Wenn man die Frage stellt „Warum bist du hergekommen?“, dann verlangt das auch viel von einem selbst, nämlich, dass man zuhört, warum derjenige hier ist
Wenn man die Frage stellt „Warum bist du hergekommen?“, dann verlangt das auch viel von einem selbst, nämlich, dass man zuhört, warum derjenige hier ist
Außerirdische sind ein beliebtes Thema für Science Fiction Romane und Filme. Der dänische Regisseur Michael Madsen nähert sich dem Thema wissenschaftlich. Für seinen Dokumentarfilm „Der Besuch – eine außerirdische Begegnung“ holte er Experten vor die Kamera.
Sie haben einen Dokumentarfilm gedreht über etwas, das noch nicht stattgefunden hat: die erste Begegnung zwischen Menschen und intelligentem Leben aus dem All.
Warum hat sie das interessiert?
Michael Madsen: Weil ich glaube, das wäre eine der bedeutendsten Erfahrungen für die Menschheit.
Der Zuschauer wird in „Der Besuch - eine außerirdische Begegnung“ zur unbekannten Lebensform aus dem All.
Wie kamen Sie auf diese Idee?
Michael Madsen: Wenn man einen Film über Außerirdische macht, muss sich der in den Köpfen der Zuschauer abspielen.
Denn jede Beschreibung würde ihn einschränken. Es wirkt viel stärker, wenn die Zuschauer sozusagen diese erste Begegnung erleben. Die Idee, den Zuschauer zu demjenigen zu machen, der von einem anderen Planeten kommt, war vom Anfang an da. Diese Begegnung mit dem Zuschauer finde ich sehr interessant.
Ich glaube, ein Film findet nie auf der Leinwand statt, sondern in jedem, der ihn sieht.
Experten vom Büro für Weltraumfragen der UNO und von Raumfahrt-agenturen, Theologen und Ethiker, Fachleute für Weltraumrecht und Astrobiologie stellen in Ihrem Film Fragen an den außerirdischen Besucher.
Was würden Sie fragen?
Michael Madsen: Warum bist du hier? Das wäre vermutlich meine erste Frage. Das beinhaltet natürlich weitere Fragen: Sind wir eine Überraschung für dich oder wusstest du von uns? Hast du Absichten, von denen wir wissen sollten oder soll alles im Verborgenen bleiben, bis irgendetwas passiert? Der Film ist ein gigantisches Blind Date.
Wenn man die Frage stellt „Warum bist du hergekommen?“, dann verlangt das auch viel von einem selbst, nämlich, dass man zuhört, warum derjenige hier ist – ob das nun Außerirdische sind, wie im Film, oder Flüchtlinge, wie in der aktuellen Situation.
Seit der Erfindung der Radiowellen sendet die Menschheit Signale in den Weltraum, für Leben, das da draußen sein und uns verstehen könnte.
Können Sie dieses Bedürfnis nachvollziehen?
Michael Madsen: Ich glaube, dass wir Menschen seit unseren Anfängen, als wir um das erste Feuer saßen und nachts zu den Sternen aufgeschaut haben, uns gefragt haben: Ist da draußen etwas? Das spiegelt, glaube ich, ein metaphysisches Bedürfnis wider: gesehen zu werden, und zwar von etwas Höherem – und dadurch erst in unserer Existenz bestätigt zu sein.
Ich weiß nicht, ob es immer so war, aber ich glaube, wir modernen Menschen wollen einen Sinn sehen im Leben, in der Existenz usw.. Ob es Leben im All gibt oder nicht, interessiert mich eigentlich nicht.
Es gibt die einen, die sich vor so einem Ereignis fürchten. Dahinter steckt die weltliche Erfahrung, als die Europäer nach Amerika kamen und fragten: Sind das Menschen? Können wir sie versklaven? Sollen wir sie taufen? Es wurden alle erdenklichen Gräueltaten verübt, unter dem Vorwand, sie vor sich selbst zu schützen – was eine lächerliche Idee ist.
Die andere Schule ist eine Umkehr dieser Ansicht: Wenn jemand durch den Weltraum hierher kommen kann, muss er überlegen sein, nicht nur in technologischer Hinsicht, auch moralisch, ethisch etc..
Diese Leute erwarten sich von außerirdischen Lebensformen Rettung, die Heilung von Krebs und, dass sie uns auf ein neues Level heben. Das ist eine quasireligiöse Interpretation, würde ich meinen.
Diese beiden Richtungen dominieren auch die Diskussion, ob wir Signale hinausschicken sollten oder nicht. Die einen fürchten, jemand könne unsere Ressourcen wegnehmen. Die anderen sagen, es ist unsere Pflicht, denn vielleicht ist jemand da draußen, der uns aus irgendeinen Grund braucht. Das ist ein christlicher Gedanke.
„Der Besuch“ zeigt, dass weltweit sehr große Anstrengungen unternommen werden, um vielleicht einmal Aliens zu empfangen.
Wären wir überhaupt reif, andere Lebensformen willkommen zu heißen, wenn wir es bei unseren Mitmenschen nicht schaffen?
Michael Madsen: Das sind wir sicher nicht. Ich glaube, die einzige wirkliche Lösung für die jetzige Situation, die sich durch den Klimawandel noch verstärken wird, ist, dass du und ich auf etwas verzichten müssen, zugunsten von Menschen, die weniger haben als wir.
Käme ein Außerirdischer zu uns, wäre das eine Sensation und ich glaube, es würde für die Menschheit alles ändern.
Was aber, wenn dieser erste nur ein Kundschafter wäre und 10.000 weitere da draußen wären, weil ihr Planet explodiert ist oder wegen eines Krieges, einer Krankheit oder Hungersnot? Wenn sie auf der Suche nach einem neuen Zuhause wären? Es wären keine Menschen, aber Lebewesen mit Bewusstsein, Gefühlen, vielleicht Göttern. Sollten wir den Kundschafter auslöschen und hoffen, nie wieder von ihnen zu hören? Oder sollten wir zu ihnen sagen: Kommt, wir haben, was ihr braucht. Kommt erst mal, wir werden das schon schaffen.
Mit den kleinen Schlauchbooten, die über das Mittelmeer kommen, haben wir das bis jetzt nicht hinbekommen. Und wir alle haben den kleinen Buben gesehen, der an den Strand gespült wurde.
Ist „Der Besuch – eine außerirdische Begegnung“ mehr ein Film über uns Menschen als über extraterrestrische Lebensformen?
Dieser Film ist ein Spiegel, in dem wir etwas von uns sehen können. Es ist interessant, über so einen Fall zu spekulieren, weil ich glaube, wenn wir einem intelligenten Wesen begegneten, sähen wir uns selbst mit anderen Augen.
Es würde uns die phantastische Möglichkeit geben, uns selbst in neuem Licht zu sehen.
Michael Madsen
macht in „Der Besuch“ die Zuschauer zu Außerirdischen.
Der Besuch - eine außerirdische Begegnung.
Ein Dokumentarfilm von Michael Madsen.
DK/A/IRL/FIN/NO 2015, 83 Min.
Seit 9. Oktober im Kino.
Weitere Informationen zu "Der Sonntag" die Zeitung der Erzdiözese Wien