Die "Dubia"-Anfrage einer Gruppe aus konservative emeritierter Kurienkardinälen und früherer Diözesanbischöfen befasst sich u.a. mit der Position der Kirche zu Segnungen homosexueller Paare und der Priesterweihe für Frauen.
Der Vatikan hat Antworten von Papst Franziskus an fünf konservative Kardinäle veröffentlicht, die ihn zu einer Klärung zentraler Fragen des katholischen Glaubens aufgefordert hatten. Die vatikanische Glaubensbehörde publizierte am Montag, 2. Oktober 2023, die auf den 11. Juli datierte Rückmeldung des Papstes auf die ihm von der Gruppe aus emeritierten Kurienkardinälen und früheren Diözesanbischöfen in Form einer "Dubia"-Anfrage (lateinisch für "Zweifel") gestellten fünf Fragen. In seiner Antwort weist der Papst die Zweifel der fünf Kardinäle ab. Es geht um die Auslegung der göttlichen Offenbarung, die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, Synodalität als konstitutive Dimension der Kirche, die Priesterweihe von Frauen und die Reue als notwendige Voraussetzung für die sakramentale Absolution.
Statt in einem bei einer "Dubia"-Anfrage üblichen "Ja-oder-Nein"-Format formulierte Franziskus die Antworten aus - obwohl er es nicht immer für klug halte, direkt an ihn gerichtete Fragen zu beantworten, wie es in der Einleitung des Papstschreibens heißt. Wegen der zeitlichen Nähe zur Weltsynode habe er es in diesem Fall aber für angebracht gehalten. Die Verfasser der Fragen sind die Kardinäle Walter Brandmüller (94) aus Deutschland, Raymond Burke (75) aus den USA, Juan Sandoval (90) aus Mexiko, Robert Sarah (78) aus Guinea sowie der frühere Bischof von Hongkong, Joseph Zen (91).
Die am Mittwoch in Rom startende Synodenversammlung ist ein Thema der fünf Kardinäle. Ihre Befürchtung ist, dass die Bischofssynode im Vatikan eine Autorität ausüben könne, die eigentlich dem Papst oder dem gesamten Bischofskollegium vorbehalten sei. Bei der Synode zur Synodalität sind erstmals auch Nicht-Bischöfe mit Stimmrecht zugelassen. Papst Franziskus verweist die Kardinäle an ihre eigene Anfrage. Sie drückten damit ihr Bedürfnis aus, sich zu beteiligen, ihre Meinung frei zu äußern und mitzuarbeiten, und verlangten damit eine Form von Synodalität bei der Ausübung des päpstlichen, seines Amtes. Nicht nur die Hierarchie, sondern das ganze "Volk Gottes" sollte an der Mission der Kirche teilnehmen, erneuert er sein häufig angeführtes Anliegen.
Die Sorge der fünf Kardinäle hinsichtlich der Neuinterpretation des Wortes Gottes räumte Franziskus in seiner Antwort auf die "Dubia" ebenfalls aus und verweist auf die notwendige Auslegung der Heiligen Schrift im jeweiligen kulturellen und historischen Kontext. Dazu nennt er etwa Texte zu Sklaverei oder Frauen als Beispiele. Kulturelle Veränderungen würden das Wort Gottes nicht ändern, böten jedoch die Möglichkeit, es noch deutlicher zu machen. Dies sei im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder geschehen.
Segnungen homosexueller Partnerschaften lehnt der Papst nicht gänzlich ab, er appelliert an Feingefühl und Klugheit in der Seelsorge. Wer um einen Segen bitte, drücke damit eine Bitte um Hilfe von Gott aus, eine Bitte um eine bessere Lebensweise, ein Vertrauen in einen Vater, der helfen könne, besser zu leben, so Franziskus. "Dubia"-Anfrage Möglichkeiten solcher Segnungen durch Diözesen oder Bischofskonferenzen lehnt der Papst aber ab. Ebenso wie eine Gleichsetzung homosexueller Partnerschaften mit der katholischen Auffassung einer Ehe. Diese Bezeichnung sei nur vorgesehen für eine Verbindung von Mann und Frau, die von Natur aus für die Zeugung von Kindern offen sei.
Bei der Frage nach einem möglichen Frauenpriestertum in der Zukunft bleibt der Papst schwammig. Franziskus betonte das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das Amtspriestertum als gleichwertig, spricht sich also nicht für ein Frauenpriestertum aus. Zugleich stellte er die Endgültigkeit der Absage zu dem Thema durch Papst Johannes Paul II. (1978-2005) infrage. 1994 hatte der aus Polen stammende Papst im Lehrschreiben "Ordinatio sacerdotalis" erklärt, dass die katholische Kirche keinerlei Vollmacht habe, Frauen die Priesterweihe zu spenden. Wie verbindlich diese Aussage sei, könne Gegenstand einer Untersuchung sein, schreibt Franziskus nun und verweist auf die Anglikaner. Bei der Glaubensgemeinschaft sind seit 1992 Frauen zum Priesteramt zugelassen.
