Wortlaut der bei der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz bei Vollversammlung in Sarajewo verabschiedeten Erklärungen.
Gemeinsame Erklärung der Mitglieder der Österreichischen Bischofskonferenz und der Bischofskonferenz von Bosnien und Herzegowina:
Erstmals haben sich am 5. März 2018 in Sarajewo die Mitglieder der Österreichischen Bischofskonferenz und der Bischofskonferenz von Bosnien und Herzegowina versammelt, um damit die Gemeinschaft der Kirche in beiden Ländern zu bezeugen, die durch eine gemeinsame Geschichte und zahlreiche Ereignisse verbunden ist. Ort des Zusammentreffens ist jene Stadt, von der Papst Franziskus anlässlich seines Besuchs im Jahr 2015 gesagt hat, dass sie "zu Recht den Namen 'Europäisches Jerusalem' bekommen hat". Die Bischöfe von Bosnien und Herzegowina sind ihren österreichischen Mitbrüdern im Bischofsamt dafür dankbar, dass sie hierhergekommen sind, um gemeinsam zu beten, einander zu begegnen, sich kennenzulernen und auszutauschen sowie um Freud und Leid der Menschen und der Kirche in Bosnien und Herzegowina zu teilen.
Der Besuch der Bischöfe am "Sonntag der Solidarität", der in Kroatien und Bosnien-Herzegowina immer am dritten Fastensonntag begangen wird, ist ein bedeutsames Zeichen. Die Spenden an diesem Sonntag kommen dabei Hilfsbedürftigen zugute, die in Bosnien und Herzegowina geblieben sind und von den Folgen des Krieges noch immer betroffen sind. Mit ihrem Hierherkommen setzen die österreichischen Bischöfe ein bewusstes Zeichen, zumal seit vielen Jahren vor allem jungen Menschen das Land in Richtung Westeuropa verlassen, viele davon gehen auch nach Österreich.
Es ist ein erfreulicher Umstand, dass der Besuch der österreichischen Bischöfe im 100. Todesjahr des ersten Erzbischofs von Sarajewo (Vrhbosna), Josip Stadler, stattfindet. Gerade in der Zeit von Erzbischof Stadler wurden damals mit großer Unterstützung Österreichs in Bosnien-Herzegowina viele Kirchen gebaut und kirchliche Einrichtungen gegründet. Dies war eine große Hilfe für die kirchliche Mission in einem Land, in dem bis dahin fast ausschließlich der Franziskanerorden das kirchliche Leben aufrechterhalten hatte. Vor hundert Jahren erlebten Sarajewo und das Land eine Gründerzeit und zahlreiche Gebäude im Zentrum der Hauptstadt und in anderen Städten zeugen von den damals zahlreich errichteten staatlichen, kulturellen und anderen Institutionen.
Die Kirche und viele Menschen in Bosnien und Herzegowina haben nicht vergessen, dass zahlreiche karitative Einrichtungen aus Österreich, wie die Caritas oder Kirche in Not, sowie Aktionen wie "Nachbar in Not" und viele einzelne Menschen während des letzten Krieges angesichts der großen Not geholfen haben. Die Dankbarkeit dafür verbindet sich mit dem Dank für die geistlichen Geschenke, die aus der Verbindung der Kirche in beiden Ländern entsprungen sind. Unter ihnen ragen zwei aus Österreich stammende Selige besonders hervor, die in Bosnien und Herzegowina gewirkt haben: Sr. Berchmana Leidenix, die Märtyrerin des Drina-Flusses, die besonders in der Erziehung und im Schulwesen engagiert war, sowie Ivan Merz, der als Schutzpatron der Jugend verehrt wird.
Die österreichischen Bischöfe begeben sich durch das Abhalten ihrer Vollversammlung auf die Spuren der Päpste Johannes Paul II. sowie Franziskus, die Sarajewo als Boten des Friedens besucht haben und damit helfen wollten, die Wunden des Krieges und der Nachkriegszeit zu heilen. Der Besuch des österreichischen Episkopats ist zugleich ein Zeichen der Solidarität mit der Kirche in Bosnien und Herzegowina, die durch den Krieg in Jahren 1992 bis 1995 und in der Zeit danach viele Prüfungen zu ertragen hat. In vielen Teilen des Landes sind die Katholiken vom völligen Verschwinden bedroht. Mit ihrer Visite wollen die Bischöfe denen Mut machen, die geblieben sind, und ihnen Hoffnung für die Zukunft vermitteln. Beeindruckend ist das Wirken der Kirche in Bosnien-Herzegowina: Die zahlreichen kirchlichen Schulen, Bildungs- und Sozialeinrichtungen sind offen für alle Menschen unabhängig vom Religionsbekenntnis und somit ein hoffnungsvolles Zeugnis konkret gelebter christlicher Nächstenliebe.
Daher wollen die österreichischen Bischöfe auch weiterhin verschiedene Initiativen tragen, die den hier lebenden Gläubigen helfen sollen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen und gemeinsam mit anderen in guter Nachbarschaft zu leben. Die Bischöfe wollen auch Botschafter für die dramatische Situation der Katholiken in vielen Teilen des Landes sein und andere Bischofskonferenzen in Europa darauf aufmerksam machen. Die Besuche bei den höchsten politischen und religiösen Autoritäten des Landes sollen Nähe und Unterstützung für alle Menschen guten Willens in Bosnien und Herzegowina zum Ausdruck bringen.
Viele Menschen sind wegen des Krieges nach Österreich gekommen. Sie haben Schutz und Sicherheit gefunden und gleichzeitig das Land bereichert. Es ist für sie und für Bosnien-Herzegowina zu hoffen, dass viele von ihnen wieder eine Zukunft in ihrer ehemaligen Heimat sehen, zurückkehren und dabei helfen, das Land wieder aufzubauen und zu bereichern.
Bosnien und Herzegowina ist noch immer nicht zu einem vollen und gerechten Frieden gekommen. Immer noch gibt es Spannungen und Misstrauen im Land, die das Zusammenleben gefährden. Daher appellieren die Bischöfe aus Österreich gemeinsam mit den Bischöfen aus Bosnien und Herzegowina an alle Verantwortungsträger im Land und auf internationaler Ebene, sich für den Aufbau eines gerechten Friedens einzusetzen. Unabdingbar dafür sind der Respekt der Menschenwürde und aller Rechte und Freiheiten für alle Angehörige der drei in Bosnien-Herzegowina lebenden Völker. Es darf in diesem Land keine "Bürger zweiter Klasse" und Mechanismen der systematischen Benachteiligung geben. Die Bischöfe beider Länder unterstützen Bosnien und Herzegowina auf dem Weg der europäischen Integration. Bosnien und Herzegowina war und ist durch seine Geschichte und sein reiches kulturelles Erbe ein Teil Europas.
Vor 100 Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende. Millionen Menschen mussten ihr Leben lassen. Das Erinnern an diese Katastrophe und das massenhafte Leid soll Christen und alle Menschen guten Willens darin bestärken, sich für ein friedliches Zusammenleben einzusetzen. Wir bekennen Jesus Christus als Fürst des Friedens und beten zu ihm. In diesem Glauben ermutigen wir alle Menschen, sich auf dem Weg des Friedens und des Guten zu vereinen. Das ist der Weg Gottes, der einzige wahre Weg jedes Menschen, jeder Gesellschaft und jedes Staates.
Erinnern und Gedenken sind zutiefst christlich und zeichnen jede humane Kultur aus. Getragen von der Suche nach Wahrheit, reinigen sie das Gedächtnis, nehmen das Leid der Opfer in Blick, machen dankbar für das bleibend Gute und ermöglichen so Gerechtigkeit, Versöhnung und ein Lernen aus der Geschichte.
Österreich gedenkt in diesem Jahr wichtiger Ereignisse der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart wirkmächtig sind und deren Lehren für das künftige Zusammenleben in Frieden bedeutsam bleiben. Im Zentrum des Erinnerns stehen zwei folgenschwere Wendepunkte in der Geschichte unseres Landes, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Brachte 1918 für Österreich das Kriegsende und die Errichtung von Republik und Demokratie, so markierte 1938 das Verschwinden Österreichs von der Landkarte und den Beginn einer beispiellosen Gewaltherrschaft, die Abermillionen zu Opfern des Krieges und der Shoah machte.
Es ist ein bleibendes Verdienst der politisch Verantwortlichen vor hundert Jahren, dass in Österreich über unterschiedliche Parteien und gesellschaftliche Kräfte hinweg ein friedlicher Wechsel der Staatsform und die Errichtung einer demokratischen Republik möglich wurden. Die katholische Kirche, die über Jahrhunderte mit dem Herrscherhaus verbunden war, erwies sich damals als eine Kraft, die den friedlichen Wandel und den neuen Staat unterstützte. Noch am Tag der Ausrufung der Ersten Republik wandte sich der Wiener Erzbischof, Kardinal Friedrich Gustav Piffl, am 12. November 1918 mit klaren Worten an den Seelsorgeklerus. Diese sollten die Gläubigen über die Situation aufklären "und zur unbedingten Treue gegenüber dem nunmehr rechtmäßigen Staate ermahnen". Zwei Monate später, am 23. Jänner 1919, richteten sich dann alle katholischen Bischöfe des Landes in einem Hirtenwort anlässlich der bevorstehenden Wahl der Konstituierenden Nationalversammlung an die Gläubigen. Die Bischöfe bekräftigen darin die neue politische Ordnung, den Wert der Demokratie und die Pflicht zur Ausübung des Wahlrechts. Zu den bleibenden Errungenschaften der damaligen Zeit zählen bahnbrechende Sozialgesetze und die Bundesverfassung, die in weiten Teilen bis heute den rechtlichen Rahmen in Österreich bildet.
Das gemeinsam Erreichte war für die konkurrierenden politischen Kräfte aber tragischerweise zu wenig, um die ideologischen Unterschiede sowie das wechselseitige Misstrauen überwinden zu können. Immer stärker polarisierte ein zunehmend gewaltbereites Lagerdenken das politische und gesellschaftliche Leben.
Durch die enge Verbindung mit dem politischen Katholizismus war die Kirche selbst Teil der Auseinandersetzungen und zu wenig in der Lage, glaubwürdig für alle das Evangelium zu bezeugen und Brücken zwischen den rivalisierenden Parteiungen zu bauen. Österreich verlor zusehends das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie. Ihr Ende im März 1933 und die Februarkämpfe 1934 markierten die unheilvolle Konfrontation zwischen Christlichsozialen und Sozialisten, die beide Lager in der Abwehr des Nationalsozialismus schwächte. Der blutige NS-Putschversuch im Juli 1934 war ein Vorzeichen für das, was vier Jahre später voll zum Ausbruch kommen sollte.
Bereits im Jänner 1938 träumte der Selige Franz Jägerstätter (+9.8.1943) von einem Eisenbahnzug, in den viele Erwachsene und sogar die Kinder strömten. Da hörte er eine Stimme: "Dieser Zug fährt in die Hölle." Er deutete diesen Traum auf den hereinbrechenden Nationalsozialismus. Durch diesen Traum sah er sich vor die Entscheidung gestellt: entweder Nationalsozialist oder Katholik; entweder mitlaufen oder Widerstand leisten.
Diese Entscheidung wurde nur allzu bald, im März 1938, für viele zur tragischen Realität. Österreich wurde als Staat von der Landkarte gelöscht. Während viele jubelten und den "Anschluss" an Deutschland begrüßten, weil sie Österreich für nicht lebensfähig hielten, weinten viele andere und waren von Furcht gepackt: Sehr viele waren verunsichert und orientierungslos. 80 Jahre danach erinnern wir uns der dramatischen Ereignissen dieses März 1938 und gedenken vor allem der Opfer, die in Folge der nationalsozialistischen Machtübernahme gedemütigt, vertrieben, verfolgt, eingekerkert, verschleppt und ermordet wurden. Wir schauen aber auch auf die Orientierungslosen, die Mitläufer und die Täter und gedenken dankbar all jener, die sich in der damaligen Zeit als "Gerechte" erwiesen und die sich nicht vom Sog dieser unmenschlichen und verbrecherischen Ideologie mitreißen ließen.
Die absurde Ideologie des Nationalsozialismus, der so viele verfielen, kam nicht von ungefähr: Sie baute auf einem falschen, damals weit verbreiteten Welt- und Menschenbild auf, das rassistische, antisemitische, nationalistische und völkische Parolen an die Stelle der Überzeugung von der gleichen Würde aller Menschen auf Grund ihrer Gottebenbildlichkeit gesetzt hatte. An der Wurzel von Terror und Barbarei stand die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod. Hass und Verachtung gegenüber Juden, Behinderten, Sinti und Roma, Homosexuellen, Andersdenkenden und vielen "anderen" sollten Millionen zum Todesurteil werden.
Die österreichischen Bischöfe von damals haben - wie auch Politiker, Künstler und Wissenschaftler - nach der Besetzung Österreichs diese katastrophalen und menschenverachtenden Konsequenzen nicht deutlich genug erkannt oder benannt. Auch heute schmerzt noch, dass damals, im März 1938, und in den sieben düsteren Jahren danach, die Christen - auch und gerade die Bischöfe - nicht stärker der Macht des Hasses, der Unmenschlichkeit und der Diktatur entgegengetreten sind.
Die Erinnerung an den März 1938 und das unvorstellbare Leid des jüdischen Volkes ist für Christen verbunden mit dem schmerzlichen Eingedenken in die eigenen Verstrickungen und die damit verbundenen Schuldzusammenhänge des Antisemitismus. Ein jahrhundertelang religiös verbrämter Antijudaismus hatte zur Folge, dass Christen insgesamt einem national und rassisch begründeten Antisemitismus nicht entschieden genug widerstanden. Das Bewusstsein der Glaubenssolidarität der Christen mit den Juden war noch nicht oder viel zu wenig vorhanden. Und es gab zu wenige, viel zu wenige Gerechte. Traurig und beschämt haben wir erkannt, dass mit der Zerstörung der Synagogen und der Shoah unschuldige und wehrlose Menschen getötet und der Name des Ewigen geschändet wurde.
Und doch gab es inmitten dieser Dunkelheit auch den Widerstand: Priester und Laien, Männer und Frauen, hatten als Einzelne die Kraft, dem Ruf ihres Gewissens zu folgen und mussten dafür ihr Leben lassen. Unter ihnen sei an Sr. Restituta Kafka, Pfarrer Otto Neururer, P. Jakob Gapp, Provikar Carl Lampert und an Franz Jägerstätter erinnert, die als Märtyrer verehrt werden. Nicht vergessen werden dürfen all jene, die allein durch eine erkennbare und bewusste christliche Lebensführung aneckten und persönliche Konsequenzen fürchten mussten. Ihr aller Lebenszeugnis ist ein "Stachel im Fleisch" und soll Ermutigung sein, die Erinnerung an jene Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten, die in der Nachkriegszeit auch in der Kirche oft recht schnell vergessen wurden.
Angesichts des unfassbaren Leids fragen wir uns, warum Gott so etwas zugelassen hat: "Wo warst Du, Gott? Wo warst Du, als Frauen und Kinder, alte und junge Leute ermordet und in die Todeskammern geschickt wurden?" Letztlich richtet sich diese Frage an uns selbst: "Wo war der Mensch - und wo die Menschlichkeit -, als unseren Brüdern und Schwestern so Furchtbares zugefügt wurde?" Genau so stellt sich uns heute die Frage: "Wo bin ich, wenn vor meinen Augen großes Unrecht geschieht, wenn Ausgrenzung, Entsolidarisierung und Hass ihren Lauf nehmen?"
"Wo bist du?" (Gen 3,9) - das ist die Urfrage Gottes an den Menschen und an seine Gleichgültigkeit. Als Gott in dieser biblischen Erzählung Kain nach seinem Bruder Abel fragte, entgegnete Kain: "Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?" (Gen 4,9) Die Botschaft der jüdischen und der christlichen Bibel mutet uns zu, dass wir einander aufgetragen sind, einander Patron sind, füreinander sorgen, Verantwortung tragen, einander Hüter und Hirten sind. Das Gedenken an jene, die sich nicht der Gleichgültigkeit oder dem Mitläufertum ergaben und für ihre Mitmenschen eintraten, eröffnet aber auch Hoffnung. Sie soll uns darin bestärken, allen Formen der Ausgrenzung, des Antisemitismus und jeglichen Bedrohungen der Menschenwürde couragiert entgegenzutreten.
Der Blick zurück zeigt auch, dass Läuterung und Lernen aus der Geschichte möglich und notwendig sind. Statt auf Rache und Misstrauen, setzten die politischen Verantwortlichen nach 1945 auf Recht und Kooperation. "Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft" wurde zum Leitwort für das breite Wirken der katholischen Kirche in Österreich. Die Sozialpartnerschaft und der unbedingte Wille zum friedlichen Ausgleich unterschiedlicher Interessen sollten zum Markenzeichen Österreichs und seiner Erfolgsgeschichte in der Nachkriegszeit werden. Fundament dafür war und ist eine demokratische Ordnung auf Basis der Menschenrechte, wie sie 1948 von den Vereinten Nationen verbrieft und später in Form der Europäischen Menschenrechtskonvention in der österreichischen Verfassung verankert wurde. Als Antwort auf die zerstörerischen Kräfte eines überzogenen Nationalismus versteht sich die Europäische Union, der Österreich seit 1995 als aktives Mitglied angehört. Ihre Mission ist und soll der Friede sein, auf diesem Kontinent und weltweit.
Es wäre viel für die Zukunft gelungen, wenn in diesem Gedenkjahr der mühsam errungene Wert von Menschenrechten, Demokratie und Gemeinwohl wieder so bewusst wird, dass der Einsatz dafür angesichts immer wieder vorhandener Gefährdungen stärker ist und bleibt. Es gilt das Wort des KZ-Überlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel: "Erinnerung ist Hoffnung und Hoffnung ist Erinnerung."
Sarajewo, die geschichtsträchtige Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, ist ein herausforderndes und zugleich mahnendes Beispiel für die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs in einer Welt, die immer mehr von Freiheit und Pluralität geprägt ist. Diese Stadt gilt einerseits als ein Modell für ein über Jahrhunderte lang gelungenes, tolerantes, wenn auch nicht immer konfliktfreies Zusammenleben zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen: Juden, Christen und Muslime. Andererseits hat der Krieg von 1992-1995 mit seinen Tausenden Toten dieselbe Stadt zum Mahnmal von Zerstörung gemacht. Religiöse Ab- und Ausgrenzungen sowie deren politische Instrumentalisierung im Krieg belasten bis in unsere Tage das Zusammenleben und müssen erst mühsam wieder überwunden werden.
Diese Erfahrung mitten in Europa macht deutlich, dass es zum interreligiösen Dialog keine Alternative gibt. Multireligiöses Zusammenleben in Gerechtigkeit und Toleranz, Freiheit und Verantwortung sind ein bleibender Auftrag für alle Staaten und Religionsgemeinschaften. Österreich bringt in diesen Dialog gute Voraussetzungen aus der eigenen Vergangenheit mit, wo bereits seit 1912 der Islam eine staatlich anerkannte Religionsgesellschaft und somit den christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt ist. Die vorbildliche religionsrechtliche Ordnung in Österreich ist der Rahmen für einen interreligiösen Dialog, der sich auf allen Ebenen der Gesellschaft vollziehen und im Alltag der Menschen bewähren muss. Für sein Gelingen kommt es auf das Beispiel von religiösen Amtsträgern an, und die Bischöfe wissen um ihre Verantwortung dafür: Ziel ist das friedliche Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher religiöser Überzeugungen.
Papst Franziskus hat im vergangenen Herbst bei seinem Besuch in Dhaka/Bangladesch betont, dass der interreligiöse Dialog weit mehr als ein bloßer Meinungsaustausch ist: Er ist gelebte Erfahrung und Lebensdialog. Als solcher ist er mitunter ein schwieriges Unterfangen und verlangt viel Geduld. Maßgeblich dabei bleibt die Konzilserklärung "Nostra aetate" und die dortige Feststellung, dass die katholische Kirche nichts von alldem ablehnt, "was in diesen (nicht-christlichen) Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet."
Dazu gehört der Versuch, den anderen selbst dann zu verstehen, ohne ihn abzuwerten, wenn uns sein Glaube und sein Selbstverständnis gänzlich fremd erscheinen. Der christliche Glaube lehrt uns, im anderen nicht den Fremden oder gar den Feind zu sehen, sondern den Menschen - genauso als Abbild und Ebenbild Gottes geschaffen wie wir selbst. So birgt der interreligiöse Dialog die Chance in sich, im anderen auch sich selbst wieder zu entdecken und ein tieferes Verstehen zu entwickeln. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist ein reflektierter Glaube, der überzeugend gelebt wird. Christen verbindet mit Gläubigen anderer Religionen und Nicht-Glaubenden die dialogische Suche nach Wahrheit. Sie kann nur gefunden werden, wenn dabei volle Gewissens- und Religionsfreiheit gewahrt bleiben.
"Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung" - unter diesem Thema findet vom 3. bis 28. Oktober 2018 die nächste Bischofssynode statt, und sie nimmt Leben und Glauben von jungen Menschen weltweit in den Blick. Von den rund 8,8 Millionen Einwohnern in Österreich gehören knapp 1,6 Millionen Menschen und somit an die 18 Prozent in die Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen, deren Anliegen, Sehnsüchte und Sorgen im Zentrum der weltkirchlichen Aufmerksamkeit stehen werden. So wie bereits bei der erstmals von der Kirche durchgeführten globalen Online-Befragung werden die Jugendlichen bei der in zwei Wochen in Rom stattfindenden Vorsynode zuallererst selbst zu Wort kommen. Darauf zu achten ist die erste und grundlegende Aufgabe einer hörenden Kirche.
Die Synode will sich damit befassen, welche Kriterien Jugendlichen in die Hand gegeben werden sollen, um christlich verantwortete Lebensentscheidungen zu treffen. Welcher Beruf soll ergriffen werden? Wofür will ich leben und mit wem möchte ich mein Leben verbringen? Wie treffe ich Entscheidungen in einem guten Geist und wer kann dabei begleiten? Diese Fragen beschreiben eine grundsätzliche Herausforderung, vor der junge Menschen unausweichlich stehen, und die die Synode mit dem Begriff "Berufungsunterscheidung" thematisiert.
Was junge Menschen glauben und erhoffen, ist für deren Zukunft genauso wichtig wie für die Kirche und ihren Dienst an den Menschen. Der Pluralität und Vielfalt von Milieus und Lebensstilen entsprechen die unterschiedlichen Erwartungen und Anliegen von Jugendlichen an die Synode. Diese Buntheit ist auch in Österreich zu sehen, und dennoch gibt es Themen, die ein Großteil der jungen Menschen im Blick auf Kirche zu Recht erwarten: Unterstützung bei der Lebensbewältigung, Mitsprache und Mitverantwortung, lebensnahe und zeitgemäße Orientierung und Begleitung, Gemeinschaft und Engagement, Offenheit und Experimentierfreudigkeit, aber auch Authentizität und Spiritualität zählen dazu. Jugendliche, die in der Kirche beheimatet sind, erwarten sich überwiegend von ihr Erneuerung, Reform, einen befreienden und lebensbejahenden Glauben, aber auch Klarheit, Wegweisung und den Einsatz für Arme, Ausgegrenzte und die bedrohte Schöpfung.
Weil diese vielfältigen persönlichen Erwartungen gemeinschaftlich erlebt und konkret umgesetzt sein wollen, gibt es in der katholischen Kirche viele unterschiedliche Formen institutionalisierter Jugendarbeit. Diese Vielfalt ist eine Stärke, und sie soll auf dem Weg zur Jugendsynode exemplarisch erlebbar werden. Das Projekt dazu trägt den Titel "Jesus in the City". Es findet von 7. bis 10. Juni statt und will mit Wr. Neustadt einige Tage eine ganze Stadt verwandeln und die Atmosphäre eines Weltjugendtages im Kleinen erlebbar machen. Auf Initiative von Jugendbischof Stephan Turnovszky, der die Österreichische Bischofskonferenz bei der Synode im Vatikan vertreten wird, zeichnen die Katholische Jugend Österreich und die Jugend-Koordinierungsstelle JAKOB in Kooperation mit Missio Österreich für die Veranstaltung verantwortlich, zu der die Bischöfe junge Menschen aus ganz Österreich einladen. Erklärtes Ziele ist es, ein Fest des Glaubens zu feiern, das Mission und Soziales so verbindet, dass sich Jugendliche im Glauben berühren und begeistern lassen, damit sie die Welt verwandeln können. Dem entspricht auch das Programm, das neben dem Gebet zur Vertiefung des Glaubens und Missionseinsätzen eine bewusste Option für die Armen, wie ein Gratis-Festmahl am Domplatz und Krankenbesuche vorsieht. Weitere Informationen dazu bietet die Internetseite www.jesusinthecity.at.