Der dritte Tag der Papstreise war geprägt von einer Terminfülle bei politischen und religösen Autoritäten Jerusalems.
Der dritte Tag der Papstreise war geprägt von einer Terminfülle bei politischen und religösen Autoritäten Jerusalems.
Tag drei der Papstreise: Religion, Politik und Holocaust-Gedenken
Den dritten und letzten Tag seiner Heilig-Land-Reise verbrachte Papst Franziskus zur Gänze in Jerusalem. Höhepunkte waren der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und die Messe mit Bischöfen im Abendmahlssaal. Am Morgen dieses mit Terminen dicht gespickten Tages traf Franziskus den Großmufti von Jerusalem. Nach einem Gebet an der Westmauer, der so genannten „Klagemauer", legte Franziskus als erster Papst einen Kranz am Grab Theodor Herzls nieder, des Vordenkers des modernen Staates Israel. Abweichend vom Protokoll hielt er auch an einem israelischen Mahnmal für Terroropfer inne. Danach besuchte der Papst die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Es folgten zwei Höflichkeitsbesuche, einer bei den Oberrabbinern von Israel, der andere bei Präsident Shimon Peres. Das Mittagessen nahm Franziskus überraschend bei den Franziskanern ein. Am Nachmittag besuchte der Papst privat auf dem Ölberg den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, mit dem er tags zuvor einem Gottesdienst in der Auferstehungskirche vorgestanden hatte. Auf eine Zusammenkunft mit Priester und Ordensleuten in der Gethsemane-Kirche folgte eine Messe mit den Bischöfen des Heiligen Landes im Abendmahlssaal. Am Abend gegen 19 Uhr trat der 77-jährige Papst die Rückreise nach Rom an.
Israels Staatspräsident Shimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wollen offenbar schon in der kommenden Woche zu einem Treffen in den Vatikan reisen. Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" nannte als Datum Freitag, den 6. Juni, und berief sich dabei auf einen Sprecher der palästinensischen Regierung. Auch das Büro von Peres habe dessen Teilnahme zugesichert. Franziskus hatte Abbas und Peres am Sonntag nach seiner Messe im palästinensischen Bethlehem im Beisein Abbas zu einem gemeinsamen Friedensgebet „in mein Haus" in den Vatikan eingeladen. Die Initiative des Papstes weckt Hoffnungen auf neue Schritte im verfahrenen Friedensprozess zwischen Israel und Palästina.
„Niemals mehr o Herr, niemals mehr!" Mit diesen Worten hat Papst Franziskus in Jerusalem der von den Nationalsozialisten ermordeten Juden gedacht. Seine Ansprache in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem war eine Meditation, die um diese drei Begriffe kreiste: Schmerz, Schuld und Erbarmen. Am Ende ging der Papst dabei ins Gebet über. In den Worten des alttestamentarischen Buch Baruch verband der Papst das Schuldbekenntnis mit der Bitte um Vergebung. Den sechs betagten Holocaust-Überlebenden, mit denen Franziskus kurz sprach, küsste er – für alle überraschend – die Hände.
„Wie gut ist es, unter Brüdern zu sein. Zumal unter älteren Brüdern!" Mit diesen Worten begrüßte Papst Franziskus die beiden Großrabbiner Israels, die er im Heichal Shlomo Zentrum in Jerusalem gleich im Anschluss an seinen Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem traf. In seiner Rede würdigte der Papst das bereits Erreichte im Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum. Gemeinsam könnten Katholiken und Juden „jeder Form von Antisemitismus und den verschiedenen anderen Formen von Diskriminierung entgegentreten".
Freier Zugang zu Jerusalems heiligen Stätten und Verzicht auf jede Form von Gewalt und Diskriminierung: Das sind die beiden unumwundenen Bitten, die Papst Franziskus an diesem Montag in Jerusalem an Israels Präsidenten Shimon Peres gerichtet hat. Die Christen in Israel – sie sind zum größten Teil Palästinenser - möchten dem Papst zufolge „als vollberechtigte Bürger" und „von ihrer eigenen Identität her ihren Beitrag zum Gemeinwohl und zum Aufbau des Friedens" in Israel und Palästina leisten. Mit Entschiedenheit müsse „ alles verworfen werden, was sich der Verfolgung des Friedens und eines respektvollen Zusammenlebens von Juden, Christen und Muslimen entgegenstellt".