Bei einer ebenfalls gestellten Frage nach der Reue als notwendige Bedingung für den Sündenerlass verweist Franziskus die Kardinäle an die seelsorgerischen Pflichten von Priestern. Natürlich sei Reue notwendig, aber es gebe viele Möglichkeiten, diese auszudrücken. "Wir sind nicht die Herren, sondern demütige Verwalter der Sakramente, die die Gläubigen nähren."
Die fünf Kardinäle hatten ihre "Dubia"-Anfrage am Montag selbst u.a. über die Website von Kardinal Burke bekannt gemacht. Dazu teilten sie mit, dass sie ihre Fragen am 10. Juli 2023 eingereicht hätten und ihnen der Papst einen Tag später schriftlich geantwortet habe - allerdings nicht wie bei einer "Dubia"-Anfrage üblich im "Ja-oder-Nein"-Format. Daher hätten sie ihr Schreiben umformuliert und am 21. August noch einmal eingereicht. Darauf hätten sie bislang keine Antwort erhalten.
Die Antworten des Papstes auf das Juli-Schreiben waren am Montag zunächst nicht bekannt gewesen. Erst einige Stunden nach der Mitteilung der Kardinäle waren sie u.a. über die Website der Glaubenskongregation verfügbar.
Glaubenspräfekt Kardinal Fernandez, hatte dem veröffentlichten Dokument zufolge den Papst darum gebeten, einige Absätze seiner Antworten zitieren zu dürfen. Dieser Anfrage gab das katholische Kirchenoberhaupt am 25. September statt.
Kurz vor Beginn der Synodenversammlung in Rom wandte sich auch der emeritierte Prager Erzbischof Kardinal Dominik Duka (80) namens der Tschechischen Bischofskonferenz an die zuständige Glaubensbehörde, wie am Dienstag bekannt wurde. In seiner Anfrage an den Vatikan vom 13. Juli greift Duka eine ältere sogenannte "Dubia" wieder auf: die Spendung der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene in der katholischen Kirche. Franziskus hatte in seinem 2016 veröffentlichten Schreiben "Amoris laetitia" ("Freude der Liebe") deren Kommunionempfang unter bestimmten Voraussetzungen in einer Fußnote für möglich erklärt.
Auf dieses Schreiben verweist die vatikanische Glaubensbehörde in ihren zur Bestätigung auch dem Papst vorgelegten Antworten an Duka und bekräftigt die dort geschilderte Möglichkeit zum Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene in Einzelfällen. Ebenso verfährt sie bei der Frage zu einer möglichen "Institutionalisierung" einer Genehmigung für diese Paare. Wie in dem Papstschreiben geschildert, geht der Entscheidung ein Prozess des Abwägens seitens des zuständigen Priesters voraus.
Wünschenswert findet die Vatikanbehörde, dass Bischöfe für ihre jeweiligen Diözesen Regelungen zum Umgang mit dem Thema erlassen. So könnten Seelsorger interessierte Menschen im Einklang mit der Kirchenlehre begleiten. Duka hatte gefragt, ob dies einzelne Diözesen autonom entscheiden dürften. Zugleich hält es die Behörde für angebracht, seitens der Bischofskonferenzen einige Mindestkriterien festzulegen, um die Vorschläge des päpstlichen Schreibens umzusetzen.
Eine Notwendigkeit, "Amoris laetitia" seitens des Vatikans weiter zu erläutern, sieht die römische Glaubensbehörde nicht. Ausdrücklich wird in der Antwort an Duka unter anderem erneut auf jene Orientierungshilfe für Priester verwiesen, die die Bischöfe der Seelsorge-Region Buenos Aires im September 2016 publiziert hatten. Der Papst hatte schon 2017 öffentlich feststellen lassen, dass der Text "authentisches Lehramt" sei.
Inhaltlich besagt die Orientierungshilfe der argentinischen Bischöfe Folgendes: Kein "unbeschränkter Zugang zu den Sakramenten" für Katholiken in jedweden Lebensumständen; Rücksicht auf Empfindlichkeiten in Pfarrgemeinden; Festhalten an der Lehre der Unauflöslichkeit der Ehe; Ermutigung von wiederverheirateten Geschiedenen zu sexueller Enthaltsamkeit oder einer Teilnahme am kirchlichen Leben ohne Sakramente - und, in Einzelfällen sowie nach einem "Weg der Unterscheidung" zusammen mit einem Geistlichen, die Möglichkeit, die Hilfe der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie zu suchen.
Am Montag war bereits ein Fragenkatalog einer fünfköpfigen Gruppe aus emeritierten Kurienkardinälen und früheren Diözesanbischöfen an die Glaubensbehörde und Papst Franziskus bekannt geworden. Darin ging es etwa um mögliche Segnungen homosexueller Partnerschaften oder die Zulassung der Priesterweihe für Frauen.
Antworten des Papstes als PDF-Dokument auf Italienisch und Spanisch:
https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_risposta-dubia-2023.pdf
Arbeitsübersetzung auf Deutsch: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2023-10/papst-franziskus-du bia-zweifel-kardinaele-antworten-synode.html