Das Schottenstift mit Museum befindet sich auf der Freyung in der Wiener City. Führungen gibt es samstags (außer an Feiertagen) um 14.30 Uhr, Treffpunkt ist der Klosterladen. Infos unter www.schotten.wien/stift/
Das Schottenstift mit Museum befindet sich auf der Freyung in der Wiener City. Führungen gibt es samstags (außer an Feiertagen) um 14.30 Uhr, Treffpunkt ist der Klosterladen. Infos unter www.schotten.wien/stift/
In unserer Sommerserie über Kraftorte besuchen wir dieses Mal das Wiener Schottenstift und plaudern mit Pater Augustinus Zeman. Er führt uns durch das erbauliche Stiftsmuseum, zeigt uns einen Ort der absoluten Ruhe und führt uns in die kühle Unterkirche. In dieser wurde einst die sagenumwobene „Weiße Frau“ bestattet.
Wohnen Sie schon bei sich selbst? Dieser Frage wollen wir in unserer aktuellen Folge über Kraftorte im Wiener Schottenstift nachgehen. Das Schottenstift ist das älteste Kloster Wiens und gilt vielleicht gerade deswegen als besonderer Kraftort.
Markgraf Heinrich II. Jasomirgott ließ das Stift 1155 durch iroschottische Mönche gründen. Seither wird an diesem Ort durchgängig gebetet und gearbeitet. Auch als die Benediktiner das Kloster 1418 übernahmen, blieb der Name „Schottenstift“ erhalten. Noch heute findet sich die Bezeichnung „Schotten“ in vielen Wiener Straßennamen.
Pater Augustinus Zeman, Jahrgang 1968, ist Prior des Klosters. Er leitet neben vielen Aufgaben das Stiftsmuseum und die Klosterbibliothek und weiß um die Kraft und Atmosphäre dieser Räumlichkeiten.
„So ein Museum ist für mich absolut ein Kraftort, weil ich mich einfach wahnsinnig freu’ an den Sachen“, lächelt Pater Augustinus und führt mich durch das Stiftsmuseum. Dass ein Museum mit Gemälden zum Kraftort werden kann, hat durchaus mit der benediktinischen Ordensspiritualität zu tun: „Se cum habitare (Bei sich wohnen)“ gilt als zentrales Ziel in der Regel des hl. Benedikt.
„Man muss sich konzentrieren, wenn man sich ein Kunstwerk anschaut wie bei der Begegnung mit einem Menschen. Wenn Menschen die Übung machen, sich zu sammeln, in sich zu sein, dann hat das eine Wirkung, die heilend ist“, führt der Benediktiner aus. So steht es in der Regel des hl. Benedikt: Se cum habitare – Bei sich wohnen. „Die Betrachtung von Kunstwerken ist etwas, das das sehr fördert. Da komme ich zu mir zurück. Ich habe dafür keine Technik, das geschieht einfach“, sagt Pater Augustinus.
Im heutigen Stiftsmuseum befand sich in früheren Jahrhunderten die Wohnung des Abtes. Dieser noch spürbare Wohnungscharakter macht den besonderen Charme des Museums aus und unterstützt wohl die Übung des „Bei sich Wohnens“.
Durch seine farblich stimmige Ausstattung und die Abgeschirmtheit von jeglichem Großstadttrubel wird es zum Kraftort. Hauptwerk des Stiftsmuseums ist neben bedeutenden Gemälden der europäischen Kunstgeschichte der Schottenaltar (um 1470), der die ältesten naturgetreuen Darstellungen Wiens zeigt.
P. Augustinus hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Besuchern in Führungen einen Zugang zum Geheimnis der Kreativität zu ermöglichen.
Als ein besonderer Ort im Wiener Schottenstift gilt auch die alte Klosterbibliothek, ein Werk Josef Kornhäusls, des großen Wiener Architekten des Klassizismus. Die Bibliothek mit 130.000 Bänden von vor 1900 bildet genau in der Mittelachse des Klosters. „Man kann das Kloster nach Norden und Süden genau an dieser Achse spiegeln“, erklärt Pater Augustinus. Ein großer, feierlicher, weihevoller Raum, der von außen gänzlich unsichtbar ist.
„Die Bibliothek hat kein Fenster und keine Fassade in den öffentlichen Raum – eine richtige Klosterbibliothek, die nur für das Kloster und nicht für die Öffentlichkeit gemacht wurde“, schildert Pater Augustinus. Flankiert wird sie von zwei begrünten Innenhöfen, in denen ausschließlich Vogelgezwitscher zu hören ist.
„Der Bücherbestand ist auch deshalb so interessant, weil das Schottenstift nie aufgehoben wurde und die Bibliothek die Katastrophen im Laufe der Geschichte im Wesentlichen gut überstanden hat. Die älteste Handschrift geht auf das Jahr 1200 zurück.“
Ein Ort der Ruhe und echter Kraftort. „Es ist ein Ort, der mich ruhig macht. Der Ort hat eine Erhabenheit und diese hebt die Menschen hoch, macht sie nicht klein.
Architektur spielt bei den Kraftorten eine große Rolle“, bringt es Pater Augustinus auf den Punkt.
In der Klosterbibliothek ist vom Großstadtlärm nichts zu vernehmen. Das Stiftsmuseum lädt zur vertiefenden Betrachtung bedeutender Meisterwerke und durch diese Übung zum „Se cum habitare“ (Bei sich wohnen).
Inspirierendes Hausgespenst
Nicht nur die kühlen Temperaturen verursachen in der Unterkirche des Schottenstifts Gänsehaut. Zwischen ehrwürdigen Grabdenkmälern stehend erzählt mir Pater Augustinus von einem „Klostergeist“ der anderen Art:
„Sie lebte im frühen 15. Jahrhundert. Historisch ist, dass sie eine furchtbare Ehe geführt hat, das weiß man aus ziemlich vielen Quellen.“ Die Rede ist von Bertha von Rosenberg, einer böhmischen Adeligen aus dem 15. Jahrhundert, die hier in der Unterkirche bestattet wurde. Nach dem Tod ihres Gatten, der sie gequält hatte, soll Bertha gefeiert haben, anstatt zu trauern.
Die Legende sagt, dass Berthas Seele nach ihrem Tod nicht zur Ruhe kam und als „weiße Frau“ erscheint. Sie soll im Kloster dann umgehen, wenn großes Unglück oder Gefahr bevorstehen, um zu warnen. „Ich finde das sehr nett von ihr“, meint Pater Augustinus.
Er erzählt: „Tatsache ist, dass unser Mitbruder Benedikt 1938 die weiße Frau gesehen haben will. Dazu muss man sagen, dass Pater Benedikt – er lebte bis nach 2000 und war ein sehr beliebter Mitbruder – nicht irgendwie überdreht war oder zu solchen Geschichten neigte. Er hat immer wieder gesagt, er hat die weiße Frau im Jänner 1938 gesehen. Man weiß ja, was dann passiert ist.“
Franz Grillparzer, der 1817 das Drama „Die Ahnfrau“ geschrieben hat, „hat die Legende mit großer Wahrscheinlichkeit gekannt, weil er als Bub im Schottenhof gelebt hat“ und ließ sich von ihr inspirieren.
„Die weiße Frau ist eine Wanderlegende und wird von vielen Häusern erzählt, wobei unsere mit einer historischen Person verbunden ist“, betont Pater Augustinus.
Die Ahnfrau - Bertha von Rosenberg
P. Augustinus Zeman