Franziskus erneuert in Botschaft zur beginnenden Schöpfungszeit Kritik an weltweit fortschreitender Umweltzerstörung, Konsumgier und sozialer Ungerechtigkeit. "Pandemie hat uns an einen Scheideweg geführt". Appell zu Klimazielen und Schuldenerlass, Warnung vor "beispiellosem Artensterben".
Papst Franziskus hat die Menschheit angesichts der Corona-Krise zu einem Leben in "ursprünglicher Harmonie" mit der Schöpfung aufgerufen. Der heutige menschliche Lebensstil bringe die Erde an ihre Grenzen, warnt Franziskus in seiner Botschaft zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung (1. September 2020), die der Vatikan am Dienstag veröffentlichte. "Die Pandemie hat uns an einen Scheideweg geführt", so der Papst. Dieser "entscheidende Moment" müsse zur Umkehr genutzt werden.
Mit Blick auf den vor 50 Jahren erstmals begangenen Earth Day konstatiert das Kirchenoberhaupt: "Wir wissen, dass der Schrei der Erde und der Armen in den letzten Jahren noch lauter geworden ist." Um diese verheerende Entwicklung zu stoppen, sei es zwingend notwendig, "zerstörerische Aktivitäten und Ziele aufzugeben".
Der Papst erneuert in der Botschaft auch seine Kritik an weltweit fortschreitender Umweltzerstörung, Konsumgier und sozialer Ungerechtigkeit. "Die Wälder sterben, die Böden erodieren, die Felder verschwinden, die Wüsten breiten sich immer weiter aus, die Meere versauern und die Stürme werden immer intensiver: die Schöpfung stöhnt!", mahnt der Papst.
Die gegenwärtige Krise biete nun aber die Möglichkeit, neue Lebensweisen zu entwickeln. Schließlich hätten die vergangenen Monate gezeigt, wie sich die Erde erholen könne, wenn man sie zur Ruhe kommen lasse. "Wir müssen unsere Gewohnheiten in Sachen Energieverbrauch, Konsum, Transport und Ernährung auf den Prüfstand stellen", mahnt Franziskus. Entschieden wendet er sich gegen einen "ständigen Wachstumsdruck", der die Erde mit einem unaufhörlichen Kreislauf von Produktion und Konsum erschöpfe.
Stattdessen müsse die Menschheit auf die Stimme der Erde hören und an den ihr "eigentlich zukommenden Platz in der natürlichen Ordnung" zurückkehren. Gottes ursprünglicher Plan sehe vor, dass alle Brüder und Schwestern die Schöpfung in "freudiger Gemeinschaft" annehmen - nicht in ungeordnetem Wettstreit.
Zu diesem Zweck erhebt Franziskus konkrete politische Forderungen "im Sinne einer Wiedergutmachung": So wiederholt er seinen Appell, den schwächsten Ländern aufgrund der gravierenden Corona-Folgen ihre Schulden zu erlassen. Die Maßnahmen zur Förderung des wirtschaftlichen Aufschwungs seien auf der Basis des Gemeinwohls weltweit umzusetzen.
Der Papst geht in dem Schreiben auch auf verschiedene Klima- und Umweltschutzinitiativen ein, denen er seine Unterstützung zusichert. "Die Wiederherstellung eines ausgewogenen Klimas ist äußerst wichtig, da wir uns bereits mitten in einer Notsituation befinden", heißt es in seiner Botschaft. Es müsse "alles getan werden", um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. In Vorbereitung auf den Klimagipfel in Glasgow (COP 26) im Jahr 2021 lade er alle Länder ein, ehrgeizigere Ziele zur Reduzierung der Emissionen zu verabschieden.
Mit Nachdruck fordert das Kirchenoberhaupt auch eine "Wiederherstellung der Biodiversität" und kritisierte ein "beispielloses Artensterben". Er unterstütze daher den Appell der Vereinten Nationen, bis 2030 30 Prozent der Erde als geschützten Lebensraum zu bewahren. Der für nächstes Jahr geplante Biodiversitätsgipfel im chinesischen Kunming könne für die internationale Gemeinschaft zu einem "Wendepunkt" werden, so Franziskus. Er ruft alle Beteiligten auf, sich auf einen "Weg zur Wiederherstellung der Erde" zu begeben. Ziel sei es, sie gemäß dem Willen des Schöpfers wieder zu einer Heimat werden zu lassen, in der es Leben in Fülle gebe.
Franziskus hatte den Gebetstag für die Bewahrung der Schöpfung 2015 nach der Veröffentlichung seiner Umwelt-Enzyklika "Laudato si" für Katholiken ausgerufen. Er schloss sich damit einer Initiative des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel an, das den Gebetstag bereits 1989 ins Leben rief.
Die Wochen vom 1. September bis 4. Oktober werden von vielen christlichen Kirchen als "Zeit der Schöpfung" begangen. Beteiligt sind etwa der Lutherische Weltbund, der Ökumenische Rat der Kirchen, das "Global Catholic Climate Movement" und das Umweltnetzwerk der Anglikanischen Gemeinschaft. Der 4. Oktober ist der Festtag des heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226), der als Patron des Umweltschutzes verehrt wird.