Im Urlaub, im Sommer können und sollten wir uns auch wieder ganz bewusst genau auf diese kleinen Glücksmomente konzentrieren.
Im Urlaub, im Sommer können und sollten wir uns auch wieder ganz bewusst genau auf diese kleinen Glücksmomente konzentrieren.
Endlich Sommerferien – endlich Zeit für…! Ja wofür denn nun eigentlich? Gerade die Sommer- und Urlaubswochen sollen wieder Buntheit, wieder Lebendigkeit in unser Leben bringen. Der Alltag soll Pause machen. Aber wie viel Buntheit und Lebendigkeit brauchen wir wirklich, um uns richtig zu erholen.
Ein Gespräch mit Psychotherapeutin und Coach Brigitte Ettl zum Beginn der Sommerferien und zum Start unserer neuen Sommerserie „Der Sommer der 1000 Möglichkeiten.“
Sommerferien. Allein das Wort zaubert meinem 10-jährigen Sohn derzeit ein Lächeln ins Gesicht. Nicht, dass er nicht gerne in die Schule ginge.
Aber in den vergangenen Wochen, den letzten der 4. Klasse Volksschule, war das „Programm“ dann doch ganz besonders dicht: Neben den Hausübungen gab es Schularbeiten, Referate, viele Theaterproben für die Abschlussveranstaltung der 4. Klasse – Ronja Räubertochter –, Lehrausgänge und und und.
Das meiste davon war, zugegeben, ein großer Spaß. Aber viel Zeit, um Freunde zu treffen, zu Hause oder im Garten zu spielen oder einfach mal die Seele baumeln zu lassen, blieb nicht. Ihm nicht - und uns Eltern auch nicht.
„Gerade Familien mit schulpflichtigen Kindern sind zehn Monate im Jahr in ihrem Lebensrhythmus weitgehend fremdbestimmt“, sagt dazu Brigitte Ettl, Psychotherapeutin, Wirtschaftscoach und Mediatorin: „Die Alltagsroutine hat sie fest im Griff, der Schularbeitskalender diktiert den mehr oder weniger engen Rahmen der familiären Freizeitgestaltung.“ Das bedeutet für alle Familienmitglieder Verzicht und Rücksicht.
„Die großen Ferien sind dann endlich die Zeit, in der mehr Freiraum und damit mehr Selbstbestimmung möglich ist“, sagt Brigitte Ettl: „Die Sommer- und Urlaubswochen können wieder Buntheit, wieder mehr Lebendigkeit ins Leben bringen.“
Endlich gibt es Zeit für Spiel und Spaß mit Gleichaltrigen und im besten Fall entspannte, vom Stress des Alltags und dem täglichen Leistungs- und Lerndruck losgelöste Zeiten mit den Eltern – auch wenn die meist deutlich weniger Urlaub haben als ihr Nachwuchs.
„Die Jahreszeit hilft noch dabei“, sagt Brigitte Ettl: „Sonne und Wärme verführen dazu, die eigenen vier Wände zu verlassen, Richtung Schwimmbad, in den Park, in die Berge.“
„Mehr Buntheit und Lebendigkeit“ also. Klingt ganz nach den Traumferien meines Sohnes. Wenn ich mir überlege, was er alles unternehmen möchte, frage ich mich, ob die neun Wochen Ferien überhaupt reichen werden. Aber wie viel „Buntheit und Lebendigkeit“ brauchen wir eigentlich, um uns wirklich zu erholen? Und überhaupt: Bleibt da dann auch noch Zeit für Entspannung?
Tatsache ist, sagt Brigitte Ettl, dass Buntheit und Lebendigkeit und auch unvergessliche Momente nicht zwingend mit großen Unternehmungen einhergehen müssen. Einen unvergesslichen Sommer zu haben, muss nicht heißen, dass ich Bungeejumpen, Tiefseetauchen oder Rodeo-Reiten war.
„Unvergesslich sind im Grunde jene Erlebnisse, die uns emotional besonders tief berühren“, sagt Brigitte Ettl: „Die mit unseren Werten in Einklang stehen: unbeschwerte Freude in der Begegnung mit anderen Menschen, sprachloses Staunen über die Schönheit der Natur, Stolz nach erfolgreicher Überwindung bisheriger körperlicher Grenzen, durch sportliche Leistungen oder die große Freude, wenn einem etwas gelungen ist, was noch nie gelungen ist.“
„Das ,Hauptwort‘, wenn es zum Thema Erholung kommt, ist für mich sowieso ,Balance‘“, sagt Brigitte Ettl: „Schließlich soll ja die Freizeit nicht eine Fortsetzung der Arbeitszeit sein, sondern zu einem wohltuenden Ausgleich verhelfen.“
Konkret bedeutet das: Bin ich beruflich ständig auf den Beinen, darf es im Urlaub ruhig gemütlicher sein. Sitze ich normaler Weise viele Stunden am Schreibtisch, dann freuen sich Körper und Seele über bewegte Tage.
Und hatte ich in den vergangenen Wochen und Monaten als Familie kaum Zeit, etwas miteinander zu unternehmen, ist es gut, wenn ich mir dafür im Sommer losgelöst von der Routine des Alltags ganz bewusst Zeit nehme.
„Gerade der Alltagstrott ist ja dafür verantwortlich, dass uns oft die Muße und Achtsamkeit fehlt, kleine Glücksmomente wahrzunehmen und uns daran zu erfreuen.“
Im Urlaub, im Sommer können und sollten wir uns auch wieder ganz bewusst genau auf diese kleinen Glücksmomente konzentrieren.
Ganz wichtig für die Erholung außerdem: „Nutzen Sie Ihren Urlaub nicht ausschließlich zum Abarbeiten aufgeschobener, lästiger Verpflichtungen“, sagt Brigitte Ettl: „Sondern als Zeit ohne Stress und Leistungsdruck.
Und gönnen Sie es Ihrer Seele, die Eindrücke der vergangenen Wochen und Monate zu ,verdauen‘: Kramen Sie alte Spiele hervor, basteln Sie ein wenig herum, bauen sie im Kopfkino Luftschlösser.
Erspüren Sie einfach, was Ihnen jetzt in diesem Moment gut tut und folgen Sie dieser Sehnsucht.“
Und ein bisschen Abenteuer im Sinn von Grenzen überschreiten, mit Mut eigene Ängste überwinden darf es dann, wenn es passt, durchwegs auch noch sein.
„Mit kleinen und größeren Abenteuern können neue Erfahrungen gemacht werden, kann Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickelt werden“, sagt Brigitte Ettl. Das gilt für Kinder, die das Klettern am Klettergerüst üben, aber auch für Erwachsene, die sich an die Bergtour heranwagen, die sie sich bisher nie zugetraut haben. „Das alles wird Ihnen einfach gut tun, und Sie können dann im Herbst wieder mit neuen Kräften ins nächste Arbeits- und Schuljahr starten.“
Ganz in diesem Sinne sollen die kommenden Wochen auch für meinen Sohn, meinen Mann und mich ganz viel unvergessliche Momente bieten, so viel Abenteuer wie möglich und natürlich ganz viel kleines und großes Glück.
Zeit für Besonderes, Ungewöhnliches, Außertourliches oder auch „nur“ für jene extrem feinen Dinge, für die uns sonst einfach wenig bis gar keine Zeit bleibt; vielleicht sogar für das eine oder andere Abenteuer.
Wir wollen an einem Bächlein einen Damm bauen, Eis selber herstellen, Kirchen entdecken und dabei einen kühlen Kopf bewahren, einen Teil des Wiener Jakobsweges gehen und vieles mehr.
Dr. jur. Brigitte Ettl
ist Psychotherapeutin, Wirtschaftscoach und Mediatorin.
Tel: 0676/431 40 74 oder
Internet: www.brigitte-ettl.at
siehe auch:
Serie "Abenteuer Alltag"
die Zeitung der Erzdiözese Wien
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