Das MaiLied:
„Jerusalem, du neue Stadt"
Gotteslob Nr. 338.
Der „Sonntag" bringt immer am ersten Monatssonntag eine „Lied-Predigt" zu neuen Liedern aus dem neuen „Gotteslob". Das MaiLied: „Jerusalem, du neue Stadt", Gotteslob Nr. 338.
Merkwürdig kriegerisch geht es in diesem Osterhymnus des Fulbert von Chartres zu: „Des Todes Drache unterliegt, der Held aus Juda siegt mit Macht..." Christus ringt mit dem Tod. Der eigentliche Kampf jedoch findet nicht am Kreuz statt, sondern im Grab.
Das ist das Geheimnis des Karsamstags. Christus steigt in die Unterwelt, in den Bereich des Todes, um diesen Ort der äußersten Gottesferne mit seinem Licht zu erhellen. Auf einmal ist die Quelle des Lebens ausgerechnet dort, wo niemand mehr Leben für möglich gehalten hätte.
Dieses Geschehen wird von den Dichtern des Mittelalters häufig als Kampf geschildert: Mors et vita duello – so formuliert prägnant die Ostersequenz „victimae paschali laudes": „Tod und Leben, die kämpften einen unbegreiflichen Zweikampf" (GL 320). Auch Fulbert bediente sich zu Beginn des zweiten Jahrtausends solcher Bilder, als er seinen Osterhymnus dichtete.
Die kriegerische Sprache mag uns etwas befremden. Sie ist unbequem. Zuviel religiös motivierte Gewalt gab und gibt es in der Welt. Dennoch: Christus kämpft mit dem Tod. Es ist nicht bloß ein „Kampf auf Leben und Tod", sondern ein Kampf zwischen Leben und Tod. Entweder – Oder: Tod oder Leben. Dazwischen gibt es keinen Kompromiss.
Hier geht es um alles. Wirklich um alles. Möglicherweise hat man deshalb so häufig zu martialischen Bildern gegriffen. Das Lied „Der Heiland ist erstanden" (GL 828) singt in seiner zweiten Strophe: „Der Tod hat keinen Stachel mehr..." und greift dabei 1Kor 15,55 auf mit der effektvollen rhetorischen Frage: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod wo ist dein Stachel?"
Wie ist es dazu gekommen? Das große Geheimnis von Ostern ist nicht das Ergebnis eines leeren Grabes, sondern was zuvor geschehen ist. Was also hat sich denn ereignet zwischen Grablegung und Ostermorgen? Eben jener Kampf zwischen Leben und Tod. Die Metapher trifft den Sachverhalt ganz präzis: Der Tod ist der Feind des Lebens schlechthin. Erst wenn dieser Gegner vernichtet ist, kann sich das Leben wieder in seiner vollen Blüte entfalten. Also ein Sieg des Lebens und jedenfalls ein Sieg.
Ausgerechnet in der Unterwelt, jenem Bereich, der am weitesten von Gott entfernt ist, hat der Kampf stattgefunden. Offensichtlich war es gar kein Heimspiel für den Tod. Schon im Augenblick des Erscheinens Christi an jenem Ort war alles entschieden: Jene Kraft, die alles von Gott und vom Leben trennen wollte, hatte verloren. Der unendliche Graben zwischen Himmel und Erde ist plötzlich nicht mehr unüberwindlich.
Im Gegenteil. Indem Christus bis in die tiefste Tiefe hinabsteigt, bis in den äußersten Bereich des Todes geht wird wahr, wovon Fulbert, der Bischof von Chartres, singt: „Er eint den Himmel und die Welt zum Reich, in dem er ewig herrscht."