Blick vom Dach des österreichischen Hospiz auf den Felsendom.
Blick vom Dach des österreichischen Hospiz auf den Felsendom.
„Keine Gewalt in Gottes Namen" – „Achten wir uns als Brüder," so der Papst an die Muslime Jerusalems.
Ausgehend von der Figur des Pilgers hat Papst Franziskus in Jerusalem Abraham als gemeinsamen Stammvater von Juden, Christen und Muslimen gewürdigt. Bei einer Begegnung mit dem Jerusalemer Großmufti Mohammed Hussein am Montagmorgen auf dem Tempelberg sagte der Papst:
„In diesem Moment wende ich mich in Gedanken der Gestalt Abrahams zu, der als Pilger in diesem Land lebte. Moslems, Christen und Juden erkennen in Abraham – wenn auch auf unterschiedliche Weise – einen Vater im Glauben und ein großes Vorbild, das man nachahmen soll. Er wurde Pilger, verließ sein Volk und sein Vaterhaus, um jenes geistliche Abenteuer einzugehen, zu dem Gott ihn rief."
Der Tempelberg ist mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee die drittheiligste Stätte des Islam nach Mekka und Medina. Als erster Papst hatte Benedikt XVI. im Jahr 2009 den Felsendom besucht. An dem Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Jerusalemer Großmufti nahm an diesem Montag neben Hussein auch der Vorsitzende des Obersten Muslimrates Ikrima Sabri teil. Vor den Vertretern des Islam ging Franziskus auf die Besonderheit der Pilgerschaft ein: Ein Pilger sei „ein Mensch, der die Armut auf sich nimmt" und „sich nach einem großen und ersehnten Ziel" ausstrecke. Auch Abraham habe von der „Hoffnung auf eine empfangene Verheißung" gelebt, so Franziskus:
„Wir dürfen nie meinen, uns selbst zu genügen, Herren unseres Lebens zu sein; wir dürfen uns nicht darauf beschränken, sicher und verschlossen in unseren Überzeugungen zu verharren. Vor dem Geheimnis Gottes sind wir alle arm und spüren, dass wir immer bereit sein müssen, aus uns selbst hinauszugehen, folgsam gegenüber dem Ruf, den Gott an uns richtet, und offen gegenüber der Zukunft, die er für uns aufbauen will."
Franziskus hob positiv den „brüderlichen Kontakt und Austausch" zwischen beiden Glaubensgemeinschaften hervor, der sich in Treffen wie diesem widerspiegele. Solche Begegnungen seien Kraftquellen, die gemeinsame Herausforderungen bewältigen ließen, so der Papst. Gemeinsamer Auftrag von Christen und Muslimen sei hier die Verwirklichung von „Frieden und Gerechtigkeit", unterstrich Franziskus. Und erneut warnte er vor einem Missbrauch der Religion zu Zwecken der Gewalt und Unterdrückung:
„Liebe Brüder, liebe Freunde, von diesem heiligen Ort aus richte ich an alle Menschen und Gemeinschaften, die sich in Abraham erkennen, einen tief besorgten Aufruf: Achten und lieben wir einander als Brüder und Schwestern! Lernen wir, das Leid des anderen zu verstehen! Niemand gebrauche den Namen Gottes als Rechtfertigung für Gewalt! Arbeiten wir gemeinsam für die Gerechtigkeit und den Frieden!"
Sein Grußwort an den Papst sah der Großmufti von Jerusalem offenbar als Gelegenheit, gegen den israelischen Staat zu wettern. „Wir sind Verkünder der Wahrheit, und wollen, das unsere Rechte respektiert werden", so Mohammed Hussein wörtlich. Er beziehe sich dabei auf den israelischen Staat und „all jene, die unsere Rechte mit Füßen treten". Israel müsse die Anwesenheit der Christen wie auch der Muslime respektieren.
Explizit beklagte sich der Großmufti über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für Jerusalems Bewohner, denen Israel „aus Sicherheitsgründen und anderen Gründen" keinen Zugang zu den Heiligen Stätten gewähre: „Das ist ein Angriff auf die Würde des Menschen und sein Recht, den Herrn, Gott, zu verehren." Wenn ein solches Verhalten weiter Schule mache, werde ein „Weltkrieg" ausbrechen, formulierte der Großmufti. Und er wandte sich an Papst Franziskus mit der Bitte, diesen „falschen Verhaltensweisen gegen Jerusalem und seine muslimischen und christlichen Bewohner" Einhalt zu gebieten.
