Ein ausführliches Interview mit P. Peter Milward SJ, einem Shakespeare-Spezialisten und emeritierten Professor für Englische Literatur an der Sophia University in Tokyo.
Warum hat es so lange gedauert, bis Shakespeares katholische Wurzeln wahrgenommen wurden? |
Peter Milward: Einfach gesagt ist es so, dass der Ruf von Shakespeare als Dichter und Dramatiker sehr lange in einem protestantischen Land gehegt wurde und Shakespeare selbst großen Spielraum den protestantischen Kritiker seit Beginn an gewährt hat, ihn als sowohl protestantischen als auch patriotischen Nationaldichter und Dramatiker Englands zu feiern. Denn von seiner Zeit an wurde Patriotismus als charakteristisch für gute, unerschütterlich loyale britische Protestanten betrachtet, während Hochverrat als charakteristisch für illoyale englische Katholiken gesehen wurde.
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War William Shakespeare in Verbindung mit Jesuitenmissionaren, die geheim in Warwickshire oder Lancashire tätig waren? |
Peter Milward: Es gibt viele Indizien, die eine Verbindung von Shakespeare mit englischen Jesuiten sowohl in Warwickshire und in Lancashire und später in London herstellen, aber wenige, um diejenige zu überzeugen, die nicht überzeugt werden wollen oder auf harte und schnelle dokumentarische Beweise bestehen. Noch in der Zeit seiner Kindheit, im Jahr 1575, verließ sein Schulmeister an der Stratford Grammar School, Simon Hunt, mit einem seiner Schüler Robert Dibdale Stratford in Richtung Kontinent. Während Dibdale ging, um ein „Seminarpriester“ und letztlich Märtyrer (1586) zu werden, reiste Hunt nach Rom und trat in den Jesuitenorden ein. Er soll dort gewesen sein, um sowohl Edmund Campion als auch Robert Persons zu treffen, bevor diese auf die englische Mission im Jahre 1580 gingen. Hunt dürfte ihnen über die Situation der Katholiken in Stratford und im nahegelegenen Wald von Arden erzählt haben (dieser erstreckte sich sowohl über den westlichen Teil von Warwickshire als auch der Grafschaft Worcestershire). Wir wissen aus den Schriften von Persons, dass beide von Edward Arden von Park Hall (in der Nähe des heutigen Birmingham), dem Oberhaupt der alten Familie von Arden begrüßt wurden, einschließlich Shakespeares Mutter Mary Arden. Sie scheinen auch von Sir William Catesby (Vater von Robert Catesby, ein Mitglied der Pulververschwörung) in dessen Haus begrüßt worden zu sein; entweder in Lapworth im Wald von Arden oder kurz hinter der Grenze in der benachbarten Grafschaft Northamptonshire in Ashby St. Legers.
Zur gleichen Zeit hätte William einen vorzeitigen Rückzug nach Stratford angetreten, wo er bald Anne Hathaway traf und heiratete. Campion hatte den Tod eines Verräters am 1. Dezember 1581 erlitten. Persons war wohlweislich auf den Kontinent zurückgekehrt, um seine Arbeit für die englische Mission in Streitschriften aller Art fortzusetzen. Anschließend wurde ihre Arbeit im Jahre 1584 von William Weston übernommen, der vor allem eine Rolle zusammen mit Robert Dibdale, nun ein Seminarpriester, bei der Erfüllung einer Reihe von Exorzismen in zwei Rekusanten-Häusern in der Nähe von London, in Hackney und Denham, im Jahr 1586 spielte. Ein Anklang dieser Exorzismen scheint sehr früh in Shakespeares „Komödie der Irrungen“ auf, in dem der Dramatiker ihre Bekanntheit gegen einen puritanischen Kritiker namens Phinch zu unterstützen scheint – dies ist auch der Name des Schulmeisters, der einen Exorzismus in dem Stück durchführt. Eine anglikanische Kritik an den gleichen Exorzismen erscheint auch als sekundäre Quelle der späteren Shakespeare-Tragödie „König Lear“, in seiner Charakterisierung von Edgar als verrückten Bettler - und implizit als einen gejagten Priester.
