Papst Franziskus hat sich einen herausfordernden Terminplan auferlegt: zehn Ansprachen in drei Tagen.
Papst Franziskus hat sich einen herausfordernden Terminplan auferlegt: zehn Ansprachen in drei Tagen.
In Budapest trifft er auf Viktor Orban, in der Slowakei auf ein von der Corona-Krise gespaltenes Land. Von Kathpress-Rom-Korrespondent Alexander Pitz.
Nein, die Reise des Papstes zum 52. Internationalen Eucharistischen Kongress in Budapest soll "kein Ungarn-Besuch" sein. Auf diese - etwas sonderbare - Feststellung legt Franziskus großen Wert. Zwischen den Zeilen gibt er damit seit Monaten zu verstehen: Eigentlich will er sich im Lande der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban nicht länger als nötig aufhalten.
Vor allem Orbans Flüchtlingspolitik entspricht so gar nicht dem "geschwisterlichen" Gesellschaftsbild des Kirchenoberhaupts. Während Ungarn Migranten aus der Ukraine ausdrücklich willkommen heißt, sollen muslimische Vertriebene aus Krisengebieten wie Syrien möglichst fernbleiben. Nicht nur deshalb werfen Kritiker der regierenden Fidesz-Partei vor, die Grundwerte der EU mit Füßen zu treten.
Der offizielle Reiseplan des Papstes für den 12. bis 15. September ist in diesem Zusammenhang auch ein politisches Statement: In der ungarischen Hauptstadt wird er aus Anlass der Abschlussmesse des Eucharistischen Kongresses nur wenige Stunden verbringen. Ein kurzes Händeschütteln mit Orban und Staatspräsident Janos Ader wurde eher widerwillig ins vatikanische Programm aufgenommen, um die ungarische Führung nicht vollends zu brüskieren.
Neben der Papstmesse auf dem Budapester Heldenplatz am 12. September geht sich für Franziskus noch eine Begegnung mit Vertretern anderer christlicher Konfessionen und der Jüdischen Gemeinde aus. Am selben Tag fliegt Franziskus schon zur Nachmittagszeit weiter in die Slowakei, wo er die restlichen Reisetage verbringen wird. Ungarns Bischöfe bemühen sich, das auffällige Missverhältnis herunterzuspielen. Der Budapester Erzbischof Kardinal Peter Erdö betonte kürzlich: "Die Gemeinschaft der katholischen Gläubigen erwartet die Ankunft des Heiligen Vaters mit großer Freude und Liebe." Ursache für die Unstimmigkeiten rund um den Papstbesuch sei lediglich "eine Verbreitung von Fehlinformationen und falschen Interpretationen in lokalen und internationalen Medien", hieß es in einer Mitteilung der Bischofskonferenz.
"Es wird halt sehr viel spekuliert", meint Bernhard Kollmann, österreichischer Priester und seit einigen Jahren der deutschsprachigen Auslandsgemeinde St. Elisabeth in Budapest, zu den Hintergründen des Kurzprogramms von Franziskus. Er selbst sehe das Ganze "ein bisschen entspannter", sagt er im Gespräch mit Kathpress. Der Papst sei nicht mehr der Jüngste, und es gelte eben zwischen ausdrücklich pastoralen Besuches und offiziellen politischen Visite zu unterscheiden. "Manche haben beide Schwerpunkte, manche eben nur einen."
Die Differenzen zwischen Regierungschef Orban und dem Nachfolger Petri sind freilich offensichtlich. Läge Letzterem der Eucharistische Kongress nicht derart am Herzen, würde es wohl überhaupt nicht zu dem geplanten Treffen kommen. Ziel der internationalen Veranstaltung ist es, das Verständnis und die Verehrung des Sakraments der Heiligen Eucharistie in der Orts- und Weltkirche zu fördern. Politische Erwägungen müssen da hintanstehen, so die Haltung des Papstes.
Schaden kann dies aus kirchlicher Sicht gewiss nicht. Im traditionell katholisch geprägten Ungarn schwindet der gesellschaftliche Einfluss der Kirche zusehends. Von den 9,7 Millionen Einwohnern bezeichnen sich nicht einmal mehr 40 Prozent als zugehörig. Die Zahl ging in den vergangenen Jahrzehnten rasant zurück.
Ähnliches gilt - in deutlich milderer Form - für die benachbarte Slowakei. Die Katholiken bilden in dem 5,5-Millionen-Einwohner-Staat mit einem Anteil von etwa zwei Dritteln immer noch eine klare Mehrheit.
Doch dort gibt es ebenfalls Probleme, die den Besuch aus Rom überschatten. Die Regierung von Ministerpräsident Eduard Heger ist wegen ihrer restriktiven Corona-Politik stark umstritten. Unlängst kam es vor dem Parlament zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und wütenden Demonstranten, die ihre Grundrechte einforderten. Nicht zuletzt die Kirche steht den vielfältigen Einschränkungen kritisch gegenüber. Zumindest für die Papstvisite hätte man sich mehr Freiheiten gewünscht.
"Es gab einen Streit darüber mit der Regierung", räumt Martin Kramara ein, Sprecher der Slowakischen Bischofskonferenz. Schließlich seien die Organisatoren vor die Wahl gestellt worden: Entweder alle Teilnehmer der Events mit Franziskus sind vollständig geimpft - oder die Gästezahl wird drastisch reduziert. Man habe der Impfvorschrift notgedrungen zugestimmt, so Kramara. Nun gestalte sich die Umsetzung der entsprechenden Registrierungen und Kontrollen schwierig. Hinzu kommt, dass die Impfbereitschaft in der Slowakei relativ gering ist. Vorbehalte und Skepsis sind weit verbreitet.
Umso wichtiger sei es, dass der Papst den verunsicherten Menschen wieder Halt gebe, meint der Sprecher der Bischöfe. Sie suchten jemanden, dem sie vertrauen könnten. Der oberste Repräsentant der katholischen Kirche verfüge über das notwendige Ansehen, um diese Lücke zu füllen.
Franziskus wäre nicht Franziskus, wenn er sich diese Chance entgehen ließe. Ein typisch "franziskanischer" Programmpunkt ist überdies sein Auftritt bei der Roma-Minderheit im ostslowakischen Kosice. Mit Spannung wird erwartet, welche Worte der 84-Jährige inmitten des berüchtigten sozialen Brennpunkts Lunik IX wählt, der am äußersten Rand der EU liegt. Ein weiterer Appell für mehr "Geschwisterlichkeit" - oder ein neuer Ansatz, um Europa ins Gewissen zu reden?
In jedem Fall hat sich der Papst einen herausfordernden Terminplan auferlegt: zehn Ansprachen in drei Tagen. Dabei wird sich auch zeigen, ob er seine Darm-Operation Anfang Juli wirklich gut verkraftet hat.