Die Fragen von Stefan Kronthaler beantwortete Thomas Söding. Er ist Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der Internationalen Theologischen Kommission im Vatikan.
Die Fragen von Stefan Kronthaler beantwortete Thomas Söding. Er ist Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der Internationalen Theologischen Kommission im Vatikan.
Der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding über das Wirken des Heiligen Geistes (des "echten Aktivpostens" der Kirche) in der Apostelgeschichte, die "vorbildliche" Einsetzung der Sieben und die Kommunikation beim sogenannten "Apostelkonzil", im Gespräch mit Stefan Kronthaler von der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag".
Warum ist die biblische Apostelgeschichte bis heute Beispiel für kirchliches Handeln und Leben?
Söding: Es war die große Idee des Evangelisten Lukas, die Geschichte Jesu weiterzuerzählen. Jesu Tod war ein Ende, aber auch ein Anfang: der Anfang der Kirche, der weltweiten Mission. Entscheidend ist: Der Glaube an die Auferstehung Jesu. Lukas beschreibt den Aufbruch der Kirche. Er sieht, wie die Weichen für die Zukunft gestellt worden sind, in erster Linie von Petrus und Paulus. In dieser Zukunft leben wir bis heute. Deshalb ist der Blick zurück ein Blick nach vorn: Glaubwürdig das Evangelium zu bezeugen, in Wort und Tat – das ist eine Möglichkeit, die in der Kraft des Geistes auch heute besteht.
Alle verkünden in der Apostelgeschichte mit "Freimut". Tun auch wir das genug?
Söding: Sicher nicht. Aber auch Lukas verschweigt nicht, wie schwer es den Aposteln gefallen ist, in die Öffentlichkeit zu gehen, und dass sie oft auf Desinteresse, auf Skepsis und offenen Widerspruch gestoßen sind. Doch er ist davon überzeugt, dass die Kirche einen echten Aktivposten hat: den Heiligen Geist. Der überwindet die Blockaden – in erster Linie bei denen, die das Evangelium zu verkünden haben. Die Apostel sind innerlich nicht frei genug, Gottes Wort zu verkünden. Aber sie können sich öffnen: wenn sie sich an Jesus erinnern.
Was lernen wir vom Agieren der Apostel, etwa bei der Wahl der Sieben oder beim sogenannten "Apostelkonzil"?
Söding: Bei aller Glaubensfreude gab es von Anfang an Konflikte, viel schwerere als heute. Aber es gab halt auch Lösungen. Mit der Einsetzung der Sieben (Apostelgeschichte, Kapitel 6) wird ein soziales Problem gelöst, die Versorgung der schutzlosen Witwen. Wie? Die Apostel haben ein Ohr für das Murren der Basis. Sie öffnen in der Kirche einen Raum der freien Diskussion. Sie fordern die Betroffenen auf, qualifizierte Menschen zu wählen. Und sie übertragen den Sieben, die später als die ersten Diakone gelten, unter Handauflegung und Gebet den kirchlichen Dienst. Ein solches Verfahren war ohne Vorbild; aber es ist vorbildlich, gerade heute. Ähnlich beim Apostelkonzil (Apostelgeschichte, Kapitel 15). Hier ging es um die Einheit der Kirche. Alle Beteiligten kommen zusammen. Alle, die etwas zu sagen haben, kommen zu Wort. Die Apostel entscheiden: nicht nach eigenem Gutdünken, sondern nach Anhörung aller Zeugen und nach dem Studium der Heiligen Schrift. Und sie bemühen sich um die Zustimmung aller Gemeinden, indem sie ihre Beschlüsse begründen und offen kommunizieren. Das ist ein ganz eigener, charakteristisch kirchlicher Entscheidungsprozess. Lukas meint: So sollte es immer laufen. Hat er etwa Unrecht?
Was lernen wir vom Schluss der Apostelgeschichte (u. a. vom Schiffbruch des Paulus) für unser heutiges Kirche-Sein?
Söding: Lukas zeigt, wie das Evangelium die Herzen der Menschen gewinnt. Aber er schlägt keine triumphalistischen Töne an. Zeichenhaft ist der Schiffbruch, den der Apostel vor Malta erleidet: Das Boot geht unter, aber alle Menschen werden gerettet. So über die Kirche zu denken, trauen sich nur wenige. Aber Gott hält seine Hand nicht nur über die Kirche. Das lässt hoffen.