Papst Franziskus bei der Erstkommunion in Rakowski.
Papst Franziskus bei der Erstkommunion in Rakowski.
Franziskus besuchte auch Flüchtlingszentrum in Sofia. Für die Katholiken im Land ist Besuch ihres Oberhauptes ein "riesengroßes Fest".
Papst Franziskus hat seine Bulgarienreise am Montag, 6. Mai 2019 in der südbulgarischen Stadt Rakowski, einer katholischen Enklave, fortgesetzt. Dabei spendete er 245 Kindern die Erstkommunion. Bei seiner Ankunft wurde Franziskus von zahlreichen Gläubigen vor der Herz-Jesu-Kirche willkommen geheißen. Die Feier in Rakowski versammelte praktisch den gesamten Jahrgang von katholischen Kindern landesweit, die erstmals bei einer Messe die Kommunion empfangen. In seiner Predigt bestärkte Franziskus die Rolle der Kinder in der Kirche.
Das biblische Wunder der Brotvermehrung habe begonnen "mit den Händen eines Kindes, das brachte, was es hatte: fünf Brote und zwei Fische", sagte Franziskus. Manche Wunder könnten nur geschehen, wenn Erwachsene ein Herz wie Kinder hätten, das fähig sei, zu teilen, zu träumen, zu danken und zu vertrauen. "Der Herr braucht euch, um das Wunder zu verwirklichen, mit seiner Freude viele von euren Freunden und Familienangehörigen zu erreichen." Die Feier gelte "dem Sakrament der ersten Kommunion - und nicht der letzten", fügte der Papst hinzu. In einer ungewöhnlichen Geste teilte er die Kommunion persönlich an die Kinder aus.
Franziskus trug die Predigt nach seinem Skript auf Italienisch vor. Anschließend wandte er sich direkt an die Kinder und hielt mit Hilfe eines Dolmetschers einen kurzen Dialog mit ihnen. Die Buben und Mädchen antworteten mit Applaus.
Katholiken bilden eine winzige Minderheit in Bulgarien, in Rakowski stellen sie jedoch die Mehrheit. Während die orthodoxe Kirchenleitung die kühle Schulter zeigte, ist die Begeisterung auf dem katholischen Land umso größer. Für die Katholiken im Land ist der Besuch ihres Oberhauptes ein "riesengroßes Fest", wie mehrere Teilnehmer sagten.
Dies trifft auf Rakowski ebenso wie auf Sofia zu: Auf einer Fußgängerbrücke in Sofia, die zum Nationalen Kulturzentrum führt, haben katholische Kirche und Stadtverwaltung Infotafeln installiert, auf denen die 1.000 Jahre alte Geschichte der Beziehungen zwischen Rom und Bulgarien erzählt wird. Dazu zählen die Slawenapostel Kyrill und Method und Angelo Roncalli, der von 1925 bis 1934 in Bulgarien als Päpstlicher Vertreter wirkte. Der Name des späteren Papstes Johannes XXIII. (1958-1963) ist tief im Gedächtnis des Landes verankert.
Beim Mittagsgebet am Sonntag hatte der Papst darauf Bezug genommen. Roncalli habe als Gesandter von 1925 bis 1934 in Bulgarien die Tradition der Ostkirche schätzen gelernt und so den Anstoß zur Förderung des ökumenischen Dialogs erhalten, der sich dann im Zweiten Vatikanischen Konzil (1963-1965) fortsetzte. Die katholische Kirche müsse Bulgarien für die "weise und inspirierende Intuition" Roncallis danken, sagte Franziskus bei seinem Mittagsgebet am Sonntag in Sofia.
Der Papst hält sich seit Sonntag zu einem zweitägigen Besuch in Bulgarien auf. Franziskus nannte Bulgarien ein zwar orthodoxes Land, aber auch einen Kreuzungspunkt verschiedener Religionen. Die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften müssten "die Kultur des Dialogs als Weg, die allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis als Methode und Maßstab annehmen", betonte er. Dies werde "jeden Tag notwendiger".
Zum Auftakt seines zweiten Besuchstags in Bulgarien hatte Papst Franziskus ein Zentrum für Flüchtlinge und Migranten am Stadtrand von Sofia besucht. Das als privat bezeichnete Treffen fand in der Früh in einem ehemaligen Schulgebäude im Stadtteil Vrazhdebna nahe dem Flughafen statt. Dabei traf der Papst mit rund 50 Erwachsenen und Kindern zusammen, die hauptsächlich aus Syrien und Irak stammen.
Bereits am Sonntag hatte Franziskus an Regierung und Politiker appelliert, sich Migranten nicht zu verschließen; Bulgarien selbst kenne das "Drama der Auswanderung", sagte er. Den im Dezember in Marokko beschlossenen UN-Migrationspakt hatte Bulgarien ebenso wie Österreich, Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei den UN-Migrationspakt abgelehnt. In der Frage der Sicherung der EU-Außengrenzen vertritt das Land einen harten Kurs.
Beim Besuch des Papstes in Vrazhdebna erzählte ein seit fünf Jahren in Bulgarien lebender afghanischer Flüchtling von seinen Erfahrungen. Eine Freiwillige der Caritas berichtete von ihrer Arbeit. Die anwesenden Kinder sangen für Franziskus ein Lied und schenkten ihm selbstgemalte Bilder.
Das Zentrum Vrazhdebna ist eines von dreien in der bulgarischen Hauptstadt und sechs im ganzen Land. Angelegt waren die Einrichtungen ursprünglich für etwa 5.000 Flüchtlinge. Mit den knapp 20.000 Schutzsuchenden, die 2015 und 2016 die Route über den östlichen Balkan nahmen, war die Infrastruktur des Landes überfordert. Im November 2018 ermahnte die EU Bulgarien zu Verbesserungen der Einrichtungen und des Umgangs mit Migranten.
Im vergangenen Jahr kamen aufgrund des Grenzzauns sowie der Präsenz der Europäischen Grenzagentur Frontex nur noch knapp 2.600 Migranten, die meisten aus Afghanistan, Irak, Syrien und Pakistan. Von den 2.540 Asylanträgen wurden laut Landesstatistik fast alle Syrer, aber kaum Afghanen und nur jeder zehnte aus Irak anerkannt. Bulgarien, das an die Türkei grenzt, ist für Flüchtlinge meist nur ein Durchgangsland, da sie in der Regel nicht in dem ärmsten EU-Land bleiben wollen.
Papst Franziskus hat die Katholiken Südosteuropas aufgerufen, kreativ wie die Missionare Cyrill und Method, Slawenapostel des 9. Jahrhunderts, zu sein. Er äußerte sich am Montagnachmttag bei einer Begegnung mit örtlichen Gläubigen, Priestern und Ordensleuten in der Erzengel-Michael-Kirche in der bulgarischen Stadt Rakowski. Am Vormittag hatte Franziskus in der katholischen Enklave, die die einzige Stadt Bulgariens mit katholischer Bevölkerungsmehrheit ist, eine Erstkommunion mit 245 Kindern gefeiert.
Der Papst ermutigte in seiner Ansprache die Familien, kreativ zu sein, wenn es Probleme zu lösen gelte. Die Kirche sei "eine Mutter, welche die Sorgen der Kinder mitlebt und zu ihren eigenen macht, ohne vorgefertigte Antworten zu haben". Es gelte, "gemeinsam auf der Suche nach Wegen des Lebens und der Versöhnung" zu sein und dabei zu versuchen, das Reich Gottes zu vergegenwärtigen. Das Bestreben müsse sein, "der heutigen Welt den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zum Herrn und zu denen, die er besonders liebt, zu bezeugen".
Wörtlich sagte Franziskus: "Ihr seid im Glauben Kinder der großen Zeugen, die in diesem Land mit ihrem Leben die Liebe des Herrn bezeugt haben. Die Brüder Cyrill und Methodius, heilige Männer mit großen Träumen, waren überzeugt davon, dass die beste Weise, von Gott zu reden, das Reden in der eigenen Sprache war. Deshalb hatten sie den Mut, die Bibel zu übersetzen, damit niemand ohne das Wort verbliebe, das Leben verleiht. Ein offenes Haus zu sein verlangt auch heute, auf den Spuren von Cyrill und Methodius, mutig und kreativ zu sein. Wir müssen uns fragen, wie wir die Liebe, die Gott für uns empfindet, in einer konkreten und für die junge Generation verständlichen Art übersetzen können."
Denn es sei ein Faktum, dass junge Menschen in den üblichen Strukturen oft keine Antworten auf das fänden, was sie bewege - "auf ihre Bedürfnisse, Probleme und Verwundungen", zitierte der Papst das vor wenigen Wochen veröffentlichte Apostolische Schreiben "Christus vivit" zur Jugendsynode. Diese Situation verlange eine erneute Ideensuche für pastoralen Einsätze.
Eine große Versuchung innerhalb der neuen Generation sei die Orientierungslosigkeit aufgrund des Mangel an tragenden Wurzeln. Das führe zu Haltlosigkeit und großer Einsamkeit, erinnerte Franziskus: "Unsere Jugendlichen bleiben oft gerade dann, wenn sie ihre eigenen Fähigkeiten voll einsetzen wollen, auf halber Strecke stecken, aufgrund von Frustrationen oder Enttäuschungen, die sie erleben. Sie besitzen keine Wurzeln, auf die sie sich stützen können, um nach vorne zu schauen. Das wird noch schlimmer, wenn sie sich gezwungen sehen, das eigene Land, die eigene Heimat, die eigene Familie zu verlassen."
Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass die im Land Gebliebenen resignieren. "Wir dürfen nicht vergessen, dass die schönsten Kapitel im Leben der Kirche dann geschrieben wurden, wenn sich das Volk Gottes kreativ auf den Weg gemacht hat", erinnerte der Papst. "Die Zukunft liegt in euren Händen", betonten Franziskus. Die Katholiken Bulgariens dürften nicht müde werden, "eine Kirche zu sein, die inmitten von Widerständen, Leid und Armut weiter die Kinder hervorbringt, welche dieses Land heute am Beginn des 21. Jahrhunderts braucht". Dabei zitierte Franziskus den heiligen Johannes XXIII., der 1925 bis 1934 in Bulgarien gewirkt hatte. Von ihm kämen die Worte: "Ich habe nie einen Pessimisten getroffen, der etwas Gutes hervorgebracht hätte. Der Herr selbst ist kein Pessimist; immer versucht er uns Wege der Auferstehung zu eröffnen."
Zum Abschluss seines zweitägigen Bulgarien-Besuchs hat Papst Franziskus mit Vertretern anderer Konfessionen und Religionen eine ökumenisches Friedensfeier gehalten. Auf dem Platz der Unabhängigkeit in Sofias Innenstadt mahnte er dabei am Montagabend zu einem "aktiven Frieden" gegen Egoismus und Gleichgültigkeit. Vertreter aus Religion, Politik und Kultur, aber auch jeder einzelne könne Erbauer und Werkzeug des Friedens werden. Nötig seien Begegnung in dem, was eint, und Respekt in trennenden Punkten.
Die Friedensfeier fand auf einem Podium bei der frühchristlichen Georgskirche statt. Der Rundbau, der als ältestes Gebäude der bulgarischen Hauptstadt gilt, liegt jeweils nur wenige Schritte entfernt von einer orthodoxen, katholische und armenischen Kirche sowie von der Synagoge und der Moschee Sofias. Stellvertretend für Orthodoxe, Katholiken, Armenier, Protestanten, Juden und Muslime in Bulgarien entzündeten sechs Kinder an einer mit dem Logo der Papstreise verzierten Kerze Laternen. Beter der verschiedenen Konfessionen und Religionen formulierten teils in Gesängen vorgetragene Anrufungen an den Gott des Friedens.
Papst Franziskus sagte, jeder sei gerufen, ein Erbauer des Friedens zu werden. "Wir müssen um diesen Frieden bitten und dafür arbeiten; er ist Gabe und Aufgabe zugleich, Geschenk und ständiges Bemühen jeden Tag, um eine Kultur aufzubauen, in der auch der Friede ein Grundrecht ist", sagte der Papst. Die unveräußerliche Menschenwürde müsse über den "kleinlichen Interessen einiger" stehen.
Der Ort der Feier war geschichtsträchtig. Der Unabhängigkeitsplatz, wie er heute heißt, war früher nach Lenin benannt; entstanden war er im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs.
Als Repräsentanten des politischen Lebens nahmen Ministerpräsident Bojko Borissow und Simeon von Sachsen-Coburg und Gotha, letzter Zar des Zarentums Bulgarien und von 2001 bis 2005 Ministerpräsident der neuen Republik, an dem Gebet teil. Die Leitung der bulgarisch-orthodoxen Kirche blieb der Veranstaltung fern. Laut Programm war die Orthodoxie durch einen Kinderchor vertreten. Das Verhältnis des bulgarischen Patriarchats zur Ökumene gilt als gespannt.