Biedermeieridylle: „Das Abendgebet (Erzherzogin Sophie mit ihren Kindern)“ von Peter Fendi.
Biedermeieridylle: „Das Abendgebet (Erzherzogin Sophie mit ihren Kindern)“ von Peter Fendi.
Am 21. November 2016 jährt sich der Todestag von Kaiser Franz Joseph zum 100. Mal. Religion spielte in seinem Leben in vieler Hinsicht eine Rolle.
Gott erhalte, Gott beschütze / Unsern Kaiser, unser Land! / Mächtig durch des Glaubens Stütze / Führ’ er uns mit weiser Hand!“, heißt es in den ersten Zeilen der Kaiserhymne. Sie wurde zu Ehren von Kaiser Franz Joseph (anlässlich seiner Hochzeit mit Elisabeth) 1854 vom Wiener Autor Johann Gabriel Seidl neu gedichtet.
Des „Glaubens Stütze“ bedurfte Franz Joseph immer wieder im Laufe seines Lebens.
Schwere Schicksalsschläge wie die Ermordung seines Bruders Maximilian in Mexiko, der Selbstmord seines Sohnes Rudolf (der noch dazu als Mörder starb) und das tödliche Attentat auf seine – trotz aller Schwierigkeiten geliebte – Ehefrau Elisabeth trafen den Regenten schwer.
Eine weitere Tragödie bildete das tödliche Attentat auf das Thronfolgerpaar Franz Ferdinand und Sophie 1914 in Sarajewo, das schließlich zum Ersten Weltkrieg führte.
Ein Bild in der derzeit laufenden Ausstellung „Franz Joseph. Zum 100. Todestag des Kaisers“ im Schloss Schönbrunn zeigt Franz Joseph knieend im Gebet für die verstorbenen Familienmitglieder, deren Häupter – Maximilian, Rudolf, Elisabeth, Sophie und Franz Ferdinand – über ihm in Wolken schweben.
2016 jährt sich der Todestag von Kaiser Franz Joseph zum 100. Mal. Religion spielte in seinem Leben privat wie politisch eine große Rolle. Der SONNTAG ging mit Univ. Prof. Karl Vocelka durch die Kaiser-Franz-Joseph-Ausstellung im Schloss Schönbrunn und nahm dabei die religiösen Aspekte im Leben des Monarchen näher unter die Lupe.
„Die wichtigste Person in seinem Leben war die Mutter, Erzherzogin Sophie, die sehr sehr fromm war“, erläutert Karl Vocelka, Kurator der Ausstellung.
Obwohl Erzherzogin Sophie von protestantischen Lehrern in Bayern liberal erzogen worden war, hatte sie sich in Wien sehr stark katholisch orientiert und erzog ihre Kinder dementsprechend religiös.
„In der Erziehung des jungen Franz Joseph spielte die Religion eine sehr große Rolle – Beten gehörte zum Alltag der Kinder, etwa das Morgen- und Abendgebet. Auch die Marienverehrung spielte für das Haus Habsburg eine wichtige Rolle“, sagt Karl Vocelka.
Franz Joseph hatte drei Brüder, wobei Karl Ludwig, der drittälteste, mit der Religion übertrieb: „Er segnete die Menschen von der Kutsche aus und litt zunehmend an religösem Wahn. Er starb an einer Krankheit, die er sich durch das Trinken von verseuchtem Jordanwasser zugezogen hatte“, erklärt Prof. Vocelka.
Fast alle Lehrer des jungen Franz Joseph waren Offiziere, dem Militär galt von Kindesbeinen sein größtes Interesse.
Dennoch gab es auch religiöse Leitfiguren: Kardinal Joseph Othmar Rauscher (1797-1875) war ursprünglich der Lehrer Franz Josephs. „Er hat den Franz Joseph sehr stark beeinflusst“, erklärt Karl Vocelka. Rauscher war es auch, der das Konkordat von 1855 mit Papst Pius IX. für Österreich aushandelte.
Ein weitere große Rolle spielte Joseph Columbus, k. u. k. Hofkaplan und Religionslehrer der jungen Erzherzöge. „Er war der Beichtvater Franz Josephs. Sein Tagebuch ist eine wunderbare Quelle und zeugt von einer sehr engen Sicht des Katholizismus“, so Vocelka.
So sehr der Kaiser von einer strengen Glaubensauffassung geprägt war, so fortschrittlich dachte er in der Frage der Gleichstellung der Religionen: „Franz Joseph war immer ein Anhänger der Gleichberechtigung der Religionen. Das hatte vor allem für die Juden positive Effekte“, betont Karl Vocelka.
Schon Joseph II. hatte 1781 das das Toleranzpatent von erlassen. Die Tolerierten durften ihre Religion praktizieren, aber nicht öffentlich, und die Gebetshäuser durften nicht von außen als solche erkennbar sein.
