Gesungene Laudes am Samstag früh in Hollabrunn.
Gesungene Laudes am Samstag früh in Hollabrunn.
Liturgiewissenschaftler Hans-Jürgen Feulner über die Wiener Tagung „Alter Wein in neue Schläuche“ – 50 Jahre Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Sind unsere Gottesdienste „gottvoll und erlebnisstark", wie Paul M. Zulehner vor einigen Jahren formulierte?
Feulner: Das kommt sicherlich auf die jeweilige Pfarre in den unterschiedlichen Regionen und deren Engagement an, die Gottesdienstfeiern auch wirklich als „Dialog zwischen Gott und den Menschen“ erfahrbar zu machen. Wo einerseits die Heiligung der Menschen in Wort und Sakrament sowie andererseits die Verehrung Gottes im dankenden Lobpreis erkenn- und erfahrbar gemacht werden.
Das Konzil bezeichnet die Liturgie als „heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht": Sind wir uns dessen genug bewusst in der Feier der Liturgie(n)?
Feulner: In der Liturgiekonstitution (Nr. 10) wird sogar noch hinzugefügt, dass die Liturgie der „Höhepunkt“ ist, „dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle (ist), aus der all ihre Kraft strömt“. Hier wird deutlich, dass es sich bei der Feier der Liturgie nicht zuerst um ein menschliches Bemühen handelt, sondern vielmehr um das Fortwirken der Erlösung, die Gott in Jesus Christus durch den Heiligen Geist an uns vollzogen hat. Insofern ist Liturgie primär ein Gnadengeschehen, dessen Ziel die Heiligung der gottesdienstfeiernden Menschen in Wort und Sakrament ist. Der daraus resultierende Lobpreis und die Anbetung sind nicht Stimme eines einzelnen Menschen, sondern einer Gemeinschaft. Das Heilswirken Gottes wird also mit dem dankenden Lobpreis der ganzen Kirche beantwortet, und ist somit auch keine private, willkürlich gestaltbare Handlung mehr. Das sollte uns vielleicht immer wieder bewusst sein.
Der Gottesdienst ist das Aushängeschild der Kirche: Wie steht es um die Ars celebrandi (der „Kunst des Feierns“) der Pfarrgemeinden?
Feulner: Zur Pflege der Ars celebrandi ist liturgische (Weiter-) Bildung auch noch 50 Jahre nach dem Konzil notwendig und sie ist nie abgeschlossen. Das gilt in erster Linie natürlich für die für die Liturgievorbereitung Verantwortlichen in den Pfarren, aber auch für die Gottesdienstteilnehmer, um die Liturgie als diesen „Dialog zwischen Gott und Mensch“ erfahrbar zu machen. Dazu gehört auch der rechte und sinnvolle Gebrauch der vielfältigen liturgischen Zeichen und Symbole, da gerade diese die tiefen Schichten der menschlichen Seele mehr noch als viele Worte erreichen.
Zwischen Anbetung und Belehrung: Worin besteht der pastorale Charakter der Liturgie?
Feulner: Der Gottesdienst der Kirche umfasst „doch auch viel Belehrung“ (Liturgiekonstitution Nr. 33). Damit ist jedoch keine moralische oder katechetische Belehrung gemeint – was man leider oft durch ausufernde moralisierende Fürbitten und Predigten sowie unnötige Erklärungen erfahren kann. Aus dem belehrenden und seelsorglichen Charakter der Liturgie ergibt sich, dass durch die gottesdienstlichen Riten und Lesungen der Glaube der Teilnehmer genährt und das Herz der Gläubigen zu Gott hin erweckt wird, damit sie seine Gnade erfahren und im dankenden Lobpreis zu antworten vermögen. Diese Aspekte der Liturgie sind aber zugleich auch Aufruf und geben Kraft zu einem christlichen Leben und helfen auch, schwierige Situationen zu bewältigen (z. B. Kranken-, Sterbe- und Totenliturgie).
Die Liturgiekonstitution wünschte auch eine verstärkte Beteiligung der Gemeinden
an der Tagzeitenliturgie. Geschieht das 50 Jahre danach?
Feulner: Obwohl bereits erfreuliche Entwicklungen festzustellen sind, könnte die Beteiligung der Gläubigen an der Tagzeitenliturgie (besonders Vesper und Laudes) in vielen Gemeinden noch verbessert werden, denn die Tagzeitenliturgie ist das eigentliche „tägliche Gebet“ der gesamten Kirche. Hier kann das neue „Gotteslob“ Wege und Möglichkeiten eröffnen helfen, besonders angesichts der pastoralen Neukonzeption in den Diözesen bei wohl zunehmendem Priestermangel.
Interview: Stefan Kronthaler
Univ.-Prof. Dr. Hans-Jürgen Feulner, Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Wien.