Der Zionsberg: Ort des letzten Abendmahls und der Tradition nach der Entschlafung Mariens.
Der Zionsberg: Ort des letzten Abendmahls und der Tradition nach der Entschlafung Mariens.
Papst mahnt Kleriker vor Überheblichkeit beim Treffen mit Priestern und Ordensleuten in der Jerusalemer Gethsemane-Kirche und feiert zum Abschluss mit Bischöfen eine Hl. Messe im Abendmahlsaal, wo er an Pfingsten, den Ursprung der Kirche erinnert.
Papst Franziskus hat an katholische Geistliche appelliert, die eigenen Schwächen und Fehler zu erkennen. Auch Geistliche könnten in ihrem Zeugnis für den Glauben schwankend werden und fallen, sagte Franziskus am Montag bei einem Treffen mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in der Gethsemane-Kirche in Jerusalem.
Zuvor hatte der Papst am dritten und letzten Tag seiner Heilig-Land-Reise kurzerhand einen Programmpunkt - ein gemeinsames Mittagessen mit seinem Gefolge - abgesagt. Stattdessen stattete er dem Jerusalemer Franziskanerkonvent einen Überraschungsbesuch ab.
Zwar sei Christus selbst treu und lasse die Menschen niemals allein, so der Papst in seiner Ansprache vor den Ordensleuten. "Doch diese Güte entbindet uns nicht von der Wachsamkeit gegenüber dem Versucher, der Sünde, dem Bösen und dem Verrat, die auch das Leben der Priester und Ordensleute durchkreuzen können." Es gebe ein Missverhältnis zwischen der Erhabenheit ihres Auftrags und der Hinfälligkeit des Menschen. "Lassen wir uns also nicht von Angst und Trostlosigkeit besiegen, sondern gehen wir mutig und zuversichtlich voran auf unserem Weg und in unserer Sendung", so der Papst.
Der nahe gelegene Garten Gethsemane, der Ort von Jesu Verhaftung, erinnere die Geistlichen an die Schwächen der Jünger. Jeder einzelne muss sich nach Franziskus' Worten auf Doppelzüngigkeit und Falschheit hin befragen, wie sie der Verräter Judas gezeigt habe oder Petrus, der den Herrn aus Angst verleugnet habe. Nach biblischer Überlieferung ließen die jüdischen Schriftgelehrten Jesus in der Nacht vor seiner Kreuzigung im Garten Gethsemane verhaften.
Bereits zuvor war Papst Franziskus mit Ordensleuten zusammengetroffen - bei Mittagessen mit Franziskanerbrüdern im St.-Salvator-Konvent innerhalb der Jerusalemer Altstadtmauern, für das der Papst einmal mehr bei seinem Heilig-Land-Besuch vom Programm abgewichen ist. Vorgesehen war ein gemeinsames Mahl mit dem päpstlichen Gefolge im Jerusalemer Notre-Dame-Zentrum, doch zog der Papst diesem einen Überraschungbesuch beim Orden seines Namensgebers vor.
Auf seinen eigenen Wunsch wurde er dabei einzig vom Vatikanbotschafter, Erzbischof Giuseppe Lazzarotto, und vom Kustos der Franziskaner im Heiligen Land, Pierbattista Pizzaballa, begleitet. Nach Ordensangaben kam der Besuch so überraschend, dass die Küche nicht mehr rechtzeitig über den hohen Gast informiert werden konnte. Auch die Brüder seien erst eine Stunde vor dem Mittagessen informiert worden. Über den Speiseplan wurde nichts bekannt.
Die Franziskaner spielen als "Hüter der Heiligen Stätten" eine wichtige Rolle im Heiligen Land. Der Ordensgründer selbst, der heilige Franz von Assisi (1181/82-1226), hatte ihre Anwesenheit an den Stätten der Bibel ausdrücklich gewünscht. 1229 war der Orden erstmals im Heiligen Land vertreten.
Zum liturgischen Abschluss seiner Nahost-Reise hat Papst Franziskus eine Messe auf dem Jerusalemer Zionsberg gefeiert. Mit dem Gottesdienst im sogenannten Abendmahlssaal neben der deutschen Benediktinerabtei, der Dormitio, endete das dreitägige Besuchsprogramm. Im Mittelpunkt der Messfeier stand die Herabkunft des Heiligen Geistes zu Pfingsten, die von der kirchlichen Tradition mit diesem Ort verbunden wird. Es ist zugleich das Gründungsdatum der Kirche.