Exzellenz,
muslimische Gläubige,
liebe Freunde,
ich bin dankbar, Ihnen an diesem heiligen Ort begegnen zu können. Ich danke Ihnen von Herzen für die freundliche Einladung, die Sie an mich gerichtet haben, und besonders danke ich Ihnen, Exzellenz, und dem Vorsitzenden des Obersten Muslimischen Rates.
Den Fußstapfen meiner Vorgänger folgend und besonders auf der leuchtenden Spur Papst Pauls VI. bei seiner Reise vor fünfzig Jahren – der ersten eines Papstes ins Heilige Land – hatte ich den großen Wunsch, als Pilger zu kommen, um die Orte zu besuchen, die Zeugen des irdischen Daseins Jesu Christi geworden sind. Doch diese meine Pilgerreise wäre nicht vollständig, wenn sie nicht auch die Begegnung mit den Menschen und den Gemeinschaften vorsähe, die in diesem Land leben, und darum bin ich besonders froh, mit Ihnen, den muslimischen Gläubigen, liebe Brüder, zusammenzutreffen.
In diesem Moment wende ich mich in Gedanken der Gestalt Abrahams zu, der als Pilger in diesem Land lebte. Moslems, Christen und Juden erkennen in Abraham – wenn auch auf unterschiedliche Weise – einen Vater im Glauben und ein großes Vorbild, das man nachahmen soll. Er wurde Pilger, verließ sein Volk und sein Vaterhaus, um jenes geistliche Abenteuer einzugehen, zu dem Gott ihn rief.
Ein Pilger ist ein Mensch, der die Armut auf sich nimmt, der sich auf den Weg macht, sich nach einem großen und ersehnten Ziel ausstreckt und von der Hoffnung auf eine empfangene Verheißung lebt (vgl. Hebr 11,8-19). Das war die Lage Abrahams, das müsste auch unsere geistliche Haltung sein. Wir dürfen nie meinen, uns selbst zu genügen, Herren unseres Lebens zu sein; wir dürfen uns nicht darauf beschränken, sicher und verschlossen in unseren Überzeugungen zu verharren. Vor dem Geheimnis Gottes sind wir alle arm und spüren, dass wir immer bereit sein müssen, aus uns selbst hinauszugehen, folgsam gegenüber dem Ruf, den Gott an uns richtet, und offen gegenüber der Zukunft, die er für uns aufbauen will.
Auf dieser unserer irdischen Pilgerreise sind wir nicht allein: Wir kreuzen den Weg anderer Gläubigen, manchmal gehen wir eine Wegstrecke mit ihnen, manchmal erleben wir gemeinsam eine stärkende Rast. So etwas stellt die heutige Begegnung dar, die mich mit besonderer Dankbarkeit erfüllt: Es ist eine willkommene gemeinsame, durch Ihre Gastfreundschaft ermöglichte Rast auf dieser Pilgerschaft unseres Lebens und unserer Gemeinschaften. Wir erleben einen brüderlichen Kontakt und Austausch, der uns stärken und uns neue Kräfte verleihen kann, um uns den gemeinsamen Herausforderungen zu stellen, die uns begegnen.
Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass die Pilgerschaft Abrahams auch eine Berufung zur Gerechtigkeit war: Der Herr wollte, dass Abraham das göttliche Handeln bezeuge und nachahme. Auch wir möchten Zeugen von Gottes Handeln in der Welt sein, und deshalb vernehmen wir gerade in dieser unserer Begegnung zuinnerst den Ruf, Stifter von Frieden und Gerechtigkeit zu sein, im Gebet diese Gaben zu erflehen und von oben her Barmherzigkeit, Seelengröße und Mitgefühl zu lernen.
Liebe Brüder, liebe Freunde, von diesem heiligen Ort aus richte ich an alle Menschen und Gemeinschaften, die sich in Abraham erkennen, einen tief besorgten Aufruf:
Achten und lieben wir einander als Brüder und Schwestern!
Lernen wir, das Leid des anderen zu verstehen!
Niemand gebrauche den Namen Gottes als Rechtfertigung für Gewalt!
Arbeiten wir gemeinsam für die Gerechtigkeit und den Frieden!
Salam!