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01.08.2017 · Aus der Diözese · Familie

Aus der Sicht eines Kindes: So viel Leben am Zentralfriedhof

„Mami, da!“ Tobias könnte ehrfürchtiger gar nicht sein, bleibt stehen, schaut gebannt. Das Reh hüpft inzwischen seelenruhig vor uns über den Weg.

Ein Neunjähriger entdeckt gemeinsam mit seiner Mama, Redakteurin Andrea Harringer,  verschiedene Plätze in der Erzdiözese Wien. In dieser Woche geht es zum Wiener Zentralfriedhof.

 

Zentralfriedhof 2. Tor, Freitag in der Früh, gegen 7.30. Schon um 6.00 sind mein Sohn und ich heute aufgestanden, um unseren nächsten Sommerspaziergang zu unternehmen. Denn der Friedhof öffnet um 7.00 Uhr seine Tore und ich wollte gerne zu den ersten gehören, die heute hierher kommen.


Beim Orientierungsplan gleich hinter dem 2. Tor bleiben wir stehen: „Wow“, sagt mein Sohn: „Der schaut ja riesig aus. Schauen wir uns das alles an?“ Fast klingt er ein wenig kleinlaut. Immerhin will er heute auch noch ins Bad gehen.

 

„Nein, ich glaube, der ganze Friedhof geht sich nicht aus“, sage ich: „Suchen wir uns doch einfach aus, wo wir hingehen. Vielleicht drei Orte?“ Das Ja kommt fröhlich und motiviert: „Drei Orte – klingt gut. Ich schau mal, was mich interessiert, ja?“

 

Und der junge Mann trifft seine Entscheidung erstaunlich schnell. „Da steht was von Ehrengräbern – was ist das?“ Ehrengräber, erkläre ich ihm, sind jene Grabstätten, in denen berühmte Österreicher und Österreicherinnen bestattet wurden und werden. „Die möchte ich sehen“, sagt Tobias: „Und den Naturgarten. Und ,alter jüdischer Friedhof“ klingt auch interessant.“ Okay, wir haben also einen Plan.

 

Beethoven und Mozart

Nach nicht einmal fünf Minuten stehen wir schon vor den ersten Ehrengräbern. Neugierig geht mein Sohn zu den Grabsteinen – zeigt sich fasziniert, wie schön sie gestaltet sind, macht mich darauf aufmerksam, dass bei einem ein Sarg oben auf dem Grab steht, entdeckt eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt.

 

Einige Namen kennt er – Beethoven etwa oder Mozart. Bei anderen fordert er mein Wissen heraus: „Mami, wer war Carl Ritter von Ghega?“ Ich erzähle, was ich weiß und denke mir, dass der Spaziergang am Zentralfriedhof auch ein Spaziergang in die österreichische Geschichte ist.


Wir gehen weiter, vorbei an der Präsidentengruft und der Lueger-Kirche. Wir suchen den Naturgarten und auf dem Weg dahin gibt es so viel zu sehen: Knorrige Ahornbäume, hohe Eichen, wunderbare Platanen säumen die Wege. Eine Libelle schwirrt um unsere Köpfe.

 

An einen Baum gelehnt lässt sich Tobias die Sonne ins Gesicht scheinen „Wenn ich so dastehe, dann habe ich fast das Gefühl ich bin in einem Park, oder einem Wald – an einem fröhlichen Ort. Nicht auf einem Friedhof “, sagt Tobias.

 

Fleißige Bienen

Und dann sind wir auch schon im Naturgarten angekommen. Neugierig geht mein Sohn hinein.  „Da sind ja gar keine Gräber“, sagt er erstaunt: „Einen Teich sehe ich – schau, Mami, da sind sogar Fische drinnen. Und in dem Schilfgürtel? Ob es da wohl Schlangen gibt?“ Mein Sohn ist fasziniert von Schlangen. Eine „in natura“ zu sehen, würde ihm sicher gefallen. Ich kann darauf verzichten, um ehrlich zu sein.

 

Aber Gott sei Dank gibt es weiter hinten im Naturgarten etwas, das seine Aufmerksamkeit erregt. „Da hinten – sind das Bienenstöcke?“ Ja, er hat recht. Emsig fliegen die Bienen aus und ein. Wir gehen nicht näher heran, um sie nicht zu stören. Beim Verlassen des Friedhofs etwas später wird uns ein Hinweisschild für „Honig aus dem Naturgarten des Zentralfriedhofs“ ins Auge stechen, den man im Museum und am Infopoint erwerben kann.