Rechtsnationale jüdische Aktivisten hatten Proteste gegen die Messe angekündigt. Sie argumentierten, die christliche Feier entweihe das unter dem Abendmahlssaal von Juden verehrte Davidsgrab. Seit dem frühen Morgen waren Sicherheitskräfte massiv auf dem Zionsberg nahe der Altstadt präsent. Einige potenzielle Störer waren vorab mit Hausarrest belegt worden.
Franziskus, der am Ende der Reise sehr erschöpft wirkte, betonte in seiner Predigt den Ursprung der Kirche an diesem Ort: "Hier ist die Kirche entstanden und von hier ausgegangen", sagte er. Der Abendmahlssaal erinnere an die Geburt einer neuen Familie. "Alle Kinder Gottes, aus jedem Volk und jeder Sprache, ist eingeladen und berufen, Teil dieser großen Familie zu werden", so der Papst.
Der Abendmahlssaal verweise die Menschen auf die Gebote der Nächstenliebe und des Teilens. Mit der Geste der Fußwaschung an seinen Jüngern habe Jesus die Menschen gelehrt, einander zu akzeptieren und zu dienen; "das heißt, dem Armen, dem Kranken, dem Ausgeschlossenen zu dienen", sagte Franziskus.
Der Abendmahlssaal erinnere weiters an den Verrat Jesu und stehe zugleich für Harmonie und Frieden unter den Menschen, die Jesus zu Freunden gemacht habe, so Franziskus. Seine Predigt beendete er mit dem Wunsch: "Herr, sende herab deinen Geist und erneuere das Antlitz der Erde."
Der Komplex des Abendmahlssaals und des Davidsgrabes ist seit 1948 im Besitz des israelischen Staates. Verhandlungen mit dem Vatikan sehen vor, dass im Abendmahlssaal künftig in einem engen Zeitfenster christliche Gottesdienste von allen Konfessionen gefeiert werden können. Diese Lösung ist aber noch nicht besiegelt.
Papst Franziskus feierte eine Heilige Messe mit den Ordinarien des Heiligen Landes und dem Päpstlichen Gefolge im Abendmahlssaal zu Jerusalem. Hier die Predigt im Wortlaut:
Liebe Brüder,
es ist ein großes Geschenk, das der Herr uns macht, uns hier im Abendmahlssaal zu versammeln, um Eucharistie zu feiern. Hier, wo Jesus mit den Aposteln das Letzte Abendmahl einnahm; wo er, auferstanden, in ihrer Mitte erschien; wo der Heilige Geist mit Macht auf Maria und die Jünger herabkam. Hier ist die Kirche geboren, und sie ist im Aufbruch geboren. Von hier ist sie ausgegangen, das gebrochene Brot in den Händen, die Wunden Jesu vor Augen und den Geist der Liebe im Herzen.
Vom Vater gesandt, übertrug der auferstandene Jesus im Abendmahlssaal den Aposteln seinen eigenen Geist, und mit dieser Kraft sandte er sie aus, das Antlitz der Erde zu erneuern (vgl. Ps 104,30).
Hinausgehen, aufbrechen heißt nicht vergessen. Die Kirche im Aufbruch bewahrt das Gedächtnis dessen, was hier geschehen ist; der Heilige Geist erinnert sie an jedes Wort, an jede Geste und offenbart deren Sinn.
Der Abendmahlssaal erinnert uns an den Dienst, die Fußwaschung, die Jesus vorgenommen hat, als Beispiel für seine Jünger. Einander die Füße waschen bedeutet einander annehmen, akzeptieren, lieben, einander dienen. Das heißt, dem Armen, dem Kranken, dem Ausgeschlossenen, denjenigen, der mir unsympathisch oder stört, zu dienen.
Der Abendmahlssaal erinnert uns mit der Eucharistie an das Opfer. In jeder Eucharistiefeier bringt Jesus sich für uns dem Vater dar, damit auch wir uns mit ihm verbinden können, indem wir Gott unser Leben, unsere Arbeit, unsere Freuden und unsere Leiden darbringen…, alles als ein Opfer im Geiste darbringen.