Volle Religionsfreiheit brachte in Österreich erst das unter Kaiser Franz Joseph eingeführte Staatsgrundgesetz von 1867. „Bis dahin durfte man in der Schule kein positives Wort über die Protestanten sagen oder Darwin behandeln“, erklärt Karl Vocelka.
Nach der großen Niederlage von Solferino 1859 wurde schrittweise eine Verfassung eingeführt, die in der Dezember-Verfassung von 1867 gipfelte.
Vocelka: „Ab da bildet sich eine Parteienlandschaft heraus: die Sozialdemokraten unter Viktor Adler, die Christlich-Sozialen unter Karl Lueger und die Deutsch-Nationalen unter Georg Ritter von Schönerer.“
Kaiser Franz Joseph hatte mit Lueger die meisten Schwierigkeiten. „Dieser war zwar katholisch, aber ein radikaler Antisemit. Franz Joseph war das absolut nicht, er sagte immer: ,Dieser Antisemitismus ist eine Schande‘“, unterstreicht der Historiker.
Karl Lueger galt als der „Kaiser von Wien“ und saß im Rathaus, Franz Joseph saß als Kaiser der Habsburger-Monarchie in der Hofburg. Beide befanden sich Kampf um die Hauptstadt Wien.
Erst, als Lueger zum vierten Mal gewählt wurde, ernannte ihn Franz Joseph zum Bürgermeister. Hier war der Kaiser durchaus vorausschauend und sagte: „Dieser Mann wird mit seinem Antisemitismus der Stadt nicht gut tun.“ Nicht umsonst schrieb Hitler in „Mein Kampf“, wie sehr er Lueger verehrte, weil dieser die Massen mobilisieren konnte.
Viele wollten die Judengesetzgebung verschärfen, Franz Joseph aber trat für die Juden ein. „Das war eine Gleichheitsgrundsatz, der sonst seinem Wesen eher widersprach.
Franz Joseph war ein Mensch des Adels, der Dynastie, aber gerade im Religiösen war ihm der Gleichheitsgrundsatz sehr wichtig“, erklärt Karl Vocelka.
Im Okkupationsfeldzug von 1878 eroberte Österreich-Ungarn Bosnien und die Herzegowina. So kam eine Religion ins Reich, die es vorher nicht gegeben hatte – der Islam, denn ein Drittel der Bevölkerung der eroberten Gebiete war muslimisch.
Der „Berliner Vertrag“, in dem Österreich Bosnien-Herzegowina erhalten hat, ist ein Prunkstück der Ausstellung in Schloss Schönbrunn – vom Sultan ratifiziert in arabischer Schrift und in osmanischer Sprache, kunstvollst kalligrafiert.
1912 wurde das Islamgesetz erlassen, das den Islam als Religionsgesellschaft anerkannte und den Muslimen Selbstbestimmung zusicherte.
Da nun auch bosniakische Einheiten für die Habsburgermonarchie fochten, waren innerhalb der k.-u.-k.-Armee auch Imame zur Betreuung muslimischer Soldaten tätig (ebenso wie Rabbiner für Juden sowie orthodoxe und protestantische Geistliche für deren Gläubige).
Die aktuelle Ausstellung in Schloss Schönbrunn zeigt, dass Religion im Leben des Kaisers in vieler Hinsicht präsent war. Zu sehen ist u. a. auch sein Rosenkranz und ein Bild, das den Kaiser bei der (alljährlich stattfindenden) Fußwaschung von zwölf Greisen zeigt sowie bei der Fronleichnamsprozession.
Franz Joseph war der letzte Kaiser „von Gottes Gnaden“. Allerdings standen sich das Gottes-Gnadentum und die Volkssouverenität ab 1867 diametral gegenüber.
„Er war ein konstitutioneller Kaiser, hatte eine Verfassung – „von Volkes Gnaden“ – andererseits behielt er die Vorstellung des Gottes-Gnadentums aufrecht. Das ergab eine ganz besondere Spannung“, erklärt Karl Vocelka.
Univ. Prof. Karl Vocelka ist der Kurator der Franz Joseph-Ausstellung in Schloss Schönbrunn
Die Ausstellung
„Franz Joseph. Zum 100. Todestag des Kaisers“ findet an vier Standorten statt:
Schloss Schönbrunn, Wagenburg, Hofmobiliendepot und Schloss Niederweiden,
bis 27. November 2016.
Details: www.franzjoseph2016.at
Buchtipp:
Michaela Vocelka; Karl Vocelka
Kaiser von Österreich und König von Ungarn
2015, Beck, C H
Auflage: 1. Auflage
Hardcover
458 Seiten
ISBN: 978-3-406-68286-5
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
„Als Großvater holte er vieles nach“
Interview mit der Historikerin Sigrid-Maria Größing
T +43 (1) 512 60 63
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien