Beide wissen, dass man beim Geocachen genau sein muss, sonst kommt man nicht ans Ziel, sprich findet keine Dose, keinen Schatz.
Beide wissen, dass man beim Geocachen genau sein muss, sonst kommt man nicht ans Ziel, sprich findet keine Dose, keinen Schatz.
Ein Neunjähriger, seine Mama und dieses Mal auch sein Papa entdecken besondere Plätze in der Erzdiözese Wien. Heute sind wir in Königstetten unterwegs und begeben uns auf die Spur der Bienen. Und auf die Suche nach einer Plastikdose, denn: Wir sind dann mal geocachen.
Donnerstagnachmittag, Königstetten bei Tulln: Seit etwa einer Stunde stapfen mein Mann, mein Sohn und ich im südlichen Tullnerfeld umher.
Völlig unbeeindruckt vom teils wirklich schlechten Wetter erkunden wir den „Bienenlehrpfad“, erfahren eine Menge über die fleißigen Tierchen und freuen uns an der schönen Umgebung. Um ganz ehrlich zu sein, es hat unsere Ausflug allerdings ein ganz anderes Ziel: Wir wollen eine Plastikdose finden, einen sogenannten Cache.
Aber alles der Reihe nach: Vor einigen Jahren kam mein Mann zum „Geocachen“ (von „geo“ – griechisch für „Erde“ und „cache“ englisch für „Schatz“) - vereinfacht gesagt: eine Art elektronischer Schatzsuche.
Dabei werden Plastikdosen – die sogenannten Caches – an öffentlich gut zugänglichen Orten versteckt. Die Lage der Caches wird mittels geographischer Koordinaten definiert und im Internet auf Geocaching-Portalen veröffentlicht.
Jeder, der sich registriert, kann diese Dosen dann mit Hilfe eines GPS-Gerätes oder einer entsprechenden auf dem Handy installierten App finden.
„Finden“ bedeutet in diesem Fall, dass an den angegebenen Koordinaten nach einer Dose gesucht wird. Wer den Cache findet, kann sich in das „Logbuch“, das jede Dose enthält, eintragen und auch im Internet vermerken, dass man die Dose gefunden hat.
Mein Sohn liebt diese Art des Schatzsuchens und es war deshalb nicht verwunderlich, dass er bei der Zusammenstellung unserer Sommerspaziergänge auch eine Geocache-Tour in das Programm hineinreklamierte.
Klar war natürlich: Mein Mann muss bei einer solchen Tour mit. Denn mit den Geocache-Utensilien bin ich zu wenig vertraut. Am vergangenen Donnerstag waren wir dann also bereit für unseren Sommerspaziergang-Geocache.
Unser Weg würde uns entlang des Bienenlehrpfades in Königstetten führen. Sieben Infotafeln gehören zum Lehrpfad und zu jeder Info-Tafel sollte es eine eigene Rätselfrage geben, deren Antworten (umgerechnet in Zahlen) dann am Ende die Koordinaten des Caches ergeben würden.
Gleich hinter der Kirche von Königstetten geht es los. Nach der ersten Schautafel und ein paar Metern die Straße hinauf, tauchen wir in den Wald hinein. Ich freue mich, dass wir das richtige Schuhwerk für den rutschigen Waldboden gewählt haben.
Mein Mann geht voran, nach ihm Tobias. Mein Blick wandert an den beiden vorbei. Wie geht der Weg denn weiter? Sehe ich schon die nächste Schautafel?
Ganz anders mein Sohn: Wir sind kaum fünf Meter im Wald, da hockerlt er sich schon neben eine Schnecke. „Wo die wohl hinwill und wo die wohl herkommt?“, sagte er: „Ob die wohl überhaupt ein Ziel hat, oder einfach nur so in den Tag hineinleben darf, so wie ich in den Ferien?“
Nur mit einiger Überredungskunst bringen wir Tobias dazu weiterzugehen. Viel lieber, so hat man den Eindruck, würde er hier noch länger verweilen und der Schnecke zuschauen. „Komm, weiter gehts!“
Mein Mann hat immerzu das Navigationsgerät in der Hand, um zu überprüfen, ob wir noch am richtigen Weg sind. Tobias beantwortet weiterhin konzentriert die Fragen. Mein Mann notiert die Antworten.
Die beiden wissen, dass man beim Geocachen genau sein muss, sonst kommt man nicht ans Ziel, sprich findet keine Dose, keinen Schatz.
Tobias gefällt der Weg sichtlich. Nur, dass seine Eltern dauernd nur dem Weg folgen wollen, nur nach der nächsten Tafel Ausschau halten und so wenig links und rechts schauen oder eine Abzweigung ausprobieren wollen, stört ihn.
„Wer weiß, wie schön es da hinten ist“, sagt er und rennt einen Hügel hinauf: „Wenn man immer nur geradeaus schaut, dann entgehen einem doch die schönsten Dinge.“
Er findet Kletten und amüsiert sich ungemein darüber, dass sich die an seinen Händen „festkrallen“. Auch von den Disteln, die den Weg säumen, ist er fasziniert, weil sie Blumen sind und trotzdem „fast so groß wie ich.“
Der Himmel wird einstweilen immer dunkler. Plötzlich beginnt es wie aus Schaffeln zu schütten. Gott sei Dank haben wir Regenjacken mit, die schnell angezogen sind. „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Ausrüstung“, grinst Tobias.
Weiter geht es. Der Regen wird immer heftiger. Abhalten lassen wir uns trotzdem nicht. Es kümmert uns auch nicht, dass sich im Hohlweg auf dem wir mittlerweile unterwegs sind, ein kleiner Bach bildet.
Fasziniert bleibt Tobias stehen und schaut dem Wasser beim Fließen zu. Ich muss mich sehr zusammenreißen, dass ich ihn nicht zum Weitergehen antreibe. Auch wenn der Regen gerade freundlicherweise wieder nachlässt.
Aber es fehlt noch eine Tafel und meine Ausrüstung war vielleicht doch nicht ganz so gut, wie Tobias gemeint hat. „Meine Regenjacke hat beschlossen, dass sie nicht mehr dicht sein will“, teile ich meinem Mann und meinem Sohn mit.
Tobias lacht: „Meine Socken haben beschlossen, dass sie auch gerne wissen wollen, wie sich Regenwasser anfühlt.“
Doch da sind wir schon am Ende des Bienenlehrpfades angekommen. Jetzt heißt es rechnen. Das dauert etwas, aber schließlich haben wir die Koordinaten und begeben uns genau dort hin.
Doch selbst das genaueste Schauen, das intensivste Nachforschen an diesem Ort hilft nichts. Wir finden die Dose nicht. Irgendwann geben wir auf, beschließen schweren Herzens nach Hause zu fahren.
Eine Geocaching-Tour ohne Dosenfund. Sehr schade.
Zuhause aber lässt meinem Mann das Ganze doch keine Ruhe. Noch einmal rechnet er alles penibel durch. Das Ergebnis bleibt das Gleiche.
„Er muss also dort sein“, sagt Tobias. Beide grinsen und ich weiß schon, was jetzt kommt: „Wir versuchen es noch einmal.“ Und tatsächlich fahren wir ein paar Tage später noch einmal nach Königstetten.
Und wissen Sie was? Wir haben die Dose, den Cache tatsächlich gefunden. Voller Glück und Zufriedenheit haben sich meine Mann und mein Sohn in das Logbuch der Dose eintragen: „Siehst du Mami, man darf eben niemals aufgeben. Wenn man etwas wirklich will, dann muss man es immer und immer wieder versuchen auch wenns noch so unerreichbar scheint.“
Lebensschule Geocachen.
Die Freuden des Geocachens: Eine Schnecke entdecken, Rätselfragen beantworten, dem Wasser beim Fließen zuschauen und schließlich die Dose finden und sich ins Logbuch eintragen.
Artikel der Serie:
Teil 1 der Serie: Schau doch mal! Da!
Teil 2 der Serie: Ruprechtskirche
Teil 3 der Serie: Von Bullaugen, sichtbaren Glocken und einer Arche Noah
Teil 4 der Serie: So viel Leben am Zentralfriedhof
Teil 5 der Serie: Wir sind dann mal geocachen
Teil 6 der Serie: Die andere Seite einer Erzählung
Teil 7 der Serie: Schatzkiste Stephansdom
Teil 8 der Serie: Nach Klosterneuburg - einmal nicht zur Ministrantenwallfahrt
Teil 9 - Ende der Serie: Ein Sommer voller Einblicke
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