Der Abendmahlssaal erinnert uns an die Freundschaft. »Ich nenne euch nicht mehr Knechte«, sagte Jesus zu den Zwölf, »…vielmehr habe ich euch Freunde genannt« (Joh 15,15). Der Herr macht uns zu seinen Freunden, er weiht uns in den Willen des Vaters ein und schenkt uns sich selbst. Das ist die schönste Erfahrung des Christen und in besonderer Weise des Priesters: Freund Jesu, des Herrn, zu werden. Jesus ist ein Freund.
Der Abendmahlssaal erinnert uns an den Abschied des Meisters und an die Verheißung, wieder mit seinen Freunden zusammenzukommen: »Wenn ich gegangen bin … komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin« (Joh 14,3). Jesus trennt sich nicht von uns, er verlässt uns nie, er geht uns voran in das Haus des Vaters, und dorthin will er uns mitnehmen.
Aber der Abendmahlssaal erinnert uns auch an die Kleinlichkeit, an die Neugier – „Wer ist der Verräter?“ – an den Verrat. Und jeder von uns, nicht immer nur die anderen, kann diese Verhaltensweisen annehmen, wenn wir selbstgefällig auf den Bruder schauen, ihn verurteilen; wenn wir mit unseren Sünden Jesus verraten.
Der Abendmahlssaal erinnert uns an das Miteinander-Teilen, an die Brüderlichkeit, an die Harmonie, an den Frieden unter uns. Wie viel Liebe, wie viel Gutes ist aus dem Abendmahlssaal hervorgegangen! Wie viel Nächstenliebe ist von hier ausgegangen, wie ein Fluss aus der Quelle, der anfangs ein Bach ist und dann anschwillt und groß wird… Alle Heiligen haben hier aus dieser Quelle geschöpft; der große Strom der Heiligkeit der Kirche nimmt immer von hier aus seinen Anfang, immer neu, vom Herzen Jesu, von der Eucharistie, von seinem Heiligen Geist her.
Schließlich erinnert uns der Abendmahlssaal an die Geburt der neuen Familie, unserer heiligen Kirche, die vom auferstandenen Jesus gegründet ist. Eine Familie, die eine Mutter hat, die Jungfrau Maria. Die christlichen Familien gehören zu dieser großen Familie, und in ihr finden sie Licht und Kraft, um durch die Mühen und Prüfungen des Lebens hindurch voranzugehen und sich zu erneuern. In diese große Familie sind alle Kinder Gottes aus allen Völkern und Sprachen eingeladen – alle Geschwister und Kinder des einen Vaters im Himmel.
Das ist der Horizont des Abendmahlssaals: der Horizont des Auferstandenen und der Kirche.Von hier geht die Kirche im Aufbruch aus, belebt vom Lebenshauch des Geistes. Indem sie zusammen mit der Mutter Jesu im Gebet verharrt, lebt sie immer wieder in der Erwartung einer erneuten Ausgießung des Heiligen Geistes: Dein Geist, o Herr, komme herab und erneuere das Antlitz der Erde (vgl. Ps 104,30)!
»Dann verließ Jesus die Stadt und ging ... zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm« (Lk 22,39).
Als die von Gott festgelegte Stunde gekommen ist, die Menschheit von der Knechtschaft der Sünde zu befreien, zieht Jesus sich hierher, nach Getsemani, an den Fuß des Ölbergs zurück.
Wir befinden uns an diesem heiligen Ort, der durch das Gebet Jesu, durch seine Angst, durch sein Blutschwitzen geheiligt ist; geheiligt vor allem durch sein „Ja" zum liebenden Willen des Vaters. Beinahe scheuen wir uns, den Gefühlen nachzuspüren, die Jesus in jener Stunde empfunden hat; gleichsam auf Zehenspitzen treten wir in jenen inneren Ort ein, wo das Drama der Welt entschieden wurde.
In jener Stunde hat Jesus das Bedürfnis gespürt zu beten und seine Jünger, seine Freunde, die ihm gefolgt waren und seine Sendung ganz von nahem geteilt hatten, bei sich zu haben. Doch hier in Getsemani wird die Nachfolge schwieriger und unsicherer; Zweifel, Müdigkeit und Schrecken nehmen überhand. In der sich überstürzenden Abfolge der Passion Jesu nehmen die Jünger unterschiedliche Haltungen gegenüber dem Meister ein: Nähe, Entfernung, Unsicherheit.
Uns allen – Bischöfen, Priestern, gottgeweihten Personen und Seminaristen – wird es gut tun, uns zu fragen: Wer bin ich vor dem leidenden Herrn?
Gehöre ich zu denen, die von Jesus aufgefordert sind, mit ihm zu wachen, und stattdessen einschlafen; die anstatt zu beten, versuchen zu entrinnen, indem sie die Augen vor der Realität verschließen?
Erkenne ich mich in denen, die aus Angst geflohen sind und den Meister in der tragischsten Stunde seines Erdenlebens verlassen haben?
Gibt es in mir etwa die Doppelzüngigkeit, die Falschheit dessen, der Jesus für dreißig Silberlinge verkauft hat; der Freund genannt worden war und ihn trotzdem verraten hat?
Erkenne ich mich in denen, die schwach waren und ihn verleugnet haben wie Petrus? Er hatte Jesus kurz zuvor versprochen, ihm bis in den Tod zu folgen (vgl. Lk 22,33); als er dann in die Enge getrieben und von Angst überfallen wird, schwört er, ihn nicht zu kennen.
Bin ich denen ähnlich, die ihr Leben bereits ohne ihn organisierten wie die beiden Emmausjünger, die die Worte der Propheten nicht begreifen und denen es schwer fällt, an sie zu glauben (vgl. Lk 24,25)?
Oder befinde ich mich dank Gottes Gnade unter denen, die treu waren bis zum Ende, wie die Jungfrau Maria und der Apostel Johannes? Als auf Golgotha alles dunkel wird und jede Hoffnung erschöpft scheint, ist nur die Liebe stärker als der Tod. Die Liebe drängt die Mutter und den Lieblingsjünger, am Fuß des Kreuzes auszuharren, um Jesu Schmerz bis zur Neige zu teilen.
Erkenne ich mich in denen, die ihren Herrn und Meister bis zum Martyrium nachgeahmt und damit bezeugt haben, wie er ihnen alles war, die unvergleichliche Kraft für ihre Sendung und der letzte Horizont ihres Lebens?
Die Freundschaft Jesu zu uns, seine Treue und seine Barmherzigkeit sind das unschätzbare Geschenk, das uns ermutigt, unseren Weg der Nachfolge vertrauensvoll fortzusetzen, auch wenn wir gefallen sind, Fehler gemacht und ihn verraten haben.
Doch diese Güte des Herrn entbindet uns nicht der Wachsamkeit gegenüber dem Versucher, der Sünde, dem Bösen und dem Verrat, die auch das Leben der Priester und der Ordensleute durchkreuzen können. Wir spüren das Missverhältnis zwischen der Größe der Berufung und unserer Kleinheit, zwischen der Erhabenheit der Sendung und unserer menschlichen Hinfälligkeit. Doch in seiner großen Güte und unendlichen Barmherzigkeit nimmt uns der Herr immer bei der Hand, damit wir uns nicht von der Erschütterung überfluten lassen. Er ist immer an unserer Seite, er lässt uns nie allein. Lassen wir uns also nicht von Angst und Trostlosigkeit besiegen, sondern gehen wir mutig und zuversichtlich voran auf unserem Weg und in unserer Sendung.
Ihr, liebe Brüder und Schwestern, seid berufen, dem Herrn in diesem gesegneten Land voll Freude nachzufolgen! Das ist ein Geschenk und eine Verantwortung. Eure Präsenz hier ist sehr wichtig; die ganze Kirche ist euch dankbar und unterstützt euch mit dem Gebet.
Tun wir es der Jungfrau Maria und dem heiligen Johannes gleich und stehen wir bei den vielen Kreuzen, an denen Jesus noch gekreuzigt ist. Das ist der Weg, auf dem unser Erlöser uns in seine Nachfolge ruft.
»Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein« (Joh 12,26).