„Das Betreten der Schlossinsel ist aufgrund der Einsturzgefahr der Gebäude verboten“, lesen wir auf einem Warnschild.
„Das Betreten der Schlossinsel ist aufgrund der Einsturzgefahr der Gebäude verboten“, lesen wir auf einem Warnschild.
Überwuchert, verschüttet, versperrt: Es gibt bei uns mehr vergessene und verlorene Orte als man glaubt. Oft mitten in unserer modernen Welt wirken sie wie Fenster in eine andere Zeit. Besuchen Sie mit uns über den Sommer „Lost Places“ in Wien und Niederösterreich. Diese Woche: das schlafende – beinahe möchte man sagen: sterbende Schloss Pottendorf.
In den Fenstern ist keine einzige Glasscheibe mehr. Hie und da erinnern herabhängende Fenstersprossen an die einmal gehabte Funktion. Der Fassadenputz ist abgebröckelt – an vielen Stellen schauen die roten Rohziegel heraus. Wo einst ein feudales Dach das Schloss vor Wind und Wetter schützte, ragen Baumkronen in den Himmel. „Das Betreten der Schlossinsel ist aufgrund der Einsturzgefahr der Gebäude verboten“, lesen wir auf einem Warnschild.
Wir befinden uns im Schlosspark von Pottendorf. Vor uns, umgeben von Wasser, das Schloss, das ganz früher einmal eine Wasserburg mit zwei Wehrtürmen war.
In der Barockzeit ließ es der damalige Besitzer Gundacker Thomas Graf Starhemberg in ein Lustschloss umwandeln. Nur die beiden mittelalterlichen Wehrtürme aus massiven Buckelquadersteinen blieben unverändert. 1803 erwarb Fürst Nikolaus II. Esterházy das Barockjuwel. Bis heute ist das Wappen der Familie Esterházy über dem rundbogigen Portal an der Südfassade zu sehen.
Ansonsten erinnert kaum noch etwas an die einstige Pracht dieses Baus. Blickt man durch die leeren Fensterhöhlen, fällt kein glänzender Luster, kein herrliches Parkett, kein elegantes Möbelstück oder kunstvolles Gemälde ins Auge.
Stattdessen grünes Blätterwerk, herabgestürzte Balken, Schuttberge und verfallene Stiegenhäuser. Wie konnte es nur so weit kommen, dass ein so wunderbares Schloss, umgeben von einem herrlichen Schlosspark mit bestem Baumbestand, so vollkommen verfällt?
Noch im 19. Jahrhundert blühte das Anwesen und brachte der örtlichen Bevölkerung großen Nutzen. Nikolaus Fürst Esterházy begründete mit anderen Adeligen und Bankiers die Pottendorfer Baumwollspinnerei, die erste Maschinenspinnerei Österreichs und stellte den Grund für das Fabriksgebäude zur Verfügung.
Die k. k. privilegierte Garn-Manufaktur in Pottendorf beschäftigte bis zu 1.800 Menschen und erzeugte pro Jahr 600.000 kg Garne. Sie war somit die größte Baumwollgarnspinnmanufaktur der Habsburgermonarchie.
Die Autoren Johannes Sachslehner und Robert Bouchal schildern in ihrem lesenswerten Buch „Streng geheim! Lost Places rund um Wien“ die Geschichte von Schloss Pottendorf ausführlich. Und auch sie fragen: „Wie konnte es dazu kommen, dass dieses Juwel, Teil des kulturellen Erbes Österreichs, innerhalb weniger Jahrzehnte so devastiert wird?“
Als 1938 die Nazis in Österreich einmarschieren, ist das Schloss im Eigentum von Ladislaus und Marietta Esterházy. „Sie ziehen es vor, Hitlerdeutschland zu verlassen und ihren Wohnsitz nach Ungarn zu verlegen“, berichten Johannes Sachslehner und Robert Bouchal.
Angeblich lassen die Esterházys zahlreiche kostbare Kunstgegenstände wie Wandgemälde und Bodenvasen zurück, die in der Folge verschwinden. Auch die große Bibliothek wird offenbar aufgelöst. Wurde sie von den Nazis beschlagnahmt?
Mit Kriegsende ziehen russische Soldaten ins Schloss ein, die Familie Esterházy findet im zum Schloss gehörigen Jägerhaus Unterkunft. Das Schloss ist noch intakt. Lediglich ein Bombentreffer erwischte das Gebäude zwischen der Kapelle und den Türmen.
Doch als die Sowjets 1955 abziehen, „ist die Stunde der Vandalen“ gekommen, schildern Sachslehner und Bouchal: „Gestohlen wird alles, was irgendwie brauchbar erscheint – von den kostbaren Holzfußböden bis zu den Kupferleitungen...“ Plünderer machen Schloss Pottendorf innerhalb weniger Jahre zur Ruine.
2006 erwirbt die Gemeinde Pottendorf das Schlossareal. Der Park ist für die Öffentlichkeit zugänglich (mit der Bahn von Wien bis Bahnhof Wampersdorf oder Pottendorf-Landegg erreichbar).
Die Kapelle wird restauriert. Bleibt zu hoffen, dass auch Schloss Pottendorf irgendwann aus seinem Schlaf erwachen darf.
Erst vor kurzem durfte die Pfarre Pottendorf mit einem großen Fest das Jubiläum „300 Jahre Weihe der Pfarrkirche“ begehen.
Schon bald werden die Pottendorfer wieder Grund zum Feiern haben, denn die Restaurierung der Schlosskapelle von Schloss Pottendorf steht kurz vor dem Abschluss.
Die spätgotische Schlosskapelle mit ihren Spitzbogenfenstern, Steinrosetten und einem romanischen Turm gilt vielen als der schönste Teil der Schlossanlage.
Der zunächst freistehende Sakralbau wurde 1519 mit dem Hauptbau verbunden.
Ab 2016 wurden am Dach, der Fassade und der Raumschale Sanierungsmaßnahmen gesetzt. Die NÖ-Landesregierung hat eine Summe von 90.000 Euro beigesteuert.
Ansonsten ist es vor allem den großzügigen Spenden der Bürger zu verdanken, dass die Sanierung umgesetzt werden konnte. Bürgermeister Thomas Sabbata-Valteiner und den Pottendorfer Bürgern ist die Wiederherstellung der Kapelle ein großes Anliegen.
Der Pottendorfer Bürgermeister plant das Fest zur Wiedereröffnung des Gotteshauses für 1. September 2018. Ein Lichtblick an einem fast vergessenen Ort!
Styria Verlag 2018
ISBN: 978-3222136023
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