In Nikosia wirbt Franziskus zum Beginn seiner fünftägigen Reise nach Zypern und Griechenland erneut für die Mühen und Früchte des Dialogs. Er wird mit Lob überschüttet und bittet um eine geduldige Kirche, die sich mutig Veränderungen und Herausforderungen stellt. Von Kathpress-Korrespondent Roland Juchem.
Europas letzte geteilte Hauptstadt: Nikosia. Stacheldraht, Mauern und Pufferzone. Kein Todesstreifen wie damals zwischen Ost- und Westdeutschland. Auf Zypern kann vor allem Besucher aus Deutschland ein lang vergessenes Gefühl überkommen. "Wenn ich bedenke, dass ich ohne Franziskus' Vorvorgänger Johannes Paul II. wohl kaum mit dem Papst im Flieger säße ...", sagt ein Journalist am Donnerstag auf dem Flug von Rom nach Larnaka. Er ist in der DDR aufgewachsen und schüttelt bei diesem Gedanken ein wenig den Kopf.
Kurz zuvor hatte Papst Franziskus vor den mitreisenden Journalisten über seine 35. Auslandsreise gesagt: "Wir werden einige Wunden berühren." Wenige Stunden später, vor der versammelten Regierung der Republik Zypern, Diplomaten und Vertretern der Zivilgesellschaft, spricht er eine von ihnen an: "die Wunde, die dieses Land am meisten schmerzt"; ein "schrecklicher Riss, unter dem es in den vergangenen Jahrzehnten leidet".
Der Weg zum Frieden, der Konflikte heilt, sei der Dialog mit seiner "geduldigen und sanften Kraft". Kein leichter Weg, lang und kurvenreich; "aber es gibt keine Alternative, um Versöhnung zu erreichen", mahnt Franziskus. Er tut dies auf fast allen Stationen seiner Reise. Auch auf Zypern wirbt er somit für den Dialog und die Versöhnung und nennt als Beispiel die interreligiöse Initiative "Religious Track of the Cyprus Peace Project".
Sein Gastgeber, Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis, lobt den "Papst der Armen" und die vatikanische Diplomatie in höchsten Tönen als Vermittler, Moderator, Friedensstifter, Umweltschützer und Anwalt der Migranten und anderer Entrechteter. Die internationale Aufmerksamkeit nutzt er, um für die Sicht der griechischen Zyprer auf den Teilungskonflikt zu werben: Besetzung und Trennung von Familien, Vernachlässigung von Religionsstätten und Kulturgütern.
Das Loblied auf ihn und den Versuch kaum verdeckter Vereinnahmung durch Anastasiadis verfolgt der Papst mit aufmerksamem und kritischem Blick. Quasi parallel zur Rede von Anastasiadis lädt der türkisch-zyprische Führer Ersin Tatar den Papst über die Medien ein, auch den Norden zu besuchen. Zypern habe "zwei Völker", nicht nur die christlichen griechischen, sondern auch die muslimischen türkischen.
Der erste Programmpunkt des knapp zweitägigen Papstbesuchs auf der Insel gilt indes den katholischen Christen. Franziskus trifft sie in der maronitischen Kathedrale, unmittelbar an der Pufferzone gelegen, die die Insel seit 1974 teilt. Soldatinnen der UN-Friedenstruppen auf Zypern stehen vor dem Eingang. Drinnen warten gut 400 Geistliche, Ordensleute und Laien.
Das maronitische Kirchenoberhaupt, Patriarch Bechara Rai, begrüßt den Papst; zwei Ordensfrauen berichten über ihre Arbeit in der Schule und mit Migranten. "Wir brauchen eine Kirche, die sich von Veränderungen nicht erschüttern und stören lässt", so Franziskus, sondern die "das Neue gelassen aufnimmt und die Gegebenheiten im Licht des Evangeliums erwägt". Die Kirche in Zypern habe diese offenen Arme, lobt Franziskus: "Sie nimmt auf, integriert und begleitet."
Dies sei im Übrigen "eine wichtige Botschaft auch für die Kirche in ganz Europa, die von einer Glaubenskrise gezeichnet ist", so das Kirchenoberhaupt. "Es nützt nichts, impulsiv und aggressiv, nostalgisch oder klagend zu reagieren", mahnt er. Besser sei, "vorwärts zu gehen und die Zeichen der Zeit und auch die Zeichen der Krise zu lesen".
Dass Migration ein Top-Thema der fünftägigen Reise ist, macht Franziskus noch vor dem Abflug aus Rom klar. Bevor er zum Flughafen aufbricht, empfängt er im Vatikan noch Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern, die in den vergangenen Jahren aus Lesbos nach Italien kommen konnten. Unter ihnen sind einige der syrischen Flüchtlinge, die Franziskus 2016 von seinem ersten Besuch auf Lesbos zurück nach Rom nahm.
Auf dem Flug nach Larnaka erhält Franziskus zudem von einem französischen Journalisten eine Collage von Christen einer Gemeinde in Calais. Darauf stehen die Namen von Flüchtlingen, die jüngst im Ärmelkanal ertrunken sind. Auch das eine Wunde.