Finanzspekulationen und eine "absolute Autonomie der Märkte" entzögen den Staaten ihr Recht auf Kontrolle des Geldverkehrs im Sinne des Gemeinwohls, so Papst Franziskus.
Finanzspekulationen und eine "absolute Autonomie der Märkte" entzögen den Staaten ihr Recht auf Kontrolle des Geldverkehrs im Sinne des Gemeinwohls, so Papst Franziskus.
Papst Franziskus kritisierte den globalen Finanzmarkt und rief zu einer Reform im Sinne des Gemeinwohls auf.
Franziskus hat an diesem Donnerstag, 16. Mai 2013, zu einer Reform des globalen Finanzmarktes im Sinne des Gemeinwohls aufgerufen. Erstrebenswert sei eine ethische Reform des Systems, sagte der Papst beim Antrittsbesuch der nicht beim Heiligen Stuhl residierenden Botschafter von Luxemburg, Botswana, Kirgisistan und des Inselstaates Antigua und Barbuda im Vatikan.Diese Reform könnte dann zu einer wirtschaftlichen Reform führen, die dem Gemeinwohl zugutekomme, so Franziskus.
Die Verantwortlichen in Politik und Finanzwirtschaft rief er zu mutigen Schritten auf: "Ich fordere sie dazu auf, diese Herausforderung anzugehen, mit Entschiedenheit und Weitblick, und dabei natürlich die Besonderheit der Umstände zu beachten. Geld soll dienen und darf nicht regieren! Der Papst liebt alle, ob reich oder arm; aber der Papst hat im Namen Christi die Pflicht, den Reichen daran zu erinnern, dass er dem Armen helfen muss, dass er ihn respektieren und fördern muss. Der Papst ruft zu selbstloser Solidarität auf und zur Rückkehr der Ethik in der Finanz- und Wirtschaftswelt – zum Wohl des Menschen."
Finanzspekulationen und eine "absolute Autonomie der Märkte" entzögen den Staaten ihr Recht auf Kontrolle des Geldverkehrs im Sinne des Gemeinwohls, führte Franziskus weiter aus. Im ungezügelten globalen Finanzmarkt scheine eine Ideologie auf, in der der Mensch selbst zum Konsumgut degradiert werde. Die Finanz- und Wirtschaftskrise sieht Franziskus als Symptom einer tiefer greifenden anthropologischen Krise. Die Menschheit befinde sich an einem Wendepunkt in ihrer Geschichte – trotz zahlreicher Fortschritte, etwa im Bereich der Gesundheitsvorsorge und der Kommunikation, gebe es in vielen Lebensbereichen Rückschritte. Der Papst nannte hier die Zunahme psychologischer und seelischer Probleme, steigende Gewaltraten, Armut und prekäre Lebensverhältnisse auch in reichen Ländern der Welt.
"Eine der Ursachen dieser Situation liegt meines Erachtens im Verhältnis, das wir zum Geld haben, in der Akzeptanz seiner Herrschaft über uns und über unsere Gesellschaften." Franziskus, der jüngst das Ideal einer "armen Kirche für die Armen" betonte, warnte hier eindringlich vor einer schleichenden Entsolidarisierung in der Gesellschaft: "In einem solchen Kontext wird die Solidarität, die der Schatz der Armen ist, oft als kontraproduktiv gesehen, als Gegenteil der finanziellen und wirtschaftlichen Rationalität. Und während der Verdienst einer Minderheit exponentiell wächst, wird der der Minderheit schwächer."
Ebenso werde ethisch orientiertes Handeln abgelehnt, klagte Franziskus: "Ethik stört! Sie wird als kontraproduktiv angesehen, als zu menschlich, weil sie Geld und Macht relativiert; wie eine Drohung, weil sie die Manipulation und die Unterwerfung der Person ablehnt. Denn die Ethik führt zu Gott, der sich außerhalb von Marktkategorien zeigt. Gott wird von diesen Finanz- und Wirtschaftsleuten und Politikern als nicht lenkbar, ja sogar gefährlich wahrgenommen, weil er den Menschen zu seiner vollen Verwirklichung ruft und zur Unabhängigkeit von jeder Form der Sklaverei."
Der Kirche gehe es immer um ganzheitlichen Fortschritt jeder Person, betonte der Papst weiter. Franziskus zeigte sich hoffnungsvoll, dass sich irgendwann die "absolute Dichotomie zwischen der wirtschaftlichen und sozialen Sphäre in einem gesunden Zusammenleben" beider auflösen lasse.