Papst Franziskus und UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon.
Papst Franziskus und UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon.
Papst hebt vor UNO auch Verantwortung der Staatenführer für die Bewahrung der Schöpfung hervor.
Papst Franziskus hat am Freitag, 25. September 2015 in einer Rede vor den Vereinten Nationen in New York, bei der mehr als 120 Staats- und Regierungschefs zuhörten, zu stärkerem Einsatz zur Inklusion der Armen in die Gesellschaft und zur Schaffung sozialer Gerechtigkeit aufgerufen. Die Papstrede war Auftakt des Nachhaltigkeitsgipfels, der in der Agenda 2030 globale Entwicklungsziele festlegen soll. Die Versammlung von Staats- und Regierungschefs ist die größte in der 70-jährigen Geschichte der UNO.
Es ist das fünfte Mal seit 1965, dass ein Papst am Hauptsitz der Vereinten Nationen spricht, jedoch die erste Rede eines Kirchenoberhaupts im Rahmen einer ordentlichen Generalversammlung. Unter den Anwesenden waren US-Präsident Barack Obama, der kubanische Staatschef Raul Castro und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Im Großen Saal des UN-Gebäudes befanden sich auch hochrangige Vertreter aus Staaten wie Iran, Russland und Saudi-Arabien. Österreich war durch Außenminister Sebastian Kurz vertreten.
Der Papst hob die Verantwortung der Staatenführer für die Bewahrung der Schöpfung hervor. Dabei machte er den Zusammenhang von Umweltzerstörung und Spaltung der Menschheit in Privilegierte und Ausgeschlossene klar: "Für alle religiösen Überzeugungen ist die Umwelt ein grundlegendes Gut. Der Missbrauch und die Zerstörung der Umwelt gehen zugleich mit einem unaufhaltsamen Prozess der Ausschließung einher. Tatsächlich führt ein egoistisches und grenzenloses Streben nach Macht und materiellem Wohlstand dazu, sowohl die verfügbaren materiellen Ressourcen ungebührlich auszunutzen als auch die auszuschließen, die schwach und weniger tüchtig sind, sei es weil sie Menschen mit Behinderungen sind, sei es weil ihnen die geeigneten technischen Kenntnisse und Instrumente fehlen oder weil ihre politische Entscheidungsfähigkeit nicht ausreicht. Die wirtschaftliche und soziale Ausschließung ist eine völlige Verweigerung der menschlichen Brüderlichkeit und ein äußerst schwerer Angriff auf die Menschenrechte und auf die Umwelt", sagte Franziskus wörtlich.
Als Schlüssel zur Entwicklung bezeichnete der Papst Bildung. Sie sei Grundlage für die Verwirklichung der 2030-Agenda und für die Erholung der Umwelt. Regierende müssten weiters alles tun, was möglich sei, damit alle die minimale materielle und geistige Grundlage haben, um menschenwürdig zu leben und eine Familie zu gründen und zu unterhalten. "Dieses absolute Minimum hat auf materiellem Gebiet drei Namen - Wohnung, Arbeit und Land - und auf geistigem Gebiet einen: geistige Freiheit, welche die Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung und die anderen Bürgerrechte umfasst."
Der Zugang aller zu den unentbehrlichen materiellen und geistigen Gütern bedeute "eigene Wohnung, würdige und ordnungsgemäß vergütete Arbeit, geeignete Ernährung und Trinkwasser, Religionsfreiheit und allgemeiner: geistige Freiheit und Bildungsfreiheit". Diese Säulen der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung hätten zugleich ein gemeinsames Fundament, nämlich das Recht auf Leben.
Der Papst ging auch auf die in der UN-Charta von 1945 verankerte Friedensaufgabe der UNO ein. Er könne nicht aufhören - so Franziskus - seine "ständigen Aufrufe in Bezug auf die schmerzliche Situation des gesamten Nahen Ostens, Nordafrikas und anderer afrikanischer Länder zu wiederholen, wo die Christen gemeinsam mit anderen kulturellen und ethnischen Gruppen und sogar gemeinsam mit jenem Teil der Mitglieder der Mehrheitsreligion, die sich nicht in Hass und Wahnsinn verwickeln lassen wollen, gezwungenermaßen Zeugen der Zerstörung ihrer Kultstätten, ihres kulturellen und religiösen Erbes, ihrer Häuser und ihrer Habe geworden sind". Franziskus erinnerte an die aktuelle Flüchtlingskrise, weil viele "vor die Wahl gestellt wurden, zu fliehen oder ihr Festhalten am Guten und am Frieden mit dem Leben oder der Sklaverei zu bezahlen".
Nicht nur in den Fällen religiöser oder kultureller Verfolgung, sondern in jeder Konfliktsituation - auch etwa in der Ukraine, im Südsudan, im Gebiet der großen afrikanischen Seen, in Syrien und Irak - hätten "konkrete Personen den Vorrang vor Partei-Interessen, so legitim sie auch sein mögen", sagte der Papst im Blick auf politische Rechtfertigungen für Militäroffensiven.
Die Ansprache vor der UNO war die zweite hauptsächlich politische Rede während des fünftägigen USA-Papstbesuchs. Am Donnerstag hatte Franziskus vor dem US-Kongress innenpolitische Themen wie Freiheitsrechte, Todesstrafe und Armutsbekämpfung angesprochen.
In der UN-Sitzung im Anschluss an die Papstrede sprachen laut Programm die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi, der indische Premierminister Narendra Modi und sein türkischer Amtskollege Ahmet Davutoglu.