Die Andreaskapelle in St. Ändrä, Graz
Die Andreaskapelle in St. Ändrä, Graz
Warum moderne Kunstwerke die „alten“ in unseren Kirchen verstärken können und man bei blasphemischer Kunst „Stopp“ sagen muss, erklärt der neue Innsbrucker Bischof Hermann Glettler.
Der neue Bischof von Innsbruck, Hermann Glettler, hat sich im Bischofshaus einen Gebetsraum eingerichtet. Dieser ist eher klein und sehr schlicht. Dominiert wird er von einem alten Kreuz.
„Das ist ein Christus, den man vom Kreuz auch abnehmen und ins Grab legen konnte, ein Grablegechristus. Man sieht noch die Scharniere“, erzählt Bischof Glettler im Gespräch mit dem SONNTAG.
Der Kopf der Christusfigur, die Ende des 15. Jahrhunderts entstanden ist, ist eindringlich. „Ein unglaublich starkes Kreuz, vor dem ich mich sammeln kann.“
Den Altartisch hat der Bischof selbst gemacht „aus Schalungsbrettern, wie sie auf der Baustelle verwendet werden, sehr schlicht, sehr reduziert“. Hermann Glettler ist auch Künstler und studierter Kunsthistoriker.
Was braucht es für einen Raum, um darin gut beten zu können, Sammlung zu finden, Gott zu begegnen? Was ist der ideale Gebetsraum?
„Den gibt es nicht“, sagt der Bischof lapidar. „Den muss man sich suchen, der kann unterschiedlich ausschauen.“
Als Pfarrer der Grazer Pfarrgemeinde St. Andrä hat Hermann Glettler immer wieder zeitgenössische Kunst in den barocken Kirchenraum geholt.
Zu diesem Thema sprach er bei der Jahrestagung deutschsprachiger kirchlicher Denkmalpfleger Mitte November in Wien. Moderne Kunstwerke, die in historischen Kirchenräumen z. B. Barockwerken gegenübergestellt würden, könnten uns dazu führen „das Unerwartete auszuhalten. Die Kirche ist als Gottesort der Umschlagplatz für alle Fragen, die die menschliche Existenz betreffen“.
Als Beispiel präsentierte Bischof Gletter bei seinem Vortrag in Wien, die von Otto Zitko ausgemalte Andreaskapelle, in der eine Dreifaltigkeitsdarstellung von Jakob Philipp Straub aus dem 18. Jahrhundert steht.
„Dieses alte phantastische Kunstwerk ist nochmals stärker geworden durch die Ausmalung der Kapelle mit oranger Farbe.“ Wir hätten uns zu sehr gewöhnt an die alten Darstellungen.
„Durch eine Provokation, die von außen kommt, und die Neuformulierungen von Themen, die uns vertraut sind, kann etwas viel Tieferes geschenkt werden“.
Bischof Glettler plädiert dafür, Freiräume mutig zu nützen. Was aber, wenn Kunst blasphemisch (gotteslästerlich) ist und andere in ihrer Würde verletzt?
„Dann muss man klar ,Stopp’ sagen. Kunst muss in unseren normalen gesellschaftlichen Diskurs eingebettet sein. Aber man sollte nicht zu schnell Blasphemie schreien.“
Kunst wirke systembedingten Erstarrungen entgegen, sagt Hermann Glettler in einem Beitrag auf der theologischen Feuilleton-Website „feinschwarz.net“.
Die Kirche solle derartige Impulse aufnehmen und dadurch an Beweglichkeit, Empathie und „Quer-Denken“ gewinnen. Dem Lebendigen, „vorerst Unklassifizierbaren und Unkontrollierbaren“ müsse mehr Bedeutung beigemessen werden.
„Innovativ und kreativ ist der Geist“, betont Glettler: „Man muss die Kunst nicht heilig sprechen, aber die zeitgenössische Kunst in den Sakralraum zu holen, war und ist für mich eine ganz große Bereicherung.“
Moderne Malerei trifft auf Barock: Der Künstler Otto Zitko malte die Andreaskapelle in St. Ändrä, Graz, unter dem Titel „Feuer, das vom Himmel fällt“ neu aus.
zur Person
Bischof Hermann Glettler, Innsbruck, über Kunst: „Ich habe sehr viel gelernt durch Kunst. Kunst hat mich inspiriert, mir Kraft gegeben, mich getröstet.“
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