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Erhielt Shakespeare seine ersten Unterrichtsstunden in Dramaturgie von Jesuiten? |
Peter Milward: Trotz der Versuche der Stratford-„Autoritäten“, speziell von Dr. Robert Bearman, die „Shakeshafte Theorie“ der Anwesenheit des jungen William in Lancashire im Frühjahr 1581 zu widerlegen, bleibt die Frage eine offene. Es gibt so viele Vorteile für diese Theorie. Erstens bietet es die einzige Erklärung einer alten Überlieferung, die zurück auf das 17. Jahrhundert und auf den Namen von Shakespeares Schauspielkollegen Christopher Beeston geht, dass William in seiner Jugend „ein Schulmeister auf dem Lande“ war. Zweitens öffnet sie paradoxerweise den Weg, der den jungen Shakespeare von Stratford nach London über Lancashire führt, weil das Testament von Alexander Houghton den jungen William Shakeshafte mit seiner Schauspiel-Kleidung dem nahegelegenen rekusanten Ritter Sir Thomas Hesketh empfiehlt, der sich eine Gruppe von Schauspielern bis zum Jahr seines Todes im Jahre 1588 hielt. Von den Hesketh-Schauspielern wäre es für ihn ein reibungsloser Übergang gewesen, da Hesketh sehr gut bekannt war mit dem Earl of Derby und seinem Sohn und Thronfolger Lord Strange, zu den Strange's Men, die Stücke nicht nur in Lancashire, sondern auch in London präsentierten. Darüber hinaus ist unter der Schirmherrschaft der Strange's Men Shakespeare erstmals als Dramaturg in London mit seinen zwei Stücken „Titus Andronicus“ und „Heinrich VI.“ (vermutlich Teil I) aufgetaucht. Und dann er ist schon in Greenes „Groatsworth Wit“ (1592) als eine dramatische Bedrohung für die „university wits“, die führenden Dramatiker jener Zeit, als eine „Krähe in geliehenen Federn gekleidet“ unter dem Pseudonym „Shakescene“ gesehen worden.
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Welche Schlüsselelemente in Shakespeares Stücken zeigen an, dass er katholisch war? |
Peter Milward: Um damit zu beginnen, was schon immer von Shakespeare-Gelehrten anerkannt worden ist, eine gewisse rätselhafte oder geheimnisvolle Qualität in seinen Stücken, die zusammengefasst werden kann in Lucios Worten über Herzog Vincentio (der manchmal, mit Hamlet und Prospero, als Alter Ego von Shakespeare selbst angesehen wird) in „Maß für Maß“: „Sein Vorwand sei unendlich weit entfernt von seinem wahren Plan“. Oder auch in der tiefempfundenen Klage Hamlets am Ende seines ersten Monologs: „Doch brich, mein Herz, denn schweigen muß mein Mund!“
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Warum behaupten Sie, dass „Othello“, „Macbeth“ und „König Lear“ ein Passionsspiel darstellen? |
Peter Milward: Die Idee, dass Shakespeare seine Stücke in einer dramatischen Tradition, die tief in das religiöse Drama des Mittelalters verwurzelt war, schrieb oder die drei Ms der „Mystery, Morality and Miracle plays“, ist eine, die zurück auf die kritischen Essays von T.S. Eliot geht. Sie wurde besser durch S. L. Bethell in seinem „Shakespeare and the Popular Dramatic Tradition“ aufgenommen, mit besonderem Bezug auf die Passionsspiele von John Vyvyan in „The Shakespearian Ethic“ (1959). Diese Idee habe ich genauer auf die ersten drei jakobinischen Tragödien „Othello“, „Macbeth“ und „König Lear“ (in dieser zeitlichen Reihenfolge) sowie auf die letzte Problem-Tragödie der elisabethanischen Zeitalters „Hamlet“ angewandt. Wahrlich „Hamlet“ ist das erste von „vier großen Tragödien“, von A. C. Bradley als solche bezeichnet, aber während diese tiefer biblisch ist - mehr als die meisten Shakespeare-Gelehrten zu erkennen bereit sind - wird sie weniger auf die Geschichte der Passion zentriert als die anderen.
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