Papst Franziskus reist vom 1. bis 3. Dezember zum Weltklimagipfel COP28. Nicht nur die Sorge um die Umwelt treibt den 86-Jährigen nach Dubai. Dort werden fast alle Länder der Erde vertreten sein. Das bietet Chancen zum Dialog.
Beinahe zeitgleich bestätigten sie ihre Teilnahme: Der englische König Charles III. und Papst Franziskus reisen zum UN-Weltklimagipfel nach Dubai. Der für sein Umweltengagement bekannte Charles soll schon am 1. Dezember die Eröffnungsrede der Konferenz halten; Franziskus' Ansprache folgt am nächsten Tag. Als moralische Instanzen wollen beide den Verantwortlichen dieser Welt ins Gewissen reden und zu einem verstärkten Kampf gegen den Klimawandel aufrufen.
Erstmals in der Geschichte wird damit ein Papst bei einer Weltklimakonferenz vor Ort sein. Dass Franziskus der COP28 in Dubai hohe Bedeutung beimisst, wurde spätestens Anfang Oktober deutlich: In seinem neuen Umweltschreiben "Laudate Deum" widmete er dem Gipfel ein ganzes Kapitel. Das Schreiben ist die Fortsetzung seiner meistzitierten Enzyklika "Laudato si" von 2015. Deutlich verurteilt das Kirchenoberhaupt in dem neuen Dokument ein Schönreden oder gar eine Leugnung der Klimakrise: "Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, 'Grünes', Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird. Geben wir endlich zu, dass es sich um ein in vielerlei Hinsicht menschliches und soziales Problem handelt."
Keine Erwartungen an die COP28 zu haben, wäre laut dem Papst selbstzerstörerisch. Denn die Konferenz könnte ein Wendepunkt sein - allerdings nur dann, wenn sie sich auf verbindliche Formen der Energiewende einige. Diese müssten effizient, verpflichtend und leicht zu überwachen sein.
Erstmals soll es in Dubai eine globale Bestandsaufnahme des Pariser Klimaabkommens geben, dem auch der Vatikanstaat beigetreten ist. Der Papst erhofft sich von den Delegierten eine Fokussierung auf das Gemeinwohl statt auf Eigeninteressen. "Mögen sie auf diese Weise den edlen Charakter der Politik sichtbar machen und nicht deren beschämende Züge. An die Mächtigen erlaube ich mir, erneut diese Frage zu richten: 'Warum möchte man heute eine Macht bewahren, die in die Erinnerung eingehen wird wegen ihrer Unfähigkeit einzugreifen, als es dringend und notwendig war?'", schreibt er in "Laudate Deum".
Die in Dubai erwartete Grundsatzrede von Franziskus dürfte ähnliche, wenn nicht noch drängendere Züge aufweisen. Es wird sein sechster Auslandsaufenthalt in diesem Jahr sein - trotz des eigenen Wunsches nach weniger Reisen. Es ist nicht nur die Sorge um den Klimawandel, die den 86-jährigen, dauerhaft gesundheitlich angeschlagenen Papst nach Dubai fliegen lässt. Weite Teile seines Kurzaufenthalts sind bestimmt von bilateralen Gesprächen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Dass Franziskus nicht nur eine Video-Botschaft sendet, sondern persönlich nach Dubai kommt, sorgt jedenfalls auch international für Aufsehen. Ein starkes Zeichen, "dass eine wichtige globale Institution, die katholische Kirche, vorangeht und wirklich die Verantwortung übernimmt, für das gemeinsame Haus zu sorgen", sieht Martin Krenn, Klimaexperte der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO) und Sprecher der heimischen "Allianz für Klimagerechtigkeit" in der Papstreise und dem jüngsten Umwelt-Mahnschreiben von Franziskus.
Mit "Laudate Deum" gebe der Papst einen eindeutigen Appell dahingehend, dass seine Umwelt- und Sozial-Enzyklika "Laudato si" von 2015 bisher nicht ausreichend umgesetzt wurde, so Krenn. Die im Papst-Schreiben enthaltene Bestandsaufnahme zum aktuellen Klimaprozess enthalte ein "recht vernichtendes Urteil des Fortschritts der bisherigen Klimakonferenzen und überhaupt des multilateralen Systems", so der Experte, der selbst bei der COP28 vor Ort sein wird. "Wir erwarten uns vom Besuch von Papst Franziskus auf der Klimakonferenz in Dubai, dass er Menschen wachrüttelt, dass er auch die Bedeutung von Glaubensgemeinschaften in dieser globalen ökosozialen Transformation aufzeigt und dass er auch die Zweifler gewinnen kann, um gemeinsam den Weg in eine sichere Zukunft zu gehen."
Insgesamt rund 70.000 Teilnehmende werden während der rund zweiwöchigen Klimakonferenz in der größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate erwartet; darunter Staatsoberhäupter und Regierungsvertreter aus fast allen Ländern der Welt. So reisen aus Österreich u.a. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und - für die entscheidende zweite Verhandlungswoche - Umweltministerin Leonore Gewessler an.
Für den Papst bietet sein Aufenthalt am Beginn der Konferenz angesichts der Vielzahl aktueller humanitärer Krisen und Kriege auch die Gelegenheit zu persönlichem Austausch mit beteiligten Parteien und hohen Verantwortungsträgern. Dabei werden die Kriege in der Ukraine und in Nahost gewiss Gesprächsinhalte sein. Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel aufrechterhalten und deeskalierend wirken. 2020 hatte das islamische Land ein Friedensabkommen mit Israel geschlossen.
Laut Franziskus ist Dialog "Sauerstoff für Frieden"; und für Dialog brauche es Begegnung. Wen genau das katholische Kirchenoberhaupt in Dubai treffen wird, ist bislang noch geheim. Ein aussichtsreicher Kandidat ist der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmad al-Tayyeb. Der ägyptische Islamgelehrte und Franziskus gelten als befreundet; sie treffen sich regelmäßig. 2019 hatten sie in Abu Dhabi ein Dokument über die "Geschwisterlichkeit aller Menschen" unterzeichnet; es gilt als Meilenstein für den Dialog zwischen Christen und Muslimen.
Seinen Dialogwillen mit dem Islam wird der Papst also in den Emiraten erneut zeigen. Es ist bereits seine dritte Reise auf die Arabische Halbinsel, die kein Papst vor Franziskus je besucht hatte. Auf Abu Dhabi 2019 folgte im 2022 Bahrain. Ein Pastoralbesuch ist die Reise diesmal nicht. Seine eigenen gut 80.000 in Dubai lebenden Gläubigen wird Franziskus nicht treffen; eine öffentliche Messfeier ist nicht geplant. Zu knapp die Zeit, zu kurzfristig angesetzt die Reise.
An seinem letzten Besuchstag wird der Papst einen interreligiösen Glaubens-Pavillon einweihen, unter anderem initiiert vom Ältestenrat der Muslime, der UN und der Episkopalkirche von Kalifornien (USA). Wie Franziskus in seinem neuesten Umweltschreiben "Laudate Deum" anmerkt: "Bis zum Überdruss werde ich darauf bestehen: 'Alles ist miteinander verbunden' und 'Niemand rettet sich allein'."