Der Kreuzweg in Mödling: Die Anlage wurde auf Anregung von Pfarrer Wilhelm Müller von Mödlinger Christen als Beitrag zur 1100-Jahr-Feier Mödlings errichtet und am 22. September 2002 gesegnet.
Der Kreuzweg in Mödling: Die Anlage wurde auf Anregung von Pfarrer Wilhelm Müller von Mödlinger Christen als Beitrag zur 1100-Jahr-Feier Mödlings errichtet und am 22. September 2002 gesegnet.
Ein Neunjähriger und ich als seine Mama entdecken in diesem Sommer einige der schönsten Plätze in der Erzdiözese Wien. Heute sind wir in Mödling unterwegs und besuchen einen Kreuzweg, der so ganz anders ist, als die meisten anderen.
Die wunderschöne Stadt Mödling an einem sehr sonnigen Freitag Vormittag. Unser nächster Sommerspaziergang hat meinen Sohn und mich heute hierher geführt. Tobias ist schnell begeistert von Mödling – macht mich auf die hübschen Häuser aufmerksam, die vielen Bäume, eine kleine Brücke unter der ein Bächlein ganz gemütlich dahinplätschert und einen Wetterhahn auf einem Kirchturm.
Ob ich den wohl auch ohne mein Kind gesehen hätte? Wohl kaum, denn ich bin ja schon wieder auf das Ziel unserer Reise konzentriert – den Kreuzweg am Mödlinger Wildgansweg oberhalb der Pfarrkirche St. Othmar – während mein Sohn mich schon wieder lehrt, dass auch der Weg das Ziel ist bzw. sein sollte.
Schwer zu finden ist der Kreuzweg nicht und – besonders erfreulich bei dem heißen Wetter – er verläuft zwar bergauf, aber im Schatten vieler Bäume. Bei der ersten Station „Jesus wird zum Tod verurteilt“ bleiben wir stehen. Jetzt bin ich gespannt, wie Tobias reagiert. Zu sehen sind einige Fäuste, drohend nach oben gehoben. Sie zeigen in Richtung eines Mannes. Tobias nimmt sich Zeit, das Bild wirklich zu betrachten. Darum hatte ich ihn heute ganz besonders gebeten.
„Schau Mami, das ist bestimmt Pilatus“, sagt Tobias schließlich: „Und die Hände davor – das schaut aus, als wären das Menschen, die wütend sind, sehr wütend.“ Keine Frage, da hat er Recht. Genau so sieht es aus. Die Figur, die Tobias als Pilatus identifiziert hat, hält einen zerbrochenen Stab in den Händen – das Zeichen für das Todesurteil. Es ist ein schlichtes Bild, reduziert auf das Wesentliche, gemalt mit gedeckten Farben, aber sehr ausdrucksstark.
„Aber irgendetwas fehlt mir da“, sagt Tobias: „Da sind diese wütenden Menschen und Pilatus. Aber ich sehe Jesus nicht. Da ist Jesus nicht drauf.“ Ich schaue meinen Sohn an, überlege, ob ich ihm auf die Sprünge helfen soll bzw. muss, damit er versteht, wie dieser Kreuzweg „funktioniert“.
Da hellt sich sein Gesicht auf: „Mami, ich glaub, da muss man Jesus gar nicht sehen. Da sieht man vielmehr, was Jesus gerade sieht.“ Ich nicke. Der moderne Kreuzweg in Mödling hat tatsächlich eine ganz besonders hervorstechendes Gestaltungsmerkmal: Die Fresken, 2002 von der Mödlinger Künstlerin und Restauratorin Doris Frass-Heckermann gestaltet, sind aus der Sicht Jesu gemalt.
Tobias ist auf jeden Fall fasziniert. „Sind alle Stationen hier so?“, fragt er und läuft bereits zur nächsten. „Jesus nimmt das schwere Kreuz auf sich.“ Hier fällt meinem Fan der römischen Geschichte vor allem der Soldat auf, der Jesus das Kreuz in die Hand drückt: „Das ist ein wenig beängstigend“, sagt er: „Der Soldat, so nahe!“
Wir gehen an der dritten Station vorbei, hin zur vierten „Jesus begegnet seiner Mutter.“ „Das ist aber ein trauriges Bild“, bemerkt Tobias. „Warum?“, frage ich. „Na schau doch genau, Mami, das ist Maria, und Jesus will sie scheinbar umarmen, aber er kommt nicht zu ihr hin. Wie furchtbar, wenn man zu seiner Mama will, sie sogar sieht, aber trotzdem nicht zu ihr kann.“
Langsam gehen wir weiter zu Station Nummer acht „Jesus begegnet den weinenden Frauen.“ Man sieht drei Frauen, und Jesus Hand. Abwehrend streckt er sie ihnen entgegen. Mein Kind sieht, wie so oft, etwas anderes: „Schau Mami, das Bild mag ich. Das sieht so aus, als würde Jesus die Frauen mit einem Segen trösten.“
Wir gehen weiter. „Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz“, „Jesus wird seiner Kleider beraubt“, „Jesus wird ans Kreuz genagelt“, „Jesus stirbt am Kreuz“, „Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt“, „Jesus wird ins Grab gelegt“.
Zuletzt stehen wir vor der Station Nr. 15 „Jesus wird von den Toten auferweckt.“ Bei modernen Kreuzwegen ist diese Station als Endpunkt keine Seltenheit. „Ich finde es schön, dass es hier auch ein Bild für die Auferstehung gibt“, sagt mein Sohn: „Jetzt habe ich nicht nur alle Stationen des Leidens von Jesus gesehen, sondern auch diesen Moment, in dem sich das Leiden so komplett auflöst.“ Schön, dass er das so sehen kann.
„Und wie geht es dir damit?“, frage ich. „Prima“, sagt er: „Voller Hoffnung und voller Zuversicht, dass am Ende immer alles gut wird.“
Artikel der Serie:
Teil 1 der Serie: Schau doch mal! Da!
Teil 2 der Serie: Ruprechtskirche
Teil 3 der Serie: Von Bullaugen, sichtbaren Glocken und einer Arche Noah
Teil 4 der Serie: So viel Leben am Zentralfriedhof
Teil 5 der Serie: Wir sind dann mal geocachen
Teil 6 der Serie: Die andere Seite einer Erzählung
Teil 7 der Serie: Schatzkiste Stephansdom
Teil 8 der Serie: Nach Klosterneuburg - einmal nicht zur Ministrantenwallfahrt
Teil 9 - Ende der Serie: Ein Sommer voller Einblicke
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