Der Papst hat an der Westmauer in Jerusalem das Vaterunser gebetet. Dabei beugte er sich zur Mauer, die als heiligste Stätte der Juden gilt, und berührte die Steine mit seiner rechten Hand. Danach steckte Franziskus das Gebet, das er zuvor handschriftlich und in seiner Muttersprache Spanisch auf einen Zettel geschrieben hatte, zwischen die Steine. Die Geste entspricht dem jüdischen Brauch.
Verehrte Großrabbiner von Israel, es freut mich besonders, heute bei Ihnen sein zu können: Ich danke Ihnen für den herzlichen Empfang und für die freundlichen Worte, mit denen Sie mich willkommen geheißen haben.
Wie Sie wissen, habe ich seit der Zeit, in der ich Erzbischof von Buenos Aires war, auf die Freundschaft vieler jüdischer Brüder zählen können. Heute sind zwei mit mir befreundete Rabbiner hier. Gemeinsam mit ihnen haben wir fruchtbare Initiativen der Begegnung und des Dialogs organisiert, und mit ihnen habe ich auch bedeutsame Momente des Miteinanders auf geistlicher Ebene erlebt. In den ersten Monaten des Pontifikats habe ich verschiedene Organisationen und Vertreter der weltweiten jüdischen Gemeinschaft empfangen können. Wie bereits für meine Vorgänger, sind diese Bitten um eine Begegnung zahlreich. Sie kommen zu den vielen Initiativen hinzu, die auf nationaler oder lokaler Ebene stattfinden, und all das beweist den beiderseitigen Wunsch, einander besser kennen zu lernen, anzuhören und Verbindungen echter Brüderlichkeit aufzubauen.
Dieser Weg der Freundschaft ist eine der Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils, besonders der Erklärung Nostra aetate, die von großer Bedeutung war und deren fünfzigsten Jahrestags wir im kommenden Jahr gedenken. Tatsächlich bin ich überzeugt, dass alles, was in den letzten Jahrzehnten in den Beziehungen zwischen Juden und Katholiken geschehen ist, ein echtes Geschenk Gottes war, eines der von ihm vollbrachten Wunder; und wir sind berufen, dafür seinen Namen zu loben: »Dankt dem Herrn aller Herren, denn seine Huld währt ewig! Der allein große Wunder tut, denn seine Huld währt ewig« (Ps 136,3-4).
Ein Geschenk Gottes, das aber nicht hätte offenbar werden können ohne den Einsatz sehr vieler mutiger und großherziger Menschen, Juden wie Christen. Ich möchte hier besonders die Bedeutung erwähnen, die der Dialog zwischen dem Großrabbinat von Israel und der Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum angenommen hat. Ein Dialog, der, angeregt durch den Besuch des heiligen Papstes Johannes Pauls II. im Heiligen Land, im Jahr 2002 aufgenommen wurde und bereits sein zwölfjähriges Bestehen begeht. In Bezugnahme auf die Bar Mizwa der jüdischen Tradition gefällt mir der Gedanke, dass dieser Dialog dem Erwachsenenalter bereits sehr nahe ist: Ich bin zuversichtlich, dass er weitergehen kann und eine glänzende Zukunft vor sich hat.
Es geht nicht nur darum, auf einer menschlichen Ebene Beziehungen gegenseitiger Achtung zu pflegen: Als Christen und als Juden sind wir berufen, uns eingehend nach der geistlichen Bedeutung des Bandes zu fragen, das uns miteinander verknüpft. Es handelt sich um eine Verbindung, die von oben kommt, die über unseren Willen hinausgeht und die unversehrt bleibt, trotz aller Beziehungsschwierigkeiten, die es in der Geschichte leider gegeben hat.
Auf katholischer Seite besteht natürlich die Absicht, den Sinn der jüdischen Wurzeln des eigenen Glaubens voll in Betracht zu ziehen. Ich vertraue darauf, dass mit Ihrer Hilfe auch auf jüdischer Seite das Interesse für die Kenntnis des Christentums erhalten bleibt und wenn möglich zunimmt – speziell bei den jungen Generationen –, gerade in diesem gesegneten Land, in dem dieser Glaube seinen Ursprung erkennt.
Die gegenseitige Kenntnis unseres geistlichen Erbes, die Wertschätzung dessen, was wir gemeinsam haben, und die Achtung dessen, was uns trennt, können den Weg weisen für die zukünftige Weiterentwicklung unserer Beziehungen, die wir in Gottes Hand legen. Gemeinsam können wir einen wichtigen Beitrag für die Sache des Friedens leisten; gemeinsam können wir in einer in raschem Wandel begriffenen Welt die ewige Bedeutung des göttlichen Schöpfungsplans bezeugen; gemeinsam können wir entschieden jeder Form von Antisemitismus und den verschiedenen anderen Formen von Diskriminierung entgegentreten. Der Herr helfe uns, mit Zuversicht und Seelenstärke auf seinen Wegen zu gehen. Shalom!
Herr Präsident, Exzellenzen, meine Damen und Herren,
ich bin Ihnen, Herr Präsident, dankbar für den mir bereiteten Empfang sowie für Ihre freundlichen Worte zur Begrüßung und freue mich, Sie noch einmal hier in Jerusalem treffen zu können – in der Stadt, welche die heiligen Stätten beherbergt, die den drei großen Religionen teuer sind, die den Gott anbeten, der Abraham rief. Die heiligen Stätten sind keine Museen oder Sehenswürdigkeiten für Touristen, sondern Orte, an denen die Gemeinschaften der Gläubigen ihren Glauben, ihre Kultur und ihre wohltätigen Initiativen leben. Darum müssen sie ständig in ihrem sakralen Charakter geschützt werden; so wird nicht nur das Erbe der Vergangenheit bewahrt, sondern auch die Menschen, die sie heute besuchen und in Zukunft besuchen werden. Möge Jerusalem wirklich die Stadt des Friedens sein! Mögen seine Identität und seine sakrale Eigenheit, seine universale religiöse und kulturelle Bedeutung in vollem Glanz erscheinen als Schatz für die ganze Welt! Wie schön ist es, wenn die Pilger und die Bewohner freien Zugang zu den heiligen Stätten haben und an den religiösen Feiern teilnehmen können!
Herr Präsident, Sie sind als Mann des Friedens und als Friedenstifter bekannt. Ich drücke Ihnen meinen Dank und meine Bewunderung für Ihr Verhalten aus. Der Aufbau des Friedens erfordert vor allem die Achtung der Freiheit und der Würde eines jeden Menschen, von dem ja Juden, Christen und Muslime gleichermaßen glauben, dass er von Gott erschaffen und für das ewige Leben bestimmt ist. Von diesem Fixpunkt aus, den wir gemeinsam haben, ist es möglich, das Engagement für eine friedliche Lösung der Streitigkeiten und der Konflikte zu ergreifen. In diesem Zusammenhang bringe ich erneut den Wunsch zum Ausdruck, dass allerseits Initiativen und Taten vermieden werden, die dem erklärten Willen, zu einer wirklichen Übereinkunft zu gelangen, widersprechen, und dass man nicht müde wird, den Frieden mit Entschlossenheit und Kohärenz zu verfolgen.
Mit Entschiedenheit muss alles verworfen werden, was sich der Verfolgung des Friedens und eines respektvollen Zusammenlebens von Juden, Christen und Muslimen entgegenstellt: Gewaltanwendung und Terrorismus, jede Art von Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der Religion, der Anspruch, den eigenen Gesichtspunkt auf Kosten der Rechte anderer durchzusetzen, Antisemitismus in all seinen möglichen Formen sowie Gewalt oder Äußerungen von Intoleranz gegen jüdische, christliche und muslimische Personen oder Kultstätten.
Im Staat Israel leben und wirken verschiedene christliche Gemeinschaften. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft und nehmen vollberechtigt an ihren zivilen, politischen und kulturellen Angelegenheiten teil. Die Christen möchten von ihrer eigenen Identität her ihren Beitrag zum Gemeinwohl und zum Aufbau des Friedens leisten, als vollberechtigte Bürger, die jeden Extremismus zurückweisen und sich dafür einsetzen, Urheber von Versöhnung und Eintracht zu sein.
Ihre Präsenz und die Achtung ihrer Rechte – wie überdies der Rechte jeder anderen religiösen Bekenntnisgemeinschaft und jeder Minderheit – sind die Garantie eines gesunden Pluralismus und der Beweis für die Lebendigkeit der demokratischen Werte und ihrer wirklichen Verwurzelung in der Praxis und in der Konkretheit des Lebens des Staates.
Herr Präsident, ich versichere Sie meines Gebetes für die Institutionen und für alle Bürger Israels. In besonderer Weise verspreche ich meine beharrliche inständige Bitte an Gott um die Erreichung des Friedens und mit ihm der damit eng verbundenen unschätzbaren Güter wie Sicherheit, ruhige Lebensführung, Wohlstand und Brüderlichkeit. Schließlich gehen meine Gedanken zu all denen, die unter den Folgen der im Nahen Osten noch offenen Krisen leiden, dass ihre Qualen baldmöglichst gelindert werden durch die Beilegung der Konflikte in Ehre. Frieden über Israel und im ganzen Nahen Osten! Shalom!