Durch das geheime Verfahren wird der leise rieselnde Kunstschnee persönlich vom Firmenchef in die Kugeln gegeben.
Durch das geheime Verfahren wird der leise rieselnde Kunstschnee persönlich vom Firmenchef in die Kugeln gegeben.
Dichter Schneefall – und das ganzjährig, den gibt es nicht nur am Polarkreis, sondern auch bei uns in Wien. In Hernals führt Erwin Perzy III. eine Schneekugelmanufaktur.
Sein Großvater entwickelte vor über 100 Jahren diese spezielle Glaskugel mit dem rieselnden Schnee. Kirchliche Motive mit Schneeeffekt standen am Beginn und auch heute sind sie weltweit sehr begehrt.
Wien, Schuhmanngasse 87. Erwin Perzy freut sich, im 30-Sekundentakt fallen Sockeln aus der Spritzgussmaschine. „Die stammen aus Recyclingmaterial, das wir für die Schneekugeln verwenden“, erläutert er im Produktionsbereich.
Gleich daneben ist ein Museum eingerichtet. Eine historische Werkbank von 1900 erinnert an den Beginn. Die Schneekugel verdankt sich einem Zufall. „Mein Großvater, Erwin Perzy I., war Chirurgieinstrumentenmechaniker und Erfinder.
Bei der Suche nach einer sterilen Beleuchtungsquelle für Operationssäle, experimentierte er mit einer Schusterkugel“, so Perzy III. Die mit Wasser gefüllte Glaskugel verstärkte den Lichtschein aber nur ungenügend, deshalb fügte er dem Wasser verschiedene Stoffe, welche das Licht stärker reflektieren sollten, zu. „Er probierte auch Gries aus Mutters Küche aus. Der sank langsam herab, der Effekt erinnerte ihn an Schneefall“, erinnert Perzy III.
Der Großvater zeigt diese Erfindung mit dem Schnee einem Freund, der einen Wallfahrtsstand im steirischen Mariazell führt. Der bittet ihn, ein kleines Modell der Basilika in die Kugel zu geben, dann habe er neben Rosenkränzen und Kerzen auch etwas Exklusives anzubieten.
„Mit den Instrumenten fertigte er eine Basilika, den Sockel aus einem Holzfuß eines Kastens und bestrich ihn mit schwarzer Schuhpaste“, erinnert Erwin Perzy III. Die Schneekugel findet sofort ihren Abnehmer. Großvater Perzy pfeift auf seine chirurgischen Instrumente und beginnt mit der Manufaktur der „Original Wiener Schneekugel“.
„Bis nach dem Zweiten Weltkrieg hat mein Großvater hauptsächlich Kirchen in die Schneekugel gesetzt, darunter die Linzer Pöstlingbergkirche, das Waldviertler Maria Drei Eichen und natürlich den Wiener Stephansdom“, so Perzy.
Sein Vater Erwin II. produziert nach dem Krieg auf Anregung der amerikanischen Besatzer weitere Motive, „darunter einen Schneemann und einen Weihnachtsbaum“. Damit war der Marktzugang für die USA eröffnet.
Erwin Perzy III. erlernt den Beruf des Werkzeugmachers, nach der erfolgreichen Meisterprüfung erfährt er von seinem Vater das Geheimnis der Schneeflocken in der Glaskugel: „Ich werde das auch einmal an meine Tochter weitergeben“, verrät er.
Gefüllt mit Wiener Hochquellenwasser Durch das geheime Verfahren wird der leise rieselnde Kunstschnee persönlich vom Firmenchef in die Kugeln gegeben. Gefüllt sind sie mit Wiener Hochquellenwasser. „Das ist eines der besten Trinkwässer der Welt“, freut sich Erwin Perzy. Auch über das Interesse der japanischen Touristen, „die kaufen in Wien besonders gerne das Motiv mit dem Stephansdom“. Es gibt auch andere Motive mit Religionsbezug in den Kugeln, wie Shinto-Schreine und auch Moscheen.
Schlagerstar und Ehering
„Mit den neuen technischen Möglichkeiten mittels 3D-Scanner kann man sich auch selber verschenken“, berichtet der Firmenchef. So wurden für Schlagersänger Hansi Hinterseer welche gefertigt: „Da steht der Hansi in der Kugel drinnen und stützt sich auf seinen Skistecken ab, aber da er auf den Ski steht, hat er keine Moonboots an“, freut sich Erwin Perzy, der auch eine individuelle Anfertigung für den früheren amerikanischen Präsidenten Bill Clinton machte, „da drinnen schneit es Originalconfettis von seiner Amtseinführung“.
Grundsätzlich fertigt Perzy und sein Team jedes Motiv, „nur welche mit Mord und Totschlag machen wir nicht“, stellt er klar. Unlängst kam sogar ein Ehering in die Schneekugel, „um ihn dann anstecken zu können, muss die Frau die Kugel zerstören“, schmerzt es den Wiener Schneekugelmacher ein wenig, aber er lächelt dazu.
Informationen über die Schneekugelmanufaktur: www.schneekugel.at
Erwin Perzy III. mit einem der Motive seiner Wiener Schneekugeln. Das Geheimnis des Schnees kennt nur er.
Die Basilika Mariazell ist das älteste Motiv in einer Original Wiener Schneekugel.
Erwin Perzy war in den „Lebenswegen“ zu Gast, nachzuhören im Podcast in der Reihe Lebenswege auf radio klassik Stephansdom.
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