In Österreich seit 2010 zahlreiche Maßnahmen im Kampf gegen Missbrauch und Gewalt ergriffen.
In Österreich seit 2010 zahlreiche Maßnahmen im Kampf gegen Missbrauch und Gewalt ergriffen.
Bischofskonferenz in Erklärung zum Antimissbrauchs-Gipfel im Vatikan: Auf weltkirchlicher Ebene wurde "Bewusstsein für Missbrauchsproblematik weiter geschärft", jetzt sollen Konkretisierungen folgen. "Kulturwandel im Umgang mit geistlicher Autorität" ist in Kirche "unabdingbar". In Österreich seit 2010 zahlreiche Maßnahmen im Kampf gegen Missbrauch und Gewalt ergriffen. Laut Statistik betreffen 31 Prozent der rund 2.000 anerkannten Fälle sexuellen Missbrauch, beim Rest der meist verjährten Fälle ging es um Gewalt zumeist in Heimen.
Der Kinderschutzgipfel, zu dem Papst Franziskus die Spitzen der Bischofskonferenzen und Ordensgemeinschaften Ende Februar in Rom versammelte, hat "auf weltkirchlicher Ebene das Bewusstsein für die Missbrauchsproblematik weiter geschärft". Dabei soll es laut den österreichischen Bischöfen aber nicht bleiben: "Konkrete Maßnahmen auf Grundlage der schon bestehenden kirchenrechtlichen Normen gegen sexuellen Missbrauch sollen folgen und sind nötig", hält die Bischofskonferenz in einer Erklärung vom Freitag im Anschluss an ihre Frühjahrsvollversammlung in Reichenau an der Rax fest. Als schon beim Gipfel in Rom geltende Grundprinzipien der Kirche beim Umgang mit sexuellem Missbrauch und Gewalt in den eigenen Reihen nennen die Bischöfe "Verantwortung, Transparenz, Rechenschaft und Prävention".
Beim Kinderschutzgipfel im Vatikan sei überdies klar geworden, "dass in der Kirche ein Kulturwandel im Umgang mit geistlicher Autorität unabdingbar ist". Die österreichischen Bischöfe bekunden ihre Unterstützung für Papst Franziskus in seinem Bemühen um diesen grundlegenden Wandel - der Papst hat zuletzt mehrmals das "Übel des Klerikalismus" als Nährboden für Machtmissbrauch in der Kirche verurteilt - und in der Durchsetzung weltkirchlicher Standards im Kampf gegen Missbrauch.
Zugleich verweisen die Bischöfe auf zahlreiche Maßnahmen, die die katholische Kirche in Österreich seit der 2010 von Deutschland ausgehenden Missbrauchsdebatte bereits ergriffen habe. Dazu legten sie einen eigenen, sieben Seiten umfassenden Bericht vor (abrufbar auf der Website www.ombudsstellen.at; Direktlink: https://bit.ly/2FjCqJo), in dem als ein wesentlicher Anstoß dazu die bereits 1995 und 1998 gegen Kardinal Hans Hermann Groer publik gewordenen Missbrauchsvorwürfen genannt werden. In der Folge wurden kirchliche Ombudsstellen in allen Diözesen eingerichtet, die von unabhängigen Fachleuten geleitet werden; Kardinal Christoph Schönborn feierte im März 2010 gemeinsam mit Missbrauchsbetroffenen einen viel beachteten Bußgottesdienst im Stephansdom; im Monat darauf kam es zur Bildung einer Unabhängigen Opferschutzkommission ("Klasnic-Kommission") mit anerkannten Experten und einer "Stiftung Opferschutz" zur Umsetzung deren Empfehlungen bezüglich Finanzhilfen und Therapie. Im Juni 2010 beschloss die Bischofskonferenz eine für alle kirchlichen Mitarbeiter verbindliche Rahmenordnung unter dem Titel "Die Wahrheit wird euch frei machen".
Die darin verankerten, 2016 novellierten Richtlinien "haben sich bewährt und haben im internationalen Vergleich Vorbildwirkung", so die Bischöfe jetzt im Rückblick.
Um deren konsequente Einhaltung und Weiterentwicklung sicherzustellen, konstituierte die Bischofskonferenz am 9. März 2019 einen Beirat unter dem Vorsitz von Bischof Benno Elbs. Darin mitarbeitende Fachleute wie der renommierte Gerichtspsychiater Prof. Reinhard Haller sollen "eine allgemeine Haltung des bewussten Hinschauens stärken, damit jedem Verdachtsfall konsequent nachgegangen wird", heißt es in der Erklärung der Bischöfe.
All diese Maßnahmen "machen das Leid jener nicht ungeschehen, die durch die Kirche und ihre Verantwortungsträger Schutz und Fürsorge gebraucht hätten, aber das Gegenteil erfahren haben", sind sich die Bischöfe bewusst. Sie versichern: "Es darf nie mehr passieren, dass das Ansehen der Institution über die Leiden der Opfer gestellt wird, dass Täter lediglich versetzt und Verbrechen vertuscht werden." Darauf hätten sich alle kirchlichen Amtsträger in Österreich verpflichtet "und davon darf nicht abgewichen werden".
Gewalt gegen Minderjährige und sexueller Missbrauch sind laut den Bischöfen eine "leidvolle Realität vor allem im privaten Umfeld und in der ganzen Gesellschaft". Als Ziel erachtet die Bischofskonferenz daher eine breite gesellschaftliche Allianz, "um das nach wie vor verbreitete Tabu darüber aufzubrechen und Kinder noch besser zu schützen".
Der Bericht der Bischofskonferenz mit dem Titel "Maßnahmen der Katholischen Kirche in Österreich gegen Missbrauch und Gewalt" umfasst auch eine Statistik über die bisher 2.193 von der Opferschutzanwaltschaft behandelten Fälle. Nur in 171 davon wurden weder Finanzhilfe noch Therapie zuerkannt, in zwei Drittel der Fälle beides. 180 Fälle sind derzeit in Bearbeitung. Den Betroffenen wurden bisher insgesamt 27,8 Millionen Euro zuerkannt, davon 22,1 Millionen als Finanzhilfen und 5,7 Millionen für Therapien.
Bei 31 Prozent aller Vorfälle handelte es sich laut Angaben der Bischofskonferenz um sexuellen Missbrauch, bei allen anderen um körperliche Gewalt. Die meisten Übergriffe seien rechtlich verjährt und erfolgten hauptsächlich in den 1960er Jahren (37,1 Prozent) und 1970er Jahren (30,8 Prozent). 14,4 Prozent der Vorfälle hätten sich in den 1950er Jahren oder früher ereignet. Lediglich 0,8 Prozent der Fälle betreffen den Zeitraum seit 2000, heißt es in dem Bericht.
Eine Auswertung der kirchlichen "Stiftung Opferschutz" habe gezeigt, dass sich viele Übergriffe in den von der Kirche im staatlichen Auftrag geführten Kinderheimen und Heimen für schwer erziehbare Jugendliche ereigneten. Die Schließung dieser Heime sei ein wichtiger Grund, weshalb die Fälle seit den 1980er-Jahren deutlich zurückgingen. Zur kirchliche Vorgangsweise bei der Zuerkennung von finanzieller Hilfe bzw. Therapie erläuterten die Bischöfe, damit werde "ermöglicht, dass Betroffene - auch im Falle der Verjährung - unbürokratisch Hilfe erhalten, ohne den Rechtsweg beschreiten zu müssen, der ihnen weiterhin offensteht".