Die Michaelerkirche mit dem hl. Erzengel über dem Portal, der mit goldenem Schwert Satan in den Abgrund stürzt.
Die Michaelerkirche mit dem hl. Erzengel über dem Portal, der mit goldenem Schwert Satan in den Abgrund stürzt.
Auf unserer sommerlichen Reise an Kraftorte besuchen wir die Michaelerkirche im Herzen Wiens. Begleitet werden wir von Hubert Zeinar, Historiker und Archäologe sowie Experte für die Erdenergien in Kirchen. Ein aufmerksamer Besuch in St. Michael schenkt Trost und Hoffnung, erquickt Leib und Seele und lässt Stress abstreifen.
Haben Sie schon von Beichtstühlen mit abziehender Energie gehört oder von Kirchenbänken, auf denen zu sitzen positiv aufbaut? Dem lange vergessenen Kirchenwissen um die besonderen Energieplätze in unseren Gotteshäusern gehen wir mit dem Historiker Hubert Zeinar in der Wiener Michaelerkirche nach.
Die schmiedeeisene Pracht des Michaelertores, zwei monumentale Brunnen mit muskulösen Herkulesgestalten, das legendäre Loos-Haus und römische Ausgrabungen in der Mitte kennzeichnen den Michaelerplatz in der Wiener City. Nicht weniger eindrucksvoll: Die Michaelerkirche mit dem hl. Erzengel über dem Portal, der mit goldenem Schwert Satan in den Abgrund stürzt.
Betritt man das Gotteshaus, gleitet man sanft aus dem touristischen Trubel in einen Raum der wohltuenden Ruhe und die Besucher umschmeichelnden mystischen Sanftheit. „Die Michaelerkirche gehört zu den ältesten Kirchen Wiens und stand ursprünglich vor der Stadtmauer als Wächter und zum Schutz des damals noch kleinen aufstrebenden Wiens“, sagt Hubert Zeinar, Wiener Historiker und Autor mehrerer Bücher über Wallfahrtskirchen, im Gespräch mit dem SONNTAG.
Hubert Zeinar führt regelmäßig Gruppen durch das Gotteshaus. St. Michael ist für ihn ein außergewöhnlicher Kraftort. „Ich tanke besonders in dieser Kirche Kraft, in der für mich Tag und Nacht aufeinandertreffen. Mich fasziniert, wie man beim Bau dieser Kirche mit Erdqualitäten umzugehen wusste“, sagt Zeinar.
Der Historiker erklärt: „Das Wissen um besondere Energieplätze war bei unseren Vorfahren Allgemeinwissen. Die Menschen früherer Zeiten waren feinfühliger – jeder wusste um gute und weniger gute Plätze“. Im Zuge der Christianisierung habe sich die Kirche die stärksten Plätze „behalten“ und dort ihre Kirchen errichtet.
„Weniger starke Plätze wurden mit Heiligen besetzt, einem Bild oder einer Statue. Der Bildbaum war geboren.“ Marterln, Wegkreuze und kleine Kapellen markieren noch heute diese kleinen Kraftplätze.
„Die Kirche hat es seit jeher verstanden, mit Erdenergien umzugehen“, meint Hubert Zeinar. Und dies lasse sich in St. Michael in besonderer Weise ablesen. So wurde die (heute ehemalige) Beichtkapelle, nach dem Eingang rechts, bewusst an einen Platz mit „abziehender“ Energie eingerichtet. Zeinar: „Die Kirche hat die abziehende Energie genutzt, um sie im Bereich der Beichte nutzbringend einzusetzen.“
Tatsächlich ist die Beichtkapelle – heute mit einem Mahnmal an den ermordeten Bundeskanzler Dollfuß und einem Gedenkkreuz an die im KZ-Dachau ermordeten Österreicher ausgestattet – ein eher beklemmender Raum, an dem man nicht allzu lang verweilen möchte. „Ich merke es an den Besuchergruppen, die ich hierher führe, wie sie bald unruhig werden und rasch weiter wollen“, erzählt Zeinar.
Das Beichtkind wurde nach seiner Beichte am Ort der abziehenden und auslaugenden Energie nicht sich selbst überlassen. Hubert Zeinar weiter zur Praxis der Beichte in früheren Zeiten: „Der Beichtende wurde zur Verrichtung der Buße an einen Platz in der Kirche geschickt, an dem aufbauende Energien vorkamen. Sie erkennt man an Auferstehungs- und Himmelfahrtsszenen“, erläutert der Historiker: „Hat der Gläubige dort die aufgetragenen Gebete zur Buße verrichtet, konnte er sich gestärkt erheben und sagen: Wie gut hat mir doch jetzt diese Beichte getan!“
Ein Ort der besonders aufbauenden Energie sind in vielen Kirchen und ganz besonders in St. Michael die Kirchenbänke unter der Kanzel bzw. die Kanzel selbst. „Meine Besuchergruppen blühen richtig auf, wenn sie einige Zeit in den Bänken bei der Kanzel sitzen“, meint Hubert Zeinar. Die aufbauenden Kräfte bei der Kanzel sollten sowohl den Gläubigen als auch dem predigenden Priester zugutekommen.
„In früheren Jahrhunderten haben die Menschen die ganze Woche lang hart gearbeitet. Der Besuch der Hl. Messe am Sonntag war für sie DIE Zeit der Regeneration und des Kraftschöpfens“, betont Zeinar.
Das Singen erquickender Kirchenlieder, eine aufbauende Predigt und der Blick auf wunderschöne Kunstwerke an den Wänden und an der Decke trugen zu dieser Regeneration der Menschen bei. Der Priester auf der Kanzel sollte durch die positive Energie des Platzes in seiner Rede beflügelt werden.
Deutlicher Hinweis auf den „Energieplatz Kanzel“ ist in der Michaelerkirche ein Pfeiler mit einem um 1220 daraufgesetzten Drachenkapitell. „Es zeigt gefiederte und geschuppte Fabeltiere, deren Schweifenden ineinander verschlungen sind, ein spätromanisches Motiv, wie es auch in St. Stephan zu finden ist“, erklärt Zeinar. „Die beiden Drachen zeigen an, dass an dieser Stelle unterirdisch Wasser durch die Kirche fließt und dieses Wasser erzeugt die aufladende Energie“.
„Leider ist das Wissen um die besonderen Energieplätze in den Kirchen heute völlig verloren gegangen“, bedauert Hubert Zeinar. Ein achtsamer Besuch der Michealerkirche lädt ein, dem alten Wissen wieder auf die Spur zu kommen und dabei neue Kraft zu tanken.
Heilung und Erhörung
Den Hauptaltar von St. Michael schmückt ein beeindruckendes Kunstwerk des Bildhauers Karl Georg Merville (1751-1798): Der Erzengel Michael stürzt mit Hilfe zweier Assistenz-Engel eine Gruppe sündiger Seelen in den Abgrund. Unten aber leuchtet das Gnadenbild der „Maria Candia“.
Hubert Zeinar sagt dazu: „Der hl. Michael stürzt die sündigen Seelen in die Hölle hinab. Aber hier unten fängt sie die Gottesmutter wieder auf“. Aus diesem besonderen Arrangement haben die Gläubigen über die Jahrhunderte in der Michaelerkirche Trost und Hoffnung geschöpft.
Das Bild „Maria Candia“ stammt ursprünglich aus der Hauptstadt Kretas (damals wie auch die Insel „Candia“ genannt) und gilt als wundertätig.
Zwei Blinden sei dadurch das Augenlicht wiedergeschenkt worden, heißt es. Es wurde in der Folge in der Nikolauskirche von Candia verehrt. Nach 20-jähriger Belagerung durch die Osmanen fiel Candia, ein Priester gab das Bild den kaiserlichen Truppen bei ihrem Abzug mit.
Ab 1672 wurde es in St. Michael, damals Barnabiten-Kloster, aufgestellt. „Es fand besonders in der Pestzeit Verehrung, weil ein Barnabite, Don Casimir, sich bei einem Versehgang mit der Pest angesteckt hatte, aber durch dieses Bild geheilt wurde“, berichtet Hubert Zeinar.
Seit damals werden dem Bild, dem Typus nach eine „Madonna Hodegetria“ (Maria als Wegweiserin), zahlreiche Gebetserhörungen zugeschrieben.
Hubert Zeinar
Dr. phil., Historiker, Ethnologe und Archäologe.
Er war u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter im Heeresgeschichtlichen Museum und ist Autor mehrere Bücher, darunter „Wallfahrtsort Wien. Die Wiener Wallfahrtskirchen“ (Ibera Verlag ISBN: 978-3850521239).