Papst Franziskus hat sich für eine umfassende offizielle Verurteilung der Todesstrafe in der katholischen Lehre ausgesprochen.
Papst Franziskus hat sich für eine umfassende offizielle Verurteilung der Todesstrafe in der katholischen Lehre ausgesprochen.
Nein zur Todesstrafe soll im Katechismus "angemessener und konsequenter" Ausdruck finden.
Papst Franziskus hat sich für eine umfassende offizielle Verurteilung der Todesstrafe in der katholischen Lehre ausgesprochen. Die Kirche müsse Positionen aufgeben, die einem neuen Verständnis des christlichen Glaubens widersprächen. Dies müsse auch im Katechismus "angemessener und konsequenter" Ausdruck finden, sagte er am Mittwochabend, 11. Oktober 2017 im Vatikan. Die Todesstrafe stehe "im Gegensatz zum Evangelium"; in den Augen Gottes sei jedes Leben heilig. Zugleich bedauerte der Papst, auch der Kirchenstaat habe früher aus Sorge "um Macht und Reichtümer" Menschen hingerichtet.
Franziskus äußerte sich vor den Teilnehmern eines Treffens, zu dem der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung anlässlich der Veröffentlichung des "Katechismus der katholischen Kirche" vor 25 Jahren geladen hatte. Der Katechismus legt die katholischen Glaubenslehre in verbindlicher Form in einzelnen Artikeln dar. Unter Nummer 2267 heißt es, die "überlieferte Lehre der Kirche" erkenne das Recht und die Pflicht der staatlichen Gewalt an, angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen.
Der Papst nannte Todesurteile jetzt hingegen eine "unmenschliche Maßnahme, die, gleich wie sie ausgeübt wird, die Menschenwürde erniedrigt". Dies gelte es, "nachdrücklich" zu erklären. Er verwies auf eine Lehrentwicklung unter seinen Vorgängern im Papstamt, aber auch auf ein verändertes Bewusstsein unter Christen bei diesem Thema. Über das Leben eines Menschen könne im Letzten nur Gott richten. Keine noch so schwere Straftat rechtfertige eine Hinrichtung, weil diese die Unverletzlichkeit und Würde der Person angreife, sagte Franziskus. Jedem Verurteilten müsse die "Möglichkeit eines moralischen und existenziellen Loskaufs" bleiben, wenn er sich zugunsten der Gesellschaft bessere.
Auch der Kirchenstaat habe früher das "extreme und unmenschliche Mittel" der Todesstrafe angewandt, beklagte Franziskus. Die letzte Hinrichtung fand unter Papst Pius IX. im Jahr 1870 statt. "Wir übernehmen die Verantwortung für die Geschichte, und wir erkennen an, dass diese Mittel mehr von einer legalistischen als einer christlichen Denkweise bestimmt waren." Wenn die Kirche heute in dieser Frage neutral bleibe, werde sie "noch schuldiger", so der Papst.
Beim Nein zur Todesstrafe stehe man "vor keinerlei Widerspruch zur früheren Lehre, denn die Verteidigung der Würde des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod hat in der Lehre der Kirche immer eine entschlossene und maßgebliche Stimme gefunden", sagte Franziskus. Eine "harmonische Entwicklung der Glaubenslehre" verlange, sich von Positionen zur Verteidigung von Argumenten zu verabschieden, die heute "entschieden im Gegensatz zum neuen Verständnis der christlichen Wahrheit erscheinen".
"Das Wort Gottes kann man nicht in Naphtalin einlegen wie eine alte Decke, die gegen Ungeziefer geschützt werden muss", griff der Papst zu einem der für ihn typischen Sprachbilder. Gottes Wort sei eine dynamische Wirklichkeit, die fortschreite und wachse. Das könnten Menschen nicht aufhalten. Dieses "Gesetz des Wachstums" bedeute keineswegs eine Veränderung der Lehre, hob er zugleich hervor.
"Bewahren" und "weitergehen" seien zwei parallele Aufgaben der Kirche. Deswegen müsse sie das Evangelium auf immer neue Weise verkünden, sagte der Papst. Auch der Katechismus, dessen Veröffentlichung Papst Johannes Paul II. (1978-2005) vor 25 Jahren anordnete, habe diese zweigeteilte Aufgabe. Er müsse die Gläubigen für ein Wachstum im Glauben unterweisen, aber auch Menschen mit ihren neuen und oft anderen Fragen an die Kirche heranführen und ihnen eine lebensnahe Antwort anbieten.
Gott kennenzulernen, sei nicht in erster Linie eine theoretische Verstandesübung, sondern ein unauslöschliches Verlangen im Herzen jedes Menschen. Deshalb habe schon der alte Römische Katechismus gesagt: "Die ganze Belehrung und Unterweisung muss auf die Liebe ausgerichtet sein."
Franziskus äußerte sich vor dem Päpstlichen Rat zur Neuevangelisierung aus Anlass der Unterzeichnung des Lehrschreibens "Fides depositum" am 11. Oktober 1982, mit dem Johannes Paul II. die Veröffentlichung des Weltkatechismus anordnete. An dessen Erarbeitung war der spätere Papst Benedikt XVI., Kardinal Joseph Ratzinger, als damaliger Leiter der Glaubenskongregation maßgeblich beteiligt.
Vor dem Papst referierte bei der Tagung in der Neuen Synodenaula im Vatikan am Mittwoch unter anderen auch der damalige Redaktionssekretär des Katechismus und heutige Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress sagte Kardinal Schönborn tags zuvor, das Vorhaben, mit dem Katechismus den katholischen Glauben kurz und bündig darzustellen, sei voll aufgegangen. "Der Katechismus ist heute 'das' Referenzwerk weltweit, für das Lehramt und auch für die Katechese." Allerdings hätte die Aufnahme gerade im deutschsprachigen Raum besser sein können, merkte Kardinal Schönborn "mit einem gewissen Kummer" an.
In der Frage der Todesstrafe habe Johannes Paul II. eine entschiedenere Ablehnung im Katechismus gewünscht, dann aber "aus Respekt vor der überlieferten Lehre" die Formulierung der Kommission akzeptiert, berichtete Kardinal Schönborn. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass in dieser Frage eine Entwicklung des Bewusstseins in Gang sei; auch Sklaverei und Folter seien über lange Zeit von der Kirche nicht entschieden abgelehnt worden.
Papst Franziskus hat sich vor Kurienmitgliedern für eine klare Verurteilung der Todesstrafe in der katholischen Lehre ausgesprochen. Zugleich räumte er eine historische Schuld durch Hinrichtungen im Kirchenstaat ein. Kathpress dokumentiert den betreffenden Abschnitt der Rede, die er anlässlich der Veröffentlichung des Katechismus der katholischen Kirche vor 25 Jahren am Mittwochabend im Vatikan hielt, in einer eigenen Übersetzung:
Der Katechismus der katholischen Kirche (...) greift einen Text des Römischen Katechismus auf, macht ihn sich zu eigen und stellt ihn als Schlüssel für die Lektüre und die Anwendung vor: "Die ganze Belehrung und Unterweisung muss auf die Liebe ausgerichtet sein, die kein Ende hat. Mag man also etwas vorlegen, was zu glauben, zu erhoffen oder zu tun ist, immer ist dabei vor allem die Liebe zu unserem Herrn zu empfehlen, damit jeder einsieht, dass alle Werke vollkommener christlicher Tugend einzig und allein in der Liebe entspringen und auf kein anderes Ziel gerichtet werden können als auf die Liebe." (Katechismus der Katholischen Kirche, Art. 25)
Vor diesem Horizont möchte ich auf ein Thema verweisen, das mit diesem Ziel im Katechismus der katholischen Kirche angemessener und konsequenter Raum finden sollte. Ich denke an die Todesstrafe. Man kann das Problem nicht auf eine bloße Erinnerung an die historische Lehre reduzieren, ohne weder den Fortschritt der Glaubenslehre durch die letzten Päpste noch das veränderte Bewusstsein des christlichen Volks hervorzuheben; dieses verweigert eine billigende Haltung zu einer Strafe, die die Menschenwürde erheblich verletzt.
Man muss nachdrücklich feststellen, dass die Verurteilung zur Todesstrafe eine unmenschliche Maßnahme ist, die, wie auch immer sie ausgeführt wird, die persönliche Würde erniedrigt. Sie steht in sich im Gegensatz zum Evangelium, weil willentlich beschlossen wird, ein Menschenleben auszulöschen, das in den Augen des Schöpfers immer heilig ist und für das in der letzten Bewertung allein Gott Richter und Bürge ist. Kein Mensch, "nicht einmal ein Mörder, verliert je seine persönliche Würde" (Brief an den Präsidenten der Internationalen Kommission gegen die Todesstrafe, 20. März 2015).
Denn Gott ist ein Vater und erwartet stets die Rückkehr des Sohns, der, im Wissen, dass er gefehlt hat, um Vergebung bittet und ein neues Leben beginnt. Daher kann niemandem das Leben und damit die Chance eines moralischen und existenziellen Freikaufs zugunsten der Gesellschaft genommen werden.
In den vergangenen Jahrhunderten, als man sich vor einem Mangel an Abwehrmitteln befand und die soziale Reife noch keine positive Entwicklung erlebt hatte, erschien der Rückgriff auf die Todesstrafe als logische Konsequenz der Rechtsanwendung und als geboten. Leider wandte man auch im Kirchenstaat dieses extreme und unmenschliche Mittel an und überging dabei den Vorrang der Barmherzigkeit vor dem Recht. Übernehmen wir die Verantwortung für die Geschichte, und erkennen wir an, dass diese Mittel mehr von einer legalistischen als einer christlichen Denkweise bestimmt waren. Die Sorge, Macht und materielle Reichtümer unvermindert zu erhalten, hatte zu einer Überschätzung des Gesetzes geführt und davon abgehalten, das Evangelium in seiner Tiefe zu verstehen. Heute indessen angesichts der neuen Forderung nach einer Bekräftigung der persönlichen Würde neutral zu bleiben, würde uns noch schuldiger machen.
Hier stehen wir vor keinerlei Widerspruch zur früheren Lehre, denn die Verteidigung der Würde des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod hat in der Lehre der Kirche immer eine entschlossene und maßgebliche Stimme gefunden. Die harmonische Entwicklung der Glaubenslehre verlangt jedoch, Positionen zur Verteidigung von Argumenten hinter uns lassen, die nun entschieden im Gegensatz zum neuen Verständnis der christlichen Wahrheit erscheinen. Im Übrigen, wie schon der heiligen Vinzenz von Lerins bemerkte: "Vielleicht sagt jemand: Wird es also in der Kirche Christi keinen Fortschritt der Religion geben? Gewiss soll es einen geben, sogar einen recht großen. Denn wer wäre gegen die Menschen so neidisch und gegen Gott so feindselig, dass er das zu verhindern suchte?" (Commonitorium 23,1)
Deswegen ist zu betonen, dass, gleich wie schwer ein begangenes Vergehen ist, die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie die Unverletzlichkeit und Würde der Person angreift.
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25 Jahre nach der Veröffentlichung des „Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) ist seine vor sechs Jahren präsentierte Ausgabe in der Jugendsprache, der „Youcat“, ein Verkaufshit: Das Frage-Antwort-Buch unter Herausgeberschaft der österreichischen Bischofskonferenz wurde bereits in 72 Sprachen aufgelegt.
Nach einer „Jugend-Bibel“ und einer jugendgerechten Formulierung der kirchlichen Soziallehre, dem „Docat“, ist mit dem „KidsCat“ bereits das nächste Nachfolgeprojekt in den Startlöchern.