"Die Fenster mag ich und ich bin froh, dass wir hier sind, wenn die Sonne scheint, weil die Fenster bestimmt jetzt besonders schön leuchten. Schau mal, die machen auch noch ein Muster auf den Boden.“
"Die Fenster mag ich und ich bin froh, dass wir hier sind, wenn die Sonne scheint, weil die Fenster bestimmt jetzt besonders schön leuchten. Schau mal, die machen auch noch ein Muster auf den Boden.“
Redakteurin Andrea Harringer ist zurzeit mit ihrem neunjährigen Sohn unterwegs in unserer Erzdiözese, um diese aus unverfälschter Kindersicht wahrzunehmen. Diese Woche besuchen sie die Ruprechtskirche im 1. Bezirk von Wien.
Es ist etwa 11.30 Uhr, als ich mit meinem Sohn an diesem Samstag bei der Ruprechtskirche ankomme. Unser Weg hat uns über die Rotenturmstraße, den Hohen Markt und die Judengasse geführt.
„Die Kirche hat aber einen kleinen Eingang“, sagt mein Sohn und geht hinein – vorsichtig, als würde er eine Schatzkiste betreten. „Warum gehst du denn so langsam?“, frage ich, die eigentlich einen kleinen Wirbelwind gewohnt ist, der ungern Dinge langsam angeht. „Na, damit ich nichts verpasse“, lacht mein Sohn, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Wir haben die Kirche kaum betreten, da werden wir mit einem freundlichen „Willkommen“ begrüßt. „Das ist aber nett, wenn jemand beim Kircheneingang ‚Willkommen‘ sagt“, ist mein Sohn beeindruckt. Ja, da hat er recht – nett und recht ungewöhnlich. „Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden“, sagt der nette Mann, der sich uns als „Kirchenaufseher Hannes Ziegler“ vorstellt.
„Zum Glück können wir seit eineinhalb Jahren durch unsere Kirchenaufsicht die Kirche länger offen halten“, wird mir ein paar Tage später der Rektor der Ruprechtskirche, Hans Brandl SJ, erzählen: „In den bis zu sieben Stunden Öffnungszeiten kommen dann bis über 400 Besucherinnen und Besucher in die Kirche.“
Besuch, der auch den Kirchenrektor freut: „St. Ruprecht ist eine Kirche, die sehr gern besucht wird! Ich merke das an den häufigen Klagen, dass die Kirche meistens geschlossen sei. Ich merke es aber auch, wenn ich in die Kirche gehe, nur fünf Minuten die Tür offen lasse, und dann gleich Besucher kommen.“
Mein Sohn und ich sind an diesem Samstag auf alle Fälle auch nicht die einzigen. Andächtig schauen wir uns um. „Die Kirche erinnert mich fast ein bisschen an eine Burg“, sagt mein Sohn.
Ich verstehe, was er meint: Die ältesten, bis heute erhaltenen Mauern, jene des Hauptschiffs mit der Empore, gehen auf das frühe 12. Jahrhundert zurück. Nach einem verheerenden Großbrand in Wien im Jahre 1276 wurde ein Großteil der Kirche gotisiert. Im 14. Jahrhundert wurde die Kirche vergrößert: Die südliche Außenwand wurde durchbrochen und um das Seitenschiff mit gotischem Kreuzrippengewölbe erweitert.
Bei der Renovierung Ende des 20. Jahrhunderts ging es darum, die Bausubstanz zu sichern und den Innenraum für eine zeitgemäße Liturgie zu adaptieren. „Die Atmosphäre der Kirche ist für mich geprägt durch ihre ursprüngliche Schlichtheit“, sagt Rektor P. Brandl über „seine“ Kirche.
Die verschiedenen Epochen, die die Kirche bereits überstanden hat, hätten alle ihre Spuren hinterlassen. „Das Uralte und das Zeitgenössische vertragen sich meines Erachtens sehr gut.“
Und es gibt ein Stück in der Kirche, das ihm besonders ans Herz gewachsen ist: „Die 500 Jahre alte Madonnenstatue, die eine recht ungewöhnliche Darstellung der Mutter Gottes zeigt: Das Jesuskind hat das Köpfchen ganz auf die Brust der Mutter gelegt und hält sich mit seinen Ärmchen an ihren Haaren fest. Dadurch entsteht eine Kreuzform, die freilich eine theologische Aussage ist. Die schlichte Schönheit dieser Maria strahlt eine feine menschliche Nähe aus.“ „Schau Mama, bei der Statue kuschelt Jesus ja richtig mit seiner Mama“ – das ist es, was mein Sohn sieht.
Was ihm sonst noch auffällt? „Das Kreuz gefällt mir – wie es so zwischen Boden und Decke schwebt“, sagt er: „Da hab ich fast das Gefühl, Jesus ist schon auf dem Weg in den Himmel.“ Das Kruzifix hängt seit 1765 hier in der Kirche, erfahren wir, ist also barock.
Und sonst? „Die Fenster mag ich und ich bin froh, dass wir hier sind, wenn die Sonne scheint, weil die Fenster bestimmt jetzt besonders schön leuchten. Schau mal, die machen auch noch ein Muster auf den Boden.“ Er hat recht: Die Fenster der Ruprechtskirche sind wunderschön.
„Das mittlere Fenster der Apsis hat die Jahrhunderte seit etwa 1270 unbeschadet überdauert und ist somit das älteste erhaltene Glasfenster Wiens“, erklärt uns Hannes Ziegler: „Die modernen Fenster sind vom Anfang der 1990er Jahre und stammen aus der Werkstatt von Lydia Roppolt. Glauben sie mir, es lohnt sich, die Ruprechtskirche zu verschiedenen Zeiten zu besuchen. Die Spiegelungen schauen immer anders aus – je nachdem, wie die Sonne steht.“ Ein guter Hinweis. „Wir werden wiederkommen“, sagt mein Sohn. Vielleicht schon, wenn wir uns das nächste Mal ein Eis am Schwedenplatz gönnen.
Sie haben Lust, so wie wir, eine der ältesten Kirchen Wiens zu besuchen?
Die Ruprechtskirche ist
montags und mittwochs von 10-12 Uhr und von 15-17 Uhr geöffnet,
am Dienstag von 10-12 Uhr,
donnerstags und freitags von 10-17 Uhr
und am Samstag von 11.30 bis 15.30 Uhr.
Gemeindegottesdienst ist im Juli und August samstags um 18.00 Uhr.
Ruprechtsplatz 1
1010 Wien
In diesem Sommer will unsere Redakteurin Andrea Harringer gemeinsam mit ihrem 9-jährigen Sohn Dinge in und rund um Wien entdecken, die sie gerne mag und dabei nicht nur sehen, was sie sieht, sondern vor allem auch das sehen, was er sieht. Von diesen „Sommerspaziergängen“ berichtet sie hier.
Artikel der Serie:
Teil 1 der Serie: Schau doch mal! Da!
Teil 2 der Serie: Ruprechtskirche
Teil 3 der Serie: Von Bullaugen, sichtbaren Glocken und einer Arche Noah
Teil 4 der Serie: So viel Leben am Zentralfriedhof
Teil 5 der Serie: Wir sind dann mal geocachen
Teil 6 der Serie: Die andere Seite einer Erzählung
Teil 7 der Serie: Schatzkiste Stephansdom
Teil 8 der Serie: Nach Klosterneuburg - einmal nicht zur Ministrantenwallfahrt
Teil 9 - Ende der Serie: Ein Sommer voller Einblicke
Teil 5 der Serie: Wir sind dann mal geocachen
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