Traditionell stellt sich Franziskus bei seinen Reisen, Fragen der mitreisenden Journalisten.
Traditionell stellt sich Franziskus bei seinen Reisen, Fragen der mitreisenden Journalisten.
Sorge um steigende Fremdenfeindlichkeit und "demografischen Winter" in Europa. Franziskus wehrt sich gegenüber Kritikern aus den USA, die den offenen Widerspruch verweigern und somit ein "Schisma" riskieren.
Papst Franziskus zeigt sich sehr betroffen über das rasche Abschmelzen von Gletschern und Polar-Eis. Beim Bild einer eisfreien Schiffsroute über den Nordpol habe er "Angst verspürt", sagte er auf dem Rückweg seiner Afrika-Reise am Dienstag, 10. September 2019 vor mitreisenden Journalisten. Der "größte Kampf" für Ökologie und Artenvielfalt werde von jungen Menschen geführt. "Sie haben das klare Bewusstsein: Es ist unsere Zukunft", so der Papst.
Franziskus stellte sich hinter die Verteidigung der Umwelt und der Biodiversität. Dies sei "unser Leben". Das Pariser Klimaabkommen von 2015 sei ein erster Schritt nach vorn gewesen, gefolgt von der Klimakonferenz von Kattowitz Ende 2018. Diese Treffen hätten geholfen, "Bewusstsein zu schaffen". Auch die Kirche stellt sich dem Phänomen: Im Oktober findet im Vatikan eine internationale Bischofssynode zum Amazonasgebiet statt, die sich auch mit Umweltfragen befassen wird.
Ausdrücklich äußerte der Papst auch Sorge über die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll, über Abholzung und Zerstörung der Artenvielfalt. Die großen bewaldeten Naturräume in Südamerika und Zentralafrika seien die "großen Lungen" der Welt. Während seiner knapp einwöchigen Reise nach Mosambik, Madagaskar und Mauritius hatte Franziskus mehrfach den Schutz natürlicher Ressourcen angemahnt.
Auch wenn er keine Kirchenspaltung befürchte, bete er darum, dass es zu keiner komme, erklärte Franziskus - "denn das Heil der Menschen steht auf dem Spiel". Die "Option des Schismas" gebe es immer in der Kirche, sie sei aber nicht christlich. Gott lasse der menschlichen Freiheit immer Entscheidungsmöglichkeiten. Sowohl nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1870/71 bzw. 1962-1965) hätten sich Gruppen abgetrennt, sagte der Papst. Er verwies auf die späteren Altkatholiken und die Traditionalisten um Erzbischof Marcel Lefebvre, die beide mit dem Anspruch auftraten, die Rechtgläubigkeit gegen Neuerungen zu schützen.
Mit Blick auf Unmut konservativer US-amerikanischer Kreise über seinen Kurs sagte Franziskus, Kritik gebe es "ein bisschen von überall her, auch in der Kurie". Grundsätzlich begrüßte er Einwände als Anlass zu Selbstkritik, auch wenn sie einen manchmal "ärgerlich" machten. Allerdings müsse Widerspruch offen und konstruktiv sein, um im Dialog zu einem gemeinsamen Punkt kommen zu können. Indem manche Kritiker seiner Amtsführung die offene Auseinandersetzung verweigerten, riskierten sie ein Schisma, so der Vorwurf des Papstes.
Ihm gefalle nicht, wenn Menschen ihre Kritik im Verborgenen, aber nicht gegenüber dem Betreffenden äußerten. "Sie lächeln dich breit an, und dann stoßen sie dir den Dolch in den Rücken. Das ist nicht fair, das ist nicht menschlich", so Franziskus wörtlich. Kritik in der Art von "Arsen-Pillen" helfe nicht weiter; dies sei ein Mittel "kleiner Gruppen, die keine Entgegnung hören wollen". Wer sich einer Auseinandersetzung verschließe, handele nicht aus Liebe zur Kirche, so der Papst; und weiter: "Alle Schismatiker haben etwas gemeinsam: Sie trennen sich vom Volk, vom Glauben des Volkes Gottes."
Nachdrücklich verteidigte Franziskus eine Kontinuität seiner Soziallehre zu der von Johannes Paul II. (1978-2005). Der Rede von einem "zu kommunistischen" Papst warf er vor, Ideologien und katholische Lehre zu vermischen. Wenn "die kirchliche Lehre über Ideologien stolpert", werde Kirchenspaltung möglich, sagte der Papst. Gleichzeitig warnte er vor einer "aseptischen Moral" in Kontrast zur "Moral des Volkes Gottes". Auch innerhalb der Kirche werde vielfach eine zu große Sittenstrenge vertreten; das entspreche aber nicht dem "gesunden Evangelium". Nicht die "Heiligkeit des Evangeliums", sondern weit eher Probleme würden hinter übertriebener Strenge meist stecken.
Auch wenn die 31. Auslandsreise des Papstes Afrika und zwei Inseln im Indischen Ozean gegolten hatte, geizte er nicht mit mahnenden Worten in Richtung Europa. Die Fremdenfeindlichkeit beispielsweise bezeichnete er als eine "Krankheit des Menschen", die ihn dazu bringe, Mauern hochzuziehen, die ihn schließlich selbst einschlössen. Die Fremdenfeindlichkeit käme oft auf der Welle des politischen Populismus umher, was ihm Sorge bereite. Angesichts der Reden mancher scheine es, als ob in Europa das Gedankengut des Nationalsozialismus wieder aufkomme.
Europa sei durch Wohlstand und Ruhe gealtert und lebe nun in einem demografischen Winter, sagte der Papst. Im Vergleich dazu sei Afrika "voller Leben". "Ich habe in Afrika eine Geste gesehen, die ich schon von den Philippinen und aus Kolumbien kannte: Die Menschen heben ihre Kinder hoch, als ob sie sagen wollten, dass das ihr Schatz sei, ihr Sieg, ihr Stolz. Das Kind ist der Schatz der Armen - und der Schatz eines Landes."
Jedoch auch in Afrika sehe er Probleme, wie etwa das Stammesdenken. Bildung und Begegnung zwischen verschiedenen Stämmen sei nötig, um eine Nation zu bilden, so sein Eindruck. Die "Tragödie" von Ruanda vor 25 Jahren sei ein Beispiel für die schlimmen Auswirkung dieses Stammesdenkens, weshalb die Völker diesem unbedingt abschwören müssten. Auch gegen Feindseligkeiten zwischen einzelnen Ländern und innerhalb der Länder gelte es anzukämpfen.
Ausdrücklich würdigte der Papst dann den Beitrag der römischen Basisgemeinschaft Sant'Egidio zum Friedensprozess in Mosambik, dem ersten der von ihm auf dieser Reise besuchten Länder. Der Friede sei "ein Triumph", und Kriege lösten niemals etwas, sie machten nur "diejenigen zu Gewinnern, die nicht den Frieden der Menschen wollen". Weil der Frieden im Land derzeit gefährdet wirke, sei es ihm wichtig gewesen, trotz des einsetzenden Wahlkampfs nach Mosambik zu reisen: "Das Wichtige war, diesem Prozess zu helfen und ihn zu stärken. Wir sollte uns ein bisschen vom Wahlkampf lösen."
Mit Verve warb Franziskus außerdem für den interreligiösen Dialog. Es habe ihn berührt, dass der Groß-Imam von Mauritius einen "wunderschönen Blumenstrauß" in das Bischofshaus von Port-Louis geschickt habe. Menschliche Geschwisterlichkeit sei darin zum Ausdruck gekommen, und es handle sich dabei um Teil der "Basis": Ebenso müssten die Gesellschaften "um des Friedens willen" Geschwisterlichkeit, Zusammenleben und den Verzicht auf Glaubensabwerbung lernen.
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