für den deutschsprachigen Raum findet am kommenden Donnerstag in Berlin eine eigene Präsentation des Reports "Religionsfreiheit weltweit" statt. Dabei werden sich neben "Kirche in Not"-Präsident Heine-Geldern unter anderen der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, und der Berliner Erzbischof Heiner Koch zu den Ergebnissen der Studie äußern.
Der deutsche Theologe und Historiker Heiner Bielefeldt bezeichnete den Bericht als "Quelle der Hoffnung für viele Menschen", die unter Verletzungen der Religionsfreiheit litten. Das Schlimmste, was ihnen passieren könne, sei die Angst, vergessen zu werden. Sie müssten darauf vertrauen können, "dass irgendwo auf unserem Planeten Erde Menschen an sie denken und vielleicht für sie beten". Bielefeldt war von 2010 bis 2016 Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit beim UN-Menschenrechtsrat. Er ist ein Autor des Reports von "Kirche in Not".