 

Die Ruhe nicht stören

Eine Station steht jetzt noch auf unserem Programm: Der alte jüdische Friedhof beim 1. Tor des Zentralfriedhofs. Fast 3 Stunden sind wir schon unterwegs und langsam sind wir auch müde. Doch kaum im Areal des alten jüdischen Friedhofs angekommen, wissen wir, dass sich der Weg hierher gelohnt hat.

 

Der Platz hat eine ganz eigene Atmosphäre. Teils sind die Grabsteine umgestürzt und auch die Wege sind so ganz anders als jene, die wir bisher gesehen und betreten haben. „Das Gras hier ist wirklich hoch“, sagt Tobias: „Das kitzelt mich an den Knien.“

 

Aber das ist nicht der einzige Gedanke, der meinem Kind kommt: „Hier ist es so still, dass ich mich gar nicht laut zu reden trau“, flüstert er. Spannend, bedenkend, dass wir uns auch schon auf unserem bisherigen Spaziergang nicht wirklich laut unterhalten haben - eben dem Ort und seiner Widmung entsprechend. „Die Ruhe hier will man nicht stören“, hat Tobias  schon am Beginn unseres Sommerspaziergangs gesagt.

 

Flüsternd und mit langsamen Schritten bewegen wir uns weiter. Schauen diesen Grabstein an, oder jenen. Die Davidssterne fallen meinem Sohn auf und dass es viele hebräische Inschriften gibt. „Wie schön das aussieht“, sagt er: „Schade, dass ich das nicht lesen kann. Wer weiß, was man da alles erfahren würde.“

 

Und während er mir das noch zuflüstert, sehen wir plötzlich etwas wirklich Unglaubliches: Einige Meter vor uns steht ein Reh. „Mami, da!“ Tobias könnte ehrfürchtiger gar nicht sein, bleibt stehen, schaut gebannt. Das Reh hüpft inzwischen seelenruhig vor uns über den Weg. Und hinter ihm? Noch ein Reh und noch eines. Damit haben wir nicht gerechnet. Ja, klar war mit bekannt, dass am Zentralfriedhof zahlreiche Tiere ihr Zuhause haben. Aber dass wir wirklich einem begegnen? Was für ein Glück.


Wir machen uns auf den Weg nach Hause. Und Tobias? Der freut sich, dass er hier am Zentralfriedhof, einem Ort des Totengedenkens, so viel Leben begegnet ist.

 

Wenn Sie, so wie wir, den Zentralfriedhof entdecken wollen:

 

Der Friedhof hat in den Sommermonaten jeden Tag von von 7 bis 19 Uhr geöffnet (im August am Donnerstag sogar bis 20 Uhr).

 

Nähere Infos zum Zentralfriedhof, zu Führungen und dem Ausleihen von Audioguides finden Sie unter www.friedhoefewien.at.

 

Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, kann die friedhofseigene Buslinie benützen. 

erstellt von: Der SONNTAG / Andrea Harringer
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Der Zentralfriedhof, Wien 11:  Knorrige Bäume säumen die Wege und Bienen fliegen in ihren Stöcken aus und ein. Mit Glück begegnet man Rehen, Feldhamstern und seltenen Schmetterlingen. Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, kann die friedhofseigene Buslinie benützen. 

 

 

Nähere Infos zum Zentralfriedhof, zu Führungen und dem Ausleihen von Audioguides finden Sie unter www.friedhoefewien.at.

 

 

Artikel der Serie:

Sommerspaziergänge

Teil 1 der Serie: Schau doch mal! Da!

Teil 2 der Serie: Ruprechtskirche

Teil 3 der Serie: Von Bullaugen, sichtbaren Glocken und einer Arche Noah

Teil 4 der Serie: So viel Leben am Zentralfriedhof

Teil 5 der Serie: Wir sind dann mal geocachen

Teil 6 der Serie: Die andere Seite einer Erzählung

Teil 7 der Serie: Schatzkiste Stephansdom

Teil 8 der Serie: Nach Klosterneuburg - einmal nicht zur Ministrantenwallfahrt

Teil 9  - Ende der Serie: Ein Sommer voller Einblicke

 

 

Teil 5 der Serie: Wir sind dann mal geocachen

 

 


 

SOMMER SONNE SEELSORGE

 

 


weitere Informationen zu

 

Der SONNTAG
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
1010 Wien
T +43 (1) 512 60 63
F +43 (1) 512 60 63-3970

E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at

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