Überhaupt wirkt der Papst in Bratislava gelöst und auffallend gut gelaunt. Von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach seiner Darm-OP im Juli ist nichts zu spüren, sagt Kathpress-Korrespondent Alexander Pitz.
Überhaupt wirkt der Papst in Bratislava gelöst und auffallend gut gelaunt. Von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach seiner Darm-OP im Juli ist nichts zu spüren, sagt Kathpress-Korrespondent Alexander Pitz.
An seinem ersten vollen Besuchstag in der Slowakei fordert Franziskus die dortige Bevölkerung zu mehr Solidarität und Offenheit auf. Doch er vermittelt die Kritik charmanter als tags zuvor in Budapest. Von Kathpress-Korrespondent Alexander Pitz.
Ein Polizeihubschrauber kreist am Montagvormittag über dem Garten des Präsidentenpalais in Bratislava. Nach einigen Minuten dreht er langsam wieder ab - offenbar nichts Verdächtiges in Sicht. Der Rotorenlärm kündigt den nahenden Besuch eines besonderen Gastes an. Papst Franziskus hat sich bei seiner 34. Auslandsreise ins "Herz Europas" begeben. Nach einer Kurzvisite in Budapest am Sonntag stehen bis Mittwoch mehrere Auftritte in der Slowakei auf dem Programm. Einer davon am prunkvollen Amtssitz von Präsidentin Zuzana Caputova.
Bereits eine Stunde vor dem Termin hat sich in der Gartenanlage das Who-is-Who der slowakischen Gesellschaft versammelt: rund 250 einflussreiche Damen und Herren. Hochrangige Militärs, Künstler, Diplomaten scharen sich um akkurat ausgerichtete weiße Klappstuhlreihen. Mit dabei ist auch Olympiasieger und Volksheld Matej Toth, der 2016 in Rio die Goldmedaille im Gehen gewann.
"Der Papstbesuch ist für die Slowakei ein außerordentlich wichtiges Ereignis", sagt der 38-jährige Katholik. Die Pandemie habe die Bevölkerung gespalten. Viele Menschen seien verunsichert und stellten die herrschenden Corona-Restriktionen infrage. "Franziskus kann das Land wieder vereinen", meint der Sportler.
Tatsächlich werden die Worte des Papstes in Bratislava genau verfolgt. Trotz zunehmender Säkularisierungstendenzen bekennt sich immer noch eine klare Mehrheit der Slowaken zum katholischen Glauben. Das Kirchenoberhaupt nutzt seine Rede im Barockgarten für einen Solidaritätsappell. Das Konjunkturpaket der EU und ein erhoffter wirtschaftlicher Aufschwung reichten für einen Neuaufbau nach der Pandemie nicht aus. Die "Prüfung unserer Zeit" könne nur durch "Geschwisterlichkeit" bestanden werden. Der christliche Blick sehe "in den Hilflosen nicht eine Last oder ein Problem, sondern Brüder und Schwestern, die begleitet und behütet werden müssen".
Außerdem mahnt der 84-Jährige zu mehr Offenheit für Neues. Es nütze nichts, nur Vergangenes zu wiederholen. Stattdessen müsse man die "Ärmel hochkrempeln", um gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Die sozialliberale und europafreundliche Präsidentin Caputova nimmt die Anregungen dankend auf und würdigt Franziskus als "eine der aktuell größten moralischen und spirituellen Persönlichkeiten der Menschheit". Er wird das Lob gerne vernommen haben. Bei seinem Treffen mit der rechtsnationalen Staatsführung in Ungarn am Sonntag war das Klima weit weniger herzlich.
Überhaupt wirkt der Papst in Bratislava gelöst und auffallend gut gelaunt. Von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach seiner Darm-OP im Juli ist nichts zu spüren. In einer Ansprache vor Bischöfen, Priestern und Ordensleuten in der Martins-Kathedrale wählt er - ähnlich wie tags zuvor in Budapest - zwar auch kritische Worte. Aber er verpackt sie diesmal weitaus charmanter. Als er die slowakischen Kleriker zu mehr Kreativität auffordert, sorgt er mit humorvollen Einschüben mehrmals für Lacher im Publikum.
Ebenso heiter verläuft ein privater Zwischenstopp in einer von Mutter-Teresa-Schwestern geleiteten Sozialeinrichtung. Das "Zentrum Bethlehem" im Hochhausviertel Petrzalka ist eine Auffangstation für Obdachlose, Kranke, Behinderte. Als der Bischof von Rom im dunklen Skoda vorfährt, wird er von einer Vatikanfähnchen schwenkenden Menschenmenge begrüßt. Eine Kindermusikgruppe gibt ein Ständchen, während sich der prominente Gast mit den Bedürftigen unterhält.
Zum emotionalen Höhepunkt wird am späten Nachmittag eine Andacht mit der jüdischen Gemeinde Bratislavas. Am Ort der zerstörten Synagoge auf dem Fischplatz (Rybne namestie) verurteilt der Papst erneut "jede Form des Antisemitismus". Das Gotteshaus aus dem 19. Jahrhundert überstand den Zweiten Weltkrieg, wurde dann aber in den 1960er Jahren von den herrschenden Kommunisten abgerissen. Inzwischen erinnert an der Stelle ein Mahnmal an die im Holocaust ermordeten slowakischen Juden.
Er schäme sich für all die "unbeschreiblichen Akte der Unmenschlichkeit", sagte Franziskus vor der schwarzen Marmorwand, die symbolisch die Umrisse der früheren Synagoge spiegelt. Auf dem Fischplatz dürfe "dem Vergessen kein Platz" gemacht werden. Nur dann sei es möglich, "die Wunden aus der Vergangenheit zu